Martin Filipp
Martin Filipp ist Vorsitzender des PGDA und Managing Director von Mipumi Games.
Mipumi

Gaming ist nicht nur ein schönes Hobby, es ist auch eine der größten Branchen im Unterhaltungsgeschäft. Das zeigt nicht zuletzt die Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft, mit 65 Milliarden Euro der teuerste Kauf in der Geschichte des Konzerns. In Österreich bäckt man deutlich kleinere, aber äußerst schmackhafte Brötchen, die auch dieses Jahr auf der Game City in Wien präsentiert werden.

Ein heimisches Studio ist Rarebyte. Das Unternehmen wurde 2006 offiziell gegründet und beschäftigt derzeit 17 Personen, begonnen hat das Team mit Hobbyprojekten bereits 1999. Neben Indie-Titeln wie "Game Dev Tycoon" und "We Are Screwed" macht das Studio auch Vertragsarbeiten, wie etwa die Neuauflage des Rollenspielklassikers "Das Schwarze Auge: Schicksalsklinge" aus den 1990ern. Mateusz Gorecki, Co-Founder und Game Director bei Rarebyte, sieht die Stärke der heimischen Szene vor allem darin, dass es in dem vergleichsweise kleinen Land mit überschaubarer Entwicklerszene einen starken Zusammenhalt gibt. "Trotz der begrenzten Ressourcen und Größe sind die Mitglieder äußerst hilfsbereit und unterstützen sich gegenseitig", sagt Gorecki.

Mangelndes Interesse der Politik

Bemängeln tut Gorecki hingegen das vergleichsweise geringe politische Interesse an der Branche, was wiederum dazu führe, dass es weniger staatliche Unterstützung und Investitionen für die Spieleentwicklung gebe. "Diese geringe politische Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung stehen im Kontrast zu anderen benachbarten Ländern, in denen die Spielebranche stärker gefördert wird", sagt Gorecki.

Mateusz Gorecki, Co-Founder und Game Director bei Rarebyte
Mateusz Gorecki, Co-Founder und Game Director bei Rarebyte, sieht vergleichsweise geringes politisches Interesse an der Branche.
Rarebyte

Um dem entgegenzuwirken, haben sich einige Studios in Österreich zusammengeschlossen und den Verband PGDA (Pioneers of Game Development Austria) gegründet, welcher die Belange der Branchenteilnehmer vertreten und neue Gründer für das Thema begeistern soll. Der Vorsitzende des PGDA, Martin Filipp, ist gleichzeitig Managing Director von Mipumi Games: einem heimischen Studio, das neben eigenes Games wie "The Lion's Song" auch an internationalen Erfolgen wie "Control", "Construction Simulator" und den "Hitman"-Spielen mitgearbeitet hat.

Auch Filipp sieht die Rahmenbedingungen der heimischen Entwicklerszene als zweischneidiges Schwert: "Einerseits haben wir sehr gute Ausbildungen im Bereich der Fachhochschulen und Universitäten, sogar im Sekundarbereich der HTLs, unterstützt von einer Handvoll arrivierter Firmen, die international erfolgreich arbeiten", sagt er. "Andererseits fehlen die Wahrnehmung und die Wertschätzung seitens der politischen Entscheidungsträger in Österreich." Dabei seien Spiele ein wichtiger Teil der Digitalisierung, in vielen Bereichen seien die Methodik sowie Mechaniken der Spieleentwicklung in weiten Teilen der Gesellschaft unwissentlich bereits angekommen.

85 Prozent Exportquote

Trotz dieser Rahmenbedingungen schlagen sich die heimischen Akteure im internationalen Vergleich aber sehr gut, wie Filipp sagt: "Da es keinen Heimmarkt gibt, liegt die Exportquote bei circa 85 Prozent, im B2B-Bereich werden die Fähigkeiten und gut ausgebildeten Entwickler international sehr geschätzt, somit werden große Aufträge immer häufiger nach Österreich vergeben." Wie in anderen Branchen auch, exportiere der heimische Markt erfolgreich Personen, die in führenden Positionen weltweit tätig sind.

Ähnlich wie im Musik- und Filmgeschäft ist auch Gaming eine hitgetriebene Industrie, die Entwicklungszeiten für ein Spiel gehen oft über mehrere Jahre. Ist das Werk schließlich ein Erfolg, so hat das Studio anschließend mehr finanzielle Mittel zur Verfügung, bei einem Flop ist der Gestaltungsspielraum wiederum stark eingeschränkt. Generell zeigt die Branche laut Filipp konstante Wachstumszahlen, den Umsatz, die Mitarbeiterzahlen und schlussendlich das Steueraufkommen betreffend. Großen Erfolgen wie wiederholte Gewinne der Apple Design Awards durch kleine Studios wie Broken Rules ("Gibbon: Beyond the Trees", "Old Man's Journey") stehen Rückschläge wie diverse Studioschließungen der vergangenen Jahre gegenüber.

Finnland als Vorbild

Als Verbesserungsvorschlag nennt Filipp neben mehr Sichtbarkeit der Branche auch das "finnische Modell der Förderungen" als Vorbild: Dort werden mithilfe von staatlichen Qualitätskriterien der Förderstellen Projekte mit privatem Kapital vernetzt, die dann wiederum bei Erfolg einen Teil der Einnahmen in einen Fonds zurückfließen lassen, welcher erneut in aussichtsreiche Projekte investiert. "In Finnland ist dieser Fonds zu einem Perpetuum mobile geworden und die Branche führend in Europa", sagt Filipp. (Alexander Amon, Stefan Mey, 14.10.2023)