Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, li.) und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sind derzeit nicht gut aufeinander zu sprechen.
APA/epa-pool/Lukas Barth-Tuttas

Neue Koalitionsverhandlungen? Kein Problem, das wird ein Sonntagsspaziergang. Diesen Eindruck haben der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger im Wahlkampf lange Zeit erweckt. Beide hatten immer wieder betont, dass sie auch nach der Wahl gerne weiter zusammenarbeiten wollen, so wie schon in den vergangenen fünf Jahren. "Wir bilden eine stabile Bayern-Koalition", hatte Söder ein ums andere Mal erklärt. Und auch Aiwanger war zufrieden: "Das funktioniert gut."

Nun ist es so weit. Am Donnerstag werden CSU und Freie Wähler erstmals in großer Runde über eine Wiederauflage ihrer Koalition sprechen. Allerdings: Freundliche Worte sind keine mehr zu hören. Vielmehr sind beide Seiten genervt.

Bei der CSU herrscht, auch wenn man es nicht öffentlich zugibt, doch ein gewisser Frust über das Wahlergebnis. 37 Prozent konnten die Schwarzen am Sonntag einfahren, 2018 waren es 37,2 Prozent gewesen. Einerseits blieb damit das große Debakel aus. Andererseits ist es eben doch das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der CSU. Das schmerzt viele, erst recht mit Blick auf die Freien Wähler.

Diese legten gut zu, konnten sich von 11,6 auf 15,8 Prozent steigern und gingen hinter der CSU als Nummer zwei durchs Ziel. Die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt, das vor 35 Jahren in Aiwangers Schultasche gefunden worden war, hat ihnen nicht geschadet, sondern eher zu einem Solidarisierungseffekt geführt. "Das ist ein Traumergebnis", frohlockte Aiwanger am Wahlabend und meldete auch die Ansprüche seiner Partei an: Sie will ein viertes Ministerium in der Staatsregierung.

Agrarressort im Blick

Bisher führte Aiwanger das Wirtschaftsministerium und war auch Vizeregierungschef. Zudem waren die Freien Wähler für Bildung und Umwelt verantwortlich. Aiwanger spitzt nun auf das Landwirtschaftsministerium. Dass Landwirte so "düngen können, wie sie wollen", war eine seiner Forderungen im Wahlkampf. Doch Söder will das Agrarressort nicht hergeben und auch sonst den Freien Wählern kein weiteres Ministerium überlassen. Er sieht das gute FW-Resultat als Ergebnis eines Sondereffekts. Wegen der Flugblatt-Affäre hätten sich viele Wählerinnen und Wähler Aiwangers Truppe neu zugewandt. Das habe "nichts mit Substanz und Inhalt zu tun".

Er verstehe, so der Ministerpräsident, dass manche angesichts des Wahlergebnisses "unter Strom" stünden. Doch, so Söder: "Ich rate allen, auf dem Teppich zu bleiben." Außerdem forderte er Aiwanger auf, künftig "inhaltlich stärker" zu arbeiten.

Aiwanger will dies nicht auf sich sitzen lassen und beharrt auf einem vierten Ressort und sagt: "Wenn man die Wahlergebnisse anschaut, glaube ich, dass jeder sich ausrechnen kann, wie viele Ministerien uns zustehen. Das kann jeder Grundschüler ausrechnen, wer wie viel bekommt." Er warnt Söder zudem: "Jede Abgrenzung von uns bedeutet eine Abkehr vom gesunden Menschenverstand."

Nicht "mädchenhaft" auftreten

Doch nicht nur wegen des Streits um die Ministerien dürften die Koalitionsgespräche nicht einfach werden. In der CSU herrscht das Verlangen, sich künftig deutlicher von den Freien Wählern abzugrenzen. "Es braucht einen Wettbewerb mit den Freien Wählern, es braucht eine gesunde Konkurrenzsituation. Und ich rate der CSU dringend, diesen Wettbewerb auch stärker anzunehmen, stärker zu führen", sagt der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt.

Auch der EU-Politiker und CSU-Vize Manfred Weber betont, die Feien Wähler seien "eine unmittelbare Konkurrenz im bürgerlichen Lager", daher dürfe man sie "auch in den Koalitionsverhandlungen nicht mehr ausschließlich mit Samthandschuhen anfassen". Aiwanger hört dies nicht gern und giftet zurück: "Ich würde der CSU empfehlen, jetzt nicht so mädchenhaft aufzutreten."

Weniger gereizt geht es in Hessen zu, wo ebenfalls am Sonntag ein neuer Landtag gewählt wurde. Wahlsieger und Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) will mit den Grünen, den Sozialdemokraten und der FDP sprechen, bevor er sich entscheidet. Bisher regierte in Hessen ein schwarz-grünes Bündnis. (Birgit Baumann, 12.10.2023)