Dass ausgerechnet Gal Hirsch die Befreiung der vermutlich mehr als 100 israelischen Geiseln aus den Händen der Hamas im Gazastreifen organisiert, wirkt angesichts seiner Biografie fast ein wenig ironisch. Zwar ist der 59-Jährige als ehemaliger Fallschirmjäger und langjähriger Brigadegeneral fachlich durchaus qualifiziert für derart heikle Operationen. Seine enge Verbindung zur Armee zudem liegt in der Familie: Schon Hirschs Großeltern dienten in der paramilitärischen Haganah-Miliz, aus der nach der Staatsgründung die israelische Armee entstand.

Paradox wirkt seine Ernennung zum Koordinator der Geiselrettung deshalb, weil Hirschs Name in der Erinnerung vieler Israelis untrennbar mit der bis Samstag folgenschwersten Entführung israelischer Soldaten verbunden ist. Hirsch war 2006 Kommandant der Galiläa-Division, die den Norden Israels gegen die Bedrohung durch die libanesische Terrorgruppe Hisbollah schützen sollte. Bis heute wirkt bei vielen Israelis nach, dass er die Entführung zweier israelischer Soldaten im Grenzgebiet nicht verhindert hat.

Israelischer Ex-General Hirsch
Gal Hirsch
Gal Hirsch koordiniert die Geiselrettung.
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Mehrere fehlgeschlagene Militäroperationen ebenfalls unter seinem Kommando im darauffolgenden zweiten Libanonkrieg führten nach dem Ende der vier Wochen dauernden Kämpfe zu Hirschs Rücktritt. Eine Untersuchung hatte ergeben, dass die von ihm befehligte Einheit nicht ausreichend auf die Gefahr eines Hisbollah-Angriffs vorbereitet war. Hirsch selbst beteuerte stets seine Unschuld. Später kam eine zweite Untersuchung zu der Erkenntnis, dass die Kritik am Verhalten des einst vielversprechenden Kommandanten zu harsch gewesen sei. 2012 kehrte er in die Armee zurück und galt als rehabilitiert.

Freund des Premiers

Vergessen waren die Vorwürfe gleichwohl auch 2015 nicht, als Premierminister Benjamin Netanjahu seinen Likud-Parteifreund – letztlich erfolglos – als neuen Polizeichef einsetzen wollte. Ende 2021, der Vater dreier Kinder hatte da gerade seine Krebserkrankung öffentlich gemacht, wurde zudem wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ermittelt.

Nun steckt Hirsch, der neben seiner Militärkarriere unter anderem in Tel Aviv Wirtschaft studiert hat und heute eine private Sicherheitsfirma mit Verbindungen ins Ausland leitet, in seiner vermutlich heikelsten Mission. Die Erfolgschancen schwinden von Tag zu Tag. (Florian Niederndorfer, 16.10.2023)