Dass Wien in so manchem Ranking ganz vorn liegt, ist bekannt. Wie oft wurde die Stadt schon punkto Lebensqualität auf das Siegertreppchen gestellt? Und auch im Unfreundlichkeits-Ranking belegt die österreichische Hauptstadt stets Top-Plätze. Das passt.

Warum Fahrradfahrer nach Wien reisen sollen

Ziemlich überraschend mag für viele Wiener Verkehrsteilnehmer aber sein, dass die Stadt nun auch international Standards setzen soll, was Fahrradfahren anbelangt. Zumindest, wenn es nach der Plattform Weloveholidays geht, die die besten Ziele für einen Urlaub auf zwei Rädern gekürt hat. Wien landet demnach hinter Berlin auf dem zweiten Platz. Faktoren wie die Gesamtlänge der Radwege, Höhenprofil und Topografie der Stadt sowie die Anzahl der jährlichen Fahrraddiebstähle, Fahrradverleihstationen, aber auch, wie viele Regentage es pro Jahr gibt, wurden berücksichtigt. Allerdings: Für die Liste wurden nur die beliebtesten Reiseziele in Europa zusammengetragen. Somit scheiden viele Städte, die eine Top-Infrastruktur für Radfahrerinnen bieten, etwa Malmö oder Utrecht, schon von vornherein aus.

Räder in Wien
Was Radfahrende in Wien positiv sehen, ist die Ausstattung mit öffentlichen Leihrädern sowie die Erreichbarkeit des Stadtzentrums. Beim subjektiven Sicherheitsgefühl sieht es laut Radlobby aber schlecht aus.
Nana Siebert

Die Plattform kommt ins Schwärmen: Wien sei "Österreichs Fahrradparadies, mit 402 Fahrradmietstationen und einem ausgedehnten Radwegenetz von über 1.654 Kilometern." Die Stadt biete "eine einzigartige Kombination aus historischem Charme und moderner Infrastruktur, die es ermöglicht, ganz entspannt durch malerische Viertel und lebhafte Straßen zu radeln."

Radlobby mit anderem Ranking

Eine Einschätzung, die wohl nicht sehr viele Radlerinnen und Radler in Wien teilen würden. Untersucht hat die Zufriedenheit etwa die Radlobby. Von 1. September bis 30. November 2022 nahmen über 3.500 Radfahrende aus ganz Österreich am "Radlobby Fahrradklima-Test" teil. 3.058 Menschen aus 415 Gemeinden gaben dafür gültige Fragebögen ab. Ins Schwärmen kamen dabei offenbar nicht viele Menschen: In Österreich seien die Teilnehmer mit den Radfahrbedingungen in ihrem Wohnort eher unzufrieden. Der Mittelwert liege mit 3,94 im negativen Bereich.

Am besten schneidet Salzburg mit 3,47 Punkten ab, doch auch hier seien die Bereiche Sicherheit, Komfort und Stellenwert des Radverkehrs eher negativ bewertet worden. Linz liegt mit 4,33 Punkten im Radlobby-Test abgeschlagen auf dem letzten Platz der sechs Städte im Vergleich. Graz landet im Städteranking auf Platz zwei, Dornbirn und Innsbruck teilen sich den dritten Platz, Wien landet auf Platz vier. Keine der Städte erreicht ein klar positives Gesamtergebnis.

Subjektives Sicherheitsgefühl in Wien schlecht

Was Radfahrende in Wien demnach positiv sehen, ist die Ausstattung mit öffentlichen Leihrädern sowie die Erreichbarkeit des Stadtzentrums. Aber: Wer in Wien mit dem Rad fährt, tut dies laut Umfrageergebnisse auf zu schmalen Radwegen – mit 5,17 bekommt dieses Kriterium die schlechteste Note. Und: Das Sicherheitsgefühl auf Radwegen und Radfahrstreifen wird ebenso wie die Ampelschaltung negativ bewertet.

Auch in sozialen Netzwerken sorgen die Wiener Radwege immer wieder für vehemente Kritik. Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung "Falter", forderte auf X (vormals Twitter), Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zur gemeinsamen Fahrt auf, etwa vom Westbahnhof über die Burggasse in den ersten Bezirk. Klenk: "Das ist wie eine Radreise in den 70er-Jahren. Würden die Menschen aus den Niederlanden so was sehen, sie würden wohl meinen, Wien ist eine komplette vekehrstechnische No-Go-Area." Darunter kommentieren andere X-User, die ihrer Meinung nach schlechtesten Radwege. Da ist die Rede von der Simmeringer Hauptstraße oder auch der Landstraßer Hauptstraße.

Die Radlobby kommentierte ebenfalls. Man stelle sich gerne zur Nachbesprechung zur Verfügung. Die Radfahrt sei wichtig für einen Perspektivenwechsel. Denn Ludwig solle nicht wie unlängst Ex-Stadtchef Michael Häupl am Ende seiner Amtszeit sagen müssen, dass ihm das Radfahren in der Stadt zu gefährlich ist. (Lara Hagen, 11.10.2023)