Ein Smartphone zeigt ein Klarna-Logo in dieser Abbildung
Mit dem Smartphone einfach scannen und dann gleich kaufen: Die Gefahr einer schnellen Verschuldung scheint vorprogrammiert.
REUTERS/Dado Ruvic

Nach dem ersten großen Hype um künstliche Intelligenz vor einigen Monaten durchdringen technologische Entwicklungen dieser Art nach und nach die verschiedensten Lebensbereiche. Vergleichsweise wenig überraschend erscheint in diesem Zusammenhang die Einführung von KI-gesteuerten Funktionen in der Shopping-Landschaft. Klarna, die schwedische Shopping-App, sorgt mit ihrer jüngsten KI-gestützte Fotofunktion dennoch für Aufsehen.

Im Kern ist die Funktion äußerst simpel, aber ihre Auswirkungen könnten dafür umso tiefgreifender sein: Indem die Nutzer ihr Smartphone auf einen beliebigen Gegenstand richten – sei es Kleidung, Elektronik oder andere Konsumgüter –, identifiziert die App das Produkt und schlägt ähnliche Produkte vor, die im Klarna-Ökosystem verfügbar sind. "So wie das Internet jedem den Zugang zu Informationen ermöglicht hat, gibt KI jedem Zugang zu Intelligenz, Kontext und Personalisierung", lässt Sebastian Siemiatkowski, CEO und Mitbegründer von Klarna, dazu in einer Aussendung ausrichten.

Neuer Weg in die Schuldenfalle

Dieser unmittelbare und nahtlose Übergang von der Produkterkennung zum Kauf könnte zugespitzt die nächste Evolutionsstufe nach dem Schaufensterbummel darstellen. Bisher haben die Verbraucher Produkte betrachtet, darüber nachgedacht und sich dann, vielleicht erst Tage später, für einen Kauf entschieden. Die neue Funktion von Klarna verkürzt diese Zeitspanne und macht den Weg vom Wunsch zum Kauf fast augenblicklich.

Vor allem aber gibt es aus Sicht der Kundinnen und Kunden potenzielle Fallstricke zu beachten. Die zentrale Sorge dreht sich um Klarnas "Buy now, pay later"-System (BNPL), in sozialen Netzwerken auch als #klarnaschulden bekannt. Da die Grenzen zwischen sofortigem Erwerb und finanzieller Verpflichtung verschwimmen, stellt sich die Frage, inwieweit die gesteigerte Unmittelbarkeit (besonders junge) Leute zu Impulskäufen verleitet – und sie damit möglicherweise noch leichter in eine Schuldenfalle lockt.

Das Fehlen traditioneller Kontrollmechanismen bei diesen Minikrediten, wie beispielsweise von Kreditwürdigkeitsprüfungen, bedeutet, dass diese Fotoerkennungsfunktion für eine breitere Bevölkerungsgruppe zugänglich ist, nämlich auch einschließlich derjenigen, die sich traditionell nicht einmal für einen Kredit qualifizieren würden. Oberflächlich betrachtet könnte man von einer Demokratisierung der Kaufkraft sprechen, tatsächlich dürfte für viele die reale Gefahr einer finanziellen Überforderung aber deutlich größer sein.

Eine aktuelle Studie der Federal Reserve Bank of New York unterstreicht diese Gefahr. "Wir stellen fest, dass sowohl die Verfügbarkeit als auch die Nutzung von BNPL ziemlich weit verbreitet sind, aber eine unverhältnismäßig hohe Inanspruchnahme bei Verbrauchern mit ungedecktem Kreditbedarf, eingeschränktem Kreditzugang und größerer finanzieller Anfälligkeit zu verzeichnen ist", schreiben die Forschenden.

Die Integration solcher KI-gesteuerten Funktionen bietet sicherlich eine neue Perspektive für jüngere Verbraucherinnen und Verbraucher, von denen sich viele bereits vom traditionellen Einkaufen im stationären Handel abgewandt haben. Klarna wirbt zwar damit, den "Smart Spenders" sofortige, umfassende Produktdaten zur Verfügung zu stellen, aber man muss sich auch Gedanken über die weiteren Auswirkungen machen. Ist es wirklich intelligentes Geldausgeben, wenn die Verbraucher dazu gebracht werden, Dinge zu kaufen, die ihre Mittel übersteigen?

EU reagiert auf "Buy now, pay later"

Eine Reaktion der EU dazu ist in Vorbereitung. Erst im September hat das Europäische Parlament beschlossen, Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor der Überschuldung durch Onlinekredite zu schützen. Es soll strengere Regelungen für Kleinkredite und eben auch BNPL-Angebote geben. Diese Änderung betrifft die EU-Verbraucherkreditrichtlinie, die den Anbietern Grenzen setzt, aber zuletzt 2008 angepasst worden war.

Künftig werden Kreditanbieter wie Klarna strenger überprüfen müssen, ob die Kunden in der Lage sind, die Kredite zurückzuzahlen. Werbungen müssen klar darauf hinweisen, dass das Ausleihen von Geld Kosten verursacht, und in den Verträgen sollten die Zinskosten auf der ersten Seite ersichtlich sein. Eine bedeutende Neuerung ist, dass auch Kleinkredite ab null Euro unter die EU-Verbraucherkreditrichtlinie fallen. BPNL-Modelle, bei denen Käufer Produkte sofort erhalten und später bezahlen, werden dann wie herkömmliche Kredite behandelt.

Reaktion von Klarna

In einer offiziellen Stellungnahme äußert Klarna Bedenken zu vermeintlich irreführenden Behauptungen in dem Artikel. Es gebe keine Beweise dafür, dass Klarna Kunden möglicherweise in die Verschuldung "locken" könne. Das Unternehmen betont, dass es bei jedem Kauf eine individuelle Kreditentscheidung treffe, um sicherzustellen, dass nur Kredite an Personen vergeben werden, die in der Lage sind, diese zurückzuzahlen. Dienstleistungen würden eingeschränkt, wenn Zahlungen ausbleiben. Aus den eigenen Statistiken gehe zudem hervor, dass speziell in Österreich 64 Prozent der Transaktionen per Sofortabbuchung erfolgen, 67 Prozent der Kunden ihre Kredite vorzeitig zurückzahlen und die Ausfallquote lediglich 0,6 Prozent betrage.

Auch die Behauptung des Artikels, dass die Dienstleistungen von Klarna jüngere Verbraucher gefährden könnten, werde nicht durch eigene Daten gestützt. Bezogen auf Österreich liegt das Durchschnittsalter eines Klarna-Kunden bei 42 Jahren. Dass die neue KI-Funktion den Entscheidungsprozess vom Wunsch bis zum Kauf verkürzt, wird von Klarna mit dem Hinweis abgestritten, dass Sofortkäufe in verschiedenen Handelsumgebungen schon immer möglich gewesen seien. Schließlich betont Klarna, dass ihr Geschäftsmodell nicht von der Kreditvergabe an Personen profitieren würde, die nicht zurückzahlen können, und dass sich das Unternehmen immer für eine Regulierung im BNPL-Sektor eingesetzt habe, um einen soliden Verbraucherschutz zu gewährleisten. (bbr, 12.10.2023)