AfD-Chefin Alice Weidel. Neben ihr eine Deutschland-Fahne, hinter ihr der Slogan
AfD-Chefin Alice Weidel ist mit den Resultaten in Bayern und Hessen sehr zufrieden. Sie sieht die AfD noch nicht im Zenit.
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"Bereit für mehr" – das steht auf der blauen Wand, vor der Alice Weidel am Montag in Berlin gut gelaunt Platz nimmt. Die AfD-Partei- und -Fraktionschefin hat gleich zwei Gründe, um nach den Wahlen entspannt in die Woche zu starten. In Bayern legte ihre Partei von 10,6 auf 14,2 Prozent zu und landete knapp vor den Freien Wählern auf Platz drei. In Hessen schaffte die AfD sogar Platz zwei hinter der CDU. Sie konnte sich dort von 13,1 auf 18,4 Prozent steigern. "Das ist ein ganz klares Wählervotum", sagt Weidel und mahnt die anderen Parteien: "Weitere Ausgrenzung und Diskriminierung der AfD wären eine undemokratische Wählerverachtung."

Dieser Hinweis, dass man ja auch mit der vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Partei koalieren könnte, wird allerdings ins Leere laufen. In Bayern will Ministerpräsident Markus Söder, der mit seiner CSU von 37,2 auf 37 Prozent kam, nur mit den Freien Wählern über eine Koalition sprechen. Die Grünen ignoriert er aus inhaltlichen Gründen, die AfD kommt für ihn grundsätzlich nicht infrage.

Hessens CDU im Aufwind

Ähnlich sieht es in Hessen aus. Dort legte Ministerpräsident Boris Rhein mit der CDU einen fulminanten Wahlsieg hin, die CDU verbesserte sich von 27 auf 34,6 Prozent. Rhein ist sich noch nicht sicher, ob er mit dem bisherigen grünen Koalitionspartner weitermacht, er wird auch mit der SPD reden. Mit der AfD allerdings nicht. "Undemokratisch" findet Weidel das und weist darauf hin: "Die AfD ist kein Ostphänomen mehr, sondern gesamtdeutsche Volkspartei. Wir werden nicht mehr als reine Protestpartei wahrgenommen."

Letzteres zeigen auch Analysen des Meinungsforschungsinstitutes Infratest Dimap für die ARD. In Hessen geben mittlerweile 38 Prozent der AfD-Wählerinnen und -Wähler an, die Partei "aus Überzeugung" zu wählen. 2018 waren es noch 29 Prozent. In Bayern ist der Wert noch stärker. 2018 nennen 38 Prozent "Überzeugung" als Wahlmotiv, jetzt sind es 47 Prozent.

Viele Nichtwähler zur AfD

Die Wahlanalysen machen auch deutlich, dass die AfD von allen Parteien Wählerinnen und Wähler gewonnen hat. In Bayern verlor die CSU 110.000 an sie, aber auch von Grünen und SPD wanderten je 20.000 Wählerinnen und Wähler diesmal zur AfD. Das größte Segment, das die AfD motivieren konnte, für sie zu stimmen, war aber in beiden Bundesländern das der Nichtwählerinnen und Nichtwähler. In Hessen kamen 46.000 der Stimmen aus dieser Gruppe zur AfD, in Bayern 130.000.

Den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) besorgt und ärgert das Erstarken der AfD, die Schuld dafür sieht er allein bei der Berliner Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP. "Die AfD hätte schon lange in dieser Dimension verhindert werden können", sagt er nach der Sitzung des CSU-Vorstands in München.

Vorwurf an Ampel

Aber, so Söder: "Die Ampel hat sich verweigert – und zwar komplett." Sie wolle nicht wahrhaben, was die CSU schon seit langem wisse: "Die Deutschen, die Bayern wollen eine Wende in der Migrationspolitik. Das Ignorieren ist ein Fehler." Einmal mehr appelliert Söder an die Ampel, doch mit der oppositionellen Union einen "Deutschlandpakt gegen unkontrollierte Migration" einzugehen. Diesen haben CDU-Chef Friedrich Merz und Söder SPD, Grünen und FDP schon vor Wochen angeboten. Immer wieder verweist Söder dabei auf Österreich und die Linie von Kanzler Karl Nehammer (VP): mehr Grenzschutz, schnellere Rückführung von Menschen ohne Bleiberecht, Sach- statt Geldleistungen für Asylwerbende.

Laut Infratest Dimap gaben 99 Prozent derer, die die AfD wählten, als Grund an, dass die AfD besser als andere Parteien verstanden habe, dass "sich viele Menschen nicht mehr sicher fühlen". 92 Prozent erklärten, dass sie AfD wählen, "damit die Regierung in der Asylpolitik ihren Kurs ändert".

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner fordert angesichts der AfD-Erfolge nun auch eine "Asylwende" und schnellere Abschiebungen. Grünen-Chef Omid Nouripour meint, die Menschen in Deutschland wollten mit Blick auf die Stärke der AfD "nicht hören, wer ist schuld, sondern: Was können wir dagegen tun?". Er sei aber zuversichtlich, dass man Vertrauen zurückgewinnen könne. Dafür will SPD-Chefin Saskia Esken klarmachen, was ein Deutschland mit AfD bedeute: "Kein Mindestlohn und keine Zuwanderung, die wir so dringend benötigen, um offene Stellen zu besetzen." (Birgit Baumann aus Berlin, 9.10.2023)