Arbeiter auf eine Baustelle in Wien
Im Hochsommer sind sie Hitze und UV-Strahlung ausgesetzt, Hitzefrei bekommen dennoch nur wenige Arbeiter im Bausektor. Dabei stünde die Option den Arbeitgebern ohne direkte Einbußen offen. Unter dem Bündnis "Menschen und Klima schützen statt Profite" wollen Arbeitnehmervertreter und Klimaaktivisten dies nun ändern.
APA/ROLAND SCHLAGER

Der vergangene Sommer hatte es in sich: 32 Hitzetage stehen zu Buche, die Zahl der Tage mit Temperaturen über 30 Grad Celsius liegt damit dreimal so hoch wie noch 1990. Extremwetterereignisse sind die Folge, die Auswirkungen auf Mensch und Natur sind evident. Besonders stark setzt die Hitze aber jenen zu, die trotz hochsommerlichen Wetters im Freien arbeiten. Betroffen sind Bauarbeiter ebenso wie Arbeitnehmer im Tourismus.

Die Arbeiterkammer lässt nun mit neuen Zahlen aufhorchen. Demnach bekam im Sommer 2023 nur jeder vierte Anspruchsberechtigte am Bau frei. Eine neu geschmiedete Allianz will diesen Umstand nun ändern: Arbeiterkammer, Gewerkschaft und Klimaschutzinitiativen um Fridays for Future und "System Change, not Climate Change!" wollen Arbeitgeber und Regierung gemeinsam zu umfassenden Maßnahmen drängen – im Zweifel auch mit Blockaden auf Baustellen.

Hitzefrei nur, wenn Arbeitgeber zustimmt

Die seit 2019 gültige Regelung, bei hohen Temperaturen frei zu bekommen, folgt einer simplen Logik, in der Umsetzung hakt es aber. Erreicht die Temperatur nach den Messwerten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) 32,5 Grad Celsius, können Arbeitgeber im Baubereich ihren Mitarbeitern hitzebedingt freigeben. Wichtig ist das Wort "können". Denn ein Rechtsanspruch besteht nicht. Welche Auswirkungen diese freiwillige Regelung hat, zeigt ein Blick in die Daten der BUAK, der Bauarbeiter-, Urlaubs- und Abfertigungskasse.

Gibt der Arbeitgeber seiner Arbeiterschaft hitzefrei, kann er die Lohnfortzahlung in Höhe von 60 Prozent von der BUAK zurückerstatten lassen. Die entsprechenden Ansuchen haben AK und Gewerkschaft nun ausgewertet. Demnach waren im vergangenen Sommer rund 100.000 Arbeiter im Bausektor anspruchsberechtigt, tatsächlich freibekommen haben lediglich 23.875.

"Das ist eindeutig zu wenig", sagt Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH). Noch dazu, weil es um "Hitzestunden" ginge und nicht darum, tageweise freizugeben. "Während in Wien den Fiakerpferden zu Recht Hitzefrei gewährt wird, müssen Bauarbeiter:innen auch bei 35 Grad weiterarbeiten, wenn die Firma darauf besteht." Arbeitgeber und Regierung würden auf die "unzumutbaren Arbeitsbedingungen" nicht reagieren; weshalb nun der Zusammenschluss mit AK und Klimaaktivisten forciert wird. Schließlich steigt mit zunehmender Hitze die Belastung auf den menschlichen Organismus – und damit auch das Risiko für Arbeitsunfälle und gesundheitliche Folgeerkrankungen.

Bündnis fordert "klimafittes" Arbeitsrecht

"Wir brauchen ein Arbeitsrecht, das an die neuen Bedingungen angepasst ist", sagt AK-Präsidentin Renate Anderl. "Ob schwitzend im schlecht gedämmten bzw. unklimatisierten Büro oder bei der Arbeit im Freien: Viele Beschäftigte leiden schon heute unter der drastischen Zunahme von Hitzetagen. Deshalb müssen die Arbeitgeber:innen in die Pflicht genommen werden und für erträgliche Arbeitsbedingungen sorgen. Ist das nicht möglich, muss bei zu hohen Temperaturen die Arbeit eingestellt werden."

Gemeinsam mit den Umweltschutzinitiativen Fridays for Future und "System Change, not Climate Change!" fordern die Arbeitnehmervertreter daher nicht nur Änderungen für Arbeitende am Bau. Es brauche vielmehr weitreichende und koordinierte Maßnahmen, um die Auswirkungen der Klimakrise zu begrenzen, die Arbeitswelt "klimafit" zu gestalten und den Bausektor auf nachhaltige Beine zu stellen. Konkret fordert das Bündnis sechs Maßnahmen:

Gespräche mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) hätten unlängst gestartet, sagte AK-Präsidentin Anderl am Montagvormittag. Konkret gehe es um eine Novellierung der Arbeitsstättenverordnung, in der jene Maßnahmen geregelt werden, die Arbeitnehmer in Gebäuden betrifft. Von Arbeitgeberseite ortet GBH-Vorsitzender Muchitsch durchaus Verhandlungsbereitschaft. Dennoch: Sollten bis zum nächsten Sommer keine Verbesserungen eintreten, "werden wir als Gewerkschaft zusammen mit den Aktivist:innen der Klimabewegung jene Baustellen blockieren, die trotz gefährlicher Hitze weiter schuften lassen." (Nicolas Dworak, 10.10.2023)