Wien – Ermittler aus mehreren Bundesländern haben 33 Mitglieder einer grenzüberschreitenden Schlepperbande ausgeforscht, wie das Bundeskriminalamt am Montag in Wien bekanntgab. So seien von August 2021 bis Mai 2022 mehrere tausend Menschen durch Österreich geschleust worden. Die Bande agierte dabei äußerst professionell. "Es ist wie eine Firma aufgebaut", sagte ein Ermittler vom Stadtpolizeikommando Schwechat vor Medienvertretern.

Ins Rollen kamen die Ermittlungen bereits im April 2021 durch einen Taxilenker in Wien. Der Mann gab gegenüber der Polizei an, dass er vier Aufträge für Fahrten bis zur deutschen Grenze erhielt und mehrere Personen dort abliefern solle. "Es ist ihm komisch vorgekommen", sagte der Ermittler, der den Ermittlungsakt beim Stadtpolizeikommando Schwechat führte. Der Taxilenker erstattete daraufhin Anzeige.

Sechs Monate später führte die Spur die Kriminalisten zu einer 40 Quadratmeter großen Bunkerwohnung in Wien. "Sie war total verdreckt, Dusche und WC waren in einem katastrophalen Zustand", hieß es vom Stadtpolizeikommando. Dort entdeckten die Kriminalisten 16 Geflüchtete sowie einen Verdächtigen. Bei der Hausdurchsuchung stellten die Beamtinnen und Beamten mehrere Handys sicher. Die geschleppten Personen seien dann als Zeugen einvernommen worden. Laut Angaben des Ermittlers sagten sie, sie seien für Asyl hier. Eine Auswertung der Mobiltelefone des Verdächtigen erhärtete für die Ermittler den Verdacht auf eine Schlepperbande. Die Aussagen eines weiteren Beschuldigten brachten weitere Ermittlungen in Gang.

Blaulicht Polizei
Die Ermittlungen starteten im April 2021, als sich ein Taxilenker in Wien gegenüber der Polizei angab, Aufträge für Fahrten bis zur deutschen Grenze erhalten zu haben.
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Taxis für Strecken innerhalb Österreichs

So sei es gelungen, letztendlich mehr als 1.000 Delikte zu klären und insgesamt 33 Mitglieder der Schlepperorganisation auszuforschen, bei es denen sich laut Polizei vorwiegend um Personen mit syrischer, bulgarischer oder österreichischer Staatsbürgerschaft handelte. Die Schlepperorganisation hätte einen Gewinn von mehr als zehn Millionen Euro erzielt, erklärte Gerald Tatzgern, Leiter des Büros für Schlepperei, Menschenhandel und grenzüberschreitende Prostitution im Bundeskriminalamt. Der Kopf der Organisation sei nun per internationalen Haftbefehl zur Fahndung ausgeschrieben, der Großteil der 33 Mitglieder wurde bereits durch das Landesgericht Wien verurteilt, drei Beschuldigte befinden sich noch in Untersuchungshaft, zwei weitere sitzen laut dem Bundeskriminalamt im Ausland in U-Haft und warten auf die Auslieferung nach Österreich.

Für die Teilstrecken innerhalb Österreichs habe das Schleppernetzwerk regelmäßig auf die Dienste von Taxis zurückgegriffen. "Über die Grenze mussten sie selber gehen, drüben wartete dann bereits wieder ein Auto", so Tatzgern. Die Hintermänner würden sich unter anderem in Deutschland mit unterdrückten Telefonnummern um die Organisation der Taxis kümmern. Tatzgern appellierte in diesem Zusammenhang auch an Taxilenker, bei auffälligen Aufträgen oder verdächtigen Anrufen aus dem Ausland die Polizei zu kontaktieren. Man wolle hier auch bei der Taxiinnung für Bewusstseinsbildung sorgen.

Von Istanbul über Balkanroute

Auch ein eigenes Zahlungssystem, um den konventionellen Weg zur Bank zu umgehen, sei in Kooperation mit Handyshops, Kleingeschäften und Restaurants betrieben worden, so Tatzgern. Unrechtsbewusstsein sei bei den Schleppern nicht vorhanden, sagte er: "Den Netzwerken geht es ausschließlich um Geld." Denn das System sei hochlukrativ: "Eine Schleppung kostet zwischen 8.000 und 15.000 Euro." Die Kommunikation untereinander sei ausschließlich über Messenger-Dienste wie Whatsapp oder Telegram sowie Internettelefonie verlaufen. "Es ist wie eine Firma aufgebaut, jeder hat seine eigenen Aufgaben", hieß es von den Ermittlern.

Tatzgern erklärte, dass es sich bei den Personen, die über die Grenzen wollten, vorwiegend um Kurden türkischer Staatsangehörigkeit sowie Syrer gehandelt habe. Diese seien dann großteils von Istanbul über die Balkanroute weiter nach Serbien und von dort nach Österreich gebracht worden. In eigenen Bunkerwohnungen wurden die Geflüchteten dann bis zum Weitertransport in weitere EU-Länder versteckt. Eingebunden waren das Stadtpolizeikommando Schwechat sowie die Landeskriminalämter im Burgenland und in Niederösterreich und die Staatsanwaltschaft Wien. (APA, red, 9.10.2023)