Auf dem Menüplan steht heute typisch österreichische Kost. Leberkäse, Backhendl und Kaiserschmarrn. Der Chefkoch Stephan Zoisl aus Tirol schaut mit strengem Blick über die Schultern seiner Assistentinnen und Assistenten, die das Essen zubereiten. So weit, so gewöhnlich. Dabei will hier gar nichts so recht ins gewohnte Bild passen. Gekocht werden der Leberkäse und das Hähnchen nämlich vegan, echtes Fleisch ist nicht dabei. Die Köche sind keine Restaurantfachleute, sondern Unternehmer, Investoren, Roboterentwickler und Politikwissenschafter aus verschiedenen Ländern. Gekocht wird nicht irgendwo in Österreich, sondern mitten in der südostasiatischen Metropole Singapur, in einem Shoppingcenter, wenige Minuten von Zoisls Haubenlokal hier vor Ort entfernt.

Das ganze Setting mag etwas merkwürdig wirken, ist aber in den Augen der Wirtschaftskammer und ihres Chefs Harald Mahrer ein Versuch, um im Ausland auf österreichische Unternehmerinnen und Unternehmer aufmerksam zu machen, innovative Köpfe zusammenzubringen und neue Ideen fürs Wachstum zu entwickeln.

Die Wirtschaftskammer hat diese Woche zu einem Kongress (Austria Connect) nach Singapur geladen, dem Ruf sind mehr als 250 Gäste gefolgt, laut Wirtschaftskammer ist es der größte Österreich-Event in der Region bisher. Die meisten angereisten Unternehmer sind schon in der Region im Geschäft oder hoffen darauf, bald einzusteigen. Mit dem Event will die Wirtschaftskammer einerseits ihre internationale Präsenz demonstrieren, andererseits das Asiengeschäft der heimischen Firmen anschieben. Dazu gehört neben dem Kongress auch ein Kochevent – ein kleines Land wie Österreich müsse alternative Wege finden, um auf sich aufmerksam zu machen, so die Idee.

Mehr als sechs Millionen Menschen leben in Singapur. Das auf dem Papier demokratische, aber seit Jahrzehnten von derselben Partei regierte Land gilt als Innovationsweltmeister.
APA/AFP/ROSLAN RAHMAN

Grüne Terasen, Fleisch aus dem Labor

670 Millionen Menschen leben in der Asean-Region. Dieser losen Vereinigung zehn südostasiatischer Staaten gehören neben Singapur auch Vietnam, Indonesien und Thailand an. Österreich exportierte im vergangenen Jahr erstmals Güter im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro in die Region, was hier als großer Erfolg gefeiert wird. Die Zahl zeigt freilich auch, dass Österreichs Handel vor allem mit regionalen Partnern in Europa stattfindet. Die Exporte in den gesamten Asean-Raum entsprechen vom Umfang her aktuell gerade den Ausfuhren in die kleinen Staaten des Westbalkans.

Aber das soll sich ändern, nicht zuletzt, weil frühere Hoffnungsmärkte wie Russland weggebrochen sind. Die Wirtschaft der Asean-Region wächst nicht zuletzt wegen des Bevölkerungswachstums dynamisch mit vier bis fünf Prozent pro Jahr. Die Region sei "jung" und viele Leute "hungrig" auf Erfolg, sagt die Vertreterin der Wirtschaftskammer in Manila, Christina Stieber. Die Mittelschicht wachse, was bedeutet, dass es nicht nur Möglichkeiten zu investieren gibt, sondern sich auch Kapital leichter auftreiben lasse.

Die Chancen finden sich in Bereichen, in denen Österreichs Unternehmen gut aufgestellt sind: beim Ausbau erneuerbarer Energien, bei Dienstleistungen für städtische Infrastruktur. In der Asean-Region wachsen Megastädte wie Manila und Kuala Lumpur schnell. Vor Ort größer sind schon heimische Unternehmen wie der Verpackungshersteller Alpla, der neben seinen Plastikprodukten zunehmend auf Recyclinglösungen setzt. Auch die Andritz oder Kapsch sind vor Ort.

Neben Deals für einzelne Unternehmen ist Singapur aber auch als Technologie-Hub von Interesse. Das Land, in dem es freie Wahlen, aber kaum freie Presse gibt, ist führend beim Bau von Robotern, investiert wird aber auch in andere Felder. Das Land importiert mangels Agrarflächen 90 Prozent seiner Lebensmittel. Singapur hat als erster Staat den Verkauf von Fleisch und Fisch aus Stammzellen erlaubt. Dabei werden lebenden Tieren Stammzellen entnommen, die dann mithilfe spezieller Proteine vermehrt werden. Einen Fokus legt die Stadt auch auf ökologische Stadtplanung: In Singapur wachsen aus extrem vielen Häusern Gärten heraus. Die Begrünung wird gesetzlich vorangetrieben, und wegen Platzmangels werden oft Fassaden oder ganze Stockwerke mit Bäumen und Gewächsen bepflanzt.

Die Diskussionen bei Austria Connect drehten sich um Roboter, künstliche Intelligenz und Ökologie. Wobei es überraschend war, wie oft Kammervertreter für Klimaschutz warben oder erwähnten, dass wir künftig wohl mit weniger Fleisch auskommen müssten.

Anwerben auf den Philipinen

Mit Asean soll auch der Austausch von Menschen vorangetrieben werden. Mehr als 100.000 Jobs sind beim AMS als offen gemeldet, trotz schwacher Konjunktur. Unternehmen beklagen deshalb einen Arbeitskräftemangel. Den müsse Österreich nicht zuletzt über Migration bekämpfen, sagt Mahrer.

Auf den Philippinen gibt es bereits ein Projekt, in dessen Rahmen Pflegefachkräfte nach Österreich gebracht werden. Das Programm ist angelaufen, viel mehr als eine Handvoll Pflegerinnen sind bisher nicht gekommen: Der Prozess bleibt langwierig, Fachkräfte müssen zuerst gut Deutsch (Niveau B2) lernen. Die Wirtschaftskammer bastelt dennoch an einer neuen Initiative: Auch abseits der Pflege soll Personal von den Philippinen kommen können. Geplant ist, den Austausch im Tourismussektor zu forcieren. Vorbild sind ähnliche Initiativen Deutschlands, das Personal lokal ausbildet und die Leute dann ins Land holt. Das große Deutschland ist überall bekannt. Österreich wird vermutlich noch einige Kochkurse im Ausland anbieten müssen. (András Szigetvari, 13.10.2023)