Tour-Etappensieger Felix Gall war für viele Menschen die österreichische Sportsensation des Jahres.
REUTERS/BENOIT TESSIER

Am 19. Juli gewann er die Königsetappe der Tour de France, nun ist Radprofi Felix Gall Favorit bei der Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres. Galls Konkurrenten um den Sieg bei der Journalistenwahl sind der Kletterer Jakob Schubert und der nordische Kombinierer Johannes Lamparter.

STANDARD: Welchen Stellenwert hätte die Wahl zum Sportler des Jahres in Österreich für Sie?

Gall: Es würde mir schon sehr viel bedeuten, wenn ich diesen Preis gewinnen würde. Ich hätte mir nicht erwartet, mit meinem Erfolg bei der Königsetappe der Tour de France so eine Begeisterung zu entfachen. Wenn man sich ansieht, wer aller in Österreich diese Trophäe bereits gewonnen hat, wäre das eine große Ehre. Und weil Radfahrer sehr selten nominiert werden, ist es noch einmal spezieller für mich.

STANDARD: Ihre Konkurrenten um den Sieg sind mit Jakob Schubert ein Kletterer und mit Johannes Lamparter ein nordischer Kombinierer. Kann man die Leistungen in diesen Sportarten miteinander vergleichen?

Gall: Vergleiche zu ziehen ist schwer. Die internationale Relevanz einer Sportart ist aber sicher ein Kriterium. Ist es eine Weltsportart? Von wie vielen Nationen wird sie betrieben? In der Endauswahl stehen drei sehr unterschiedliche Sportarten, jede hat enorm hohe Anforderungen. Ein Kletterer muss im Wettkampf vielleicht nur zwei Minuten Höchstleistung bringen, dafür muss er aber trotzdem das ganze Jahr hart trainieren. Und es ist ja umso schwerer, auf den Punkt genau ready zu sein. In der nordischen Kombination musst du beides können: Ausdauernd sein und punktgenau den Absprung auf der Skischanze erwischen.

STANDARD: Die Golf-Community reagierte empört, weil Sepp Straka nicht in die engere Auswahl zum Sportler des Jahres gekommen ist. Straka hat einen PGA-Toursieg gefeiert und zwei Top-Ten-Plätze bei Majors verbucht, zudem mit dem Team Europa den Ryder Cup gewonnen.

Gall: Das hat mich auch ziemlich überrascht, dass Straka nicht in den Top drei gelandet ist. Er hat große Erfolge gefeiert, die internationale Bedeutung haben. Das sollte in die Bewertung miteinfließen.

STANDARD: Radsport ist eine der härtesten Sportarten der Welt, die Konkurrenz ist global. Wie würden Sie Ihre Leistung im Vergleich zur Konkurrenz bei der Sportlerwahl einschätzen?

Gall: Jede Sportart hat ihre eigenen Herausforderungen, da möchte ich die Erfolge meiner Konkurrenten bei der Wahl auf keinen Fall schmälern. Die Challenge im Radsport ist aber schon eine besondere, vor allem bei Etappenrennen. Deine Leistung bei einer großen Rundfahrt über drei Wochen abzuliefern, das gibt es in dieser Form nirgendwo sonst. Die Müdigkeit, die sich da aufbaut, das ist schon eine sehr große Herausforderung. Dafür ist das Training in anderen Sportarten womöglich intensiver. Als Radfahrer hast du auch Einheiten, wo du fünf oder sechs Stunden nur Grundlagenausdauer trainierst. Das kann ich auch relativ entspannt gestalten, auch mal eine Fahrt mit Freunden oder Teamkollegen einlegen.

STANDARD: Sie sitzen sehr viel, aber nicht den ganzen Tag auf dem Rennrad. Verfolgen Sie auch andere Sportarten?

Gall: Es gibt keine Sportart, die ich ständig schaue, wo ich voll drin bin. Eine Zeitlang habe ich mir jedes Skirennen angeschaut, auch viel Tennis. Ich verfolge die Nachrichten, Sportevents live schaue ich aber selten. Golf interessiert mich, weil ich das selbst als Ausgleich spiele. Da schaue ich mir gerne Highlights von der Profitour an.

Gall wurde in den vergangenen Monaten von Ehrung zu Ehrung herumgereicht und bedankte sich immer artig.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

STANDARD: Haben Sie sportliche Vorbilder? Sind das Radprofis? Oder gibt andere Sportler, die Sie bewundern?

Gall: Als ich mit dem Radsport begonnen habe, im Juniorenalter, fand ich Bernhard Eisel cool. Mittlerweile habe ich keine großen Vorbilder mehr im Radsport. Ich bewundere Arnold Schwarzenegger sehr. Er hat es als Bodybuilder, Filmschauspieler und als Politiker zu weltweiter Bekanntheit gebracht. Wenn man nur eine von diesen drei Karrieren schafft, ist das schon ein großer Erfolg. Schwarzenegger hat gleich drei Karrieren in ein Leben reingepackt. Und er hat überall das Maximum erreicht. Das finde ich sehr beeindruckend.

STANDARD: Arnold Schwarzenegger war als Bodybuilder ein Einzelkämpfer. Ist Radsport ein Einzel- oder ein Mannschaftssport?

Gall: Man sagt ja, dass Radsport ein Einzelsport ist, der im Team ausgeführt wird. Ohne Mannschaft geht nichts. Mein Erfolg bei der Tour ist das beste Beispiel. Ich war mit zwei Teamkollegen in der Fluchtgruppe, die alles gegeben haben für mich. Es beflügelt, wenn man merkt, dass sich die Kollegen voll reinhauen für dich. Ich war sehr unsicher vor meiner ersten Tour de France.

STANDARD: Was hat sich für Sie sportlich geändert seit Ihrem Etappensieg bei der Tour?

Gall: Es ergeben sich neue Perspektiven. Ich bekomme noch mehr Mitspracherecht, was die Rennen betrifft, kann mir meine Teamkollegen aussuchen. Das Team wird um mich herum aufgebaut. Ich weiß aber auch, dass ich ein glückliches Jahr hatte. Die Vorbereitung war optimal, ich war nie krank, hatte keinen Sturz, da hat der Aufbau für die Tour perfekt gepasst. Mir ist aber auch bewusst, dass es schwer wird, diese Leistung zu wiederholen oder gar zu übertreffen.

STANDARD: Was hat sich für Sie als Mensch verändert?

Gall: Persönlich war es eine sehr lehrreiche Zeit für mich. In meiner Heimat in Osttirol war ich davor schon bekannt. Aber jetzt werde ich auch angesprochen, wenn ich einkaufen gehe. Diese Popularität freut mich sehr, wenn ich zurückschaue, weiß ich aber auch, was ich in Zukunft anders machen möchte. Dass ich mich mehr erholen möchte. Im Sommer hat mir die Ruhe gefehlt. Ich bin ein Mensch, der sehr viel Zeit für sich allein braucht, damit ich Dinge verarbeiten kann. Ich war nach der Tour mental leer.

STANDARD: Hat sich Ihr Tour-Erfolg auch finanziell gelohnt?

Gall: Die Preisgelder im Radsport sind vernachlässigbar. Rechnet man die Steuern weg, bleiben ein paar Tausend Euro übrig. Ich habe bei meinem Team AG2R Citroën einen Vertrag bis 2025. Es laufen Gespräche, dass wir diesen Vertrag nun finanziell anpassen. Von der Preisklasse eines Vingegaard, Roglic, oder Evenepoel bin ich meilenweit entfernt. (Florian Vetter, 12.10.2023)