Eine Frau hält einen Nasenspray in der Hand und führt in Richtung Nase.
Das Anästhetikum Ketamin verstärkt die Wirkung herkömmlicher Medikamente gegen Depressionen. Kann als Nasenspray verabreicht werden.
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Schätzungen zeigen, dass weltweit rund 320 Millionen Personen depressiv sind. Knapp acht Prozent dürften in Österreich betroffen sein – wobei von einer recht hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Wer Depressionen hat, bekommt in der Regel, neben anderen Therapieformen, auch Antidepressiva verschrieben. Allerdings entwickeln diese häufig erst nach rund zwei Wochen ihre Wirkung, manche sprechen gar nicht darauf an.

Eine klinische Studie mit Beteiligung der Wiener Universitätsklinik AKH hat gezeigt, dass die Wirkung dieser Antidepressiva verstärkt werden kann. Und zwar mit dem Anästhetikum Ketamin, wie das "New England Journal of Medicine" berichtete. Verabreicht werden kann es mithilfe eines Nasensprays.

Verstärkende Wirkung

Vor allem Patientinnen und Patienten, die auf herkömmliche Antidepressiva nicht ansprechen, könnte so ein Nasenspray helfen. Denn etwa zwei Drittel aller Patienten mit einer Major Depression sprechen auf den ersten Versuch einer konventionellen medikamentösen Therapie nicht an. Bei einem Drittel bleibt auch ein zweiter Behandlungsversuch mit den Arzneimitteln ohne ausreichenden Erfolg. Für diese Menschen gab es bisher vor kurzem vor allem die zusätzliche Gabe eines atypischen Antipsychotikums wie Quetiapin als Behandlungsmöglichkeit. Seit 2019 ist in der EU aber auch das vom Anästhetikum Ketamin abgeleitete Esketamin als Nasenspray für die Therapie "resistenter" Depressionen zugelassen.

Die an der wissenschaftlichen Studie beteiligten Psychiater von 171 Krankenhäusern in 24 Staaten führten eine erste Vergleichsstudie zwischen den beiden Strategien durch. Die Patienten waren zwischen 18 und 74 Jahre alt. Sie befanden sich im Durchschnitt seit mehr als 60 Wochen in ihrer aktuellen Episode der Major Depression. Die Symptome hatten sich unter einer Behandlung mit ursprünglichen Antidepressiva nicht wesentlich gebessert.

"Für zwei Drittel der Patienten war es bereits der dritte Behandlungsversuch", schrieb das "Deutsche Ärzteblatt" zu der wissenschaftlichen Studie. Das dritte Drittel der insgesamt 676 Probanden hätte schon bis zu sechs verschiedene Behandlungsversuche unternommen.

Ergebnisse sprechen für Nasenspray

Im Verhältnis eins zu eins nahmen die Patienten im Verlauf der Studie die herkömmlichen Medikamente weiter ein. Eine Gruppe nahm zusätzlich das Antipsychotikum Quetiapin, eine andere den Esketamin-Nasenspray. Die Ergebnisse sprechen laut den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern für den Nasenspray. "Mehr Patienten aus der Esketamin-Gruppe als aus der Quetiapin-Gruppe zeigten eine Remission, also ein Verschwinden der Symptome, nach acht Wochen", heißt es im "New England Journal of Medicine".

Und mit der Dauer der Behandlung nahm die Wirkung offenbar zu. "In Woche 32 befanden sich in der Esketamin-Gruppe 49 Prozent der Patienten und 33 Prozent in der Quetiapin-Gruppe in Remission", schrieb das "Deutsche Ärzteblatt". Ein mögliches Problem für die Esketamin-Therapie liegt darin, dass die Patienten dafür zumeist einmal wöchentlich in eine Klinik kommen müssen.

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung unter Leitung von Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie in Frankfurt, und mit Co-Autorenschaft des Wiener Psychiaters Richard Frey, Universitätsklinik für Psychiatrie an die Med-Uni Wien, werden aktuell auch bei der Jahrestagung des European College of Neuropsychopharmacology in Barcelona präsentiert. (APA, 9.10.2023)