Israelische und österreichische Flaggen am Dach des Außenministeriums.
Das offizielle Österreich zeigte sich in den letzten Tagen solidarisch mit Israel. Der Angriff der Hamas dürfte auch Ermittlungen in Österreich auslösen.
APA/EVA MANHART

Die Zahl der Toten durch die Großangriffe der islamistischen Hamas auf Israel steigt stetig an. Laut israelischer Armee sind mindestens 1.300 Personen getötet worden. Auch mindestens drei österreichische Staatsbürger befinden sich darunter, bestätigte das österreichische Außenministerium Donnerstagabend.

Die österreichischen Opfer und das Ausmaß des Verbrechens werden nun aller Voraussicht nach die österreichische Staatsanwaltschaft auf den Plan rufen. Zwar sind im Strafrecht grundsätzlich nur die Behörden vor Ort zuständig, es gibt aber Ausnahmeregeln, die laut Experten im aktuellen Fall anwendbar sind.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Die österreichischen Behörden können laut Strafgesetzbuch ermitteln, wenn Österreicherinnen oder Österreicher im Ausland Opfer von bestimmten schwerwiegenden Straftaten geworden sind. Darunter fallen etwa Delikte wie das Verschwindenlassen von Personen, Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist aus Sicht von Fachleuten auch der Angriff der Hamas zu werten. Es handle sich um Morde "im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung", erklärt Klaus Schwaighofer, Professor für Strafrecht an der Universität Innsbruck, dem STANDARD. "Ausgedehnt, weil viele Opfer, systematisch, weil offensichtlich von langer Hand intensiv geplant."

Genauso sieht das Völkerrechtler Ralph Janik von der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien. Es liege definitiv ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Pflicht zu Ermittlungen

Ob es in Österreich bereits Ermittlungen gibt, konnte das Justizministerium auf Anfrage des STANDARD noch nicht bestätigen. Grundsätzlich sei es aber so, dass die österreichischen Behörden ermitteln müssen, wenn österreichische Staatsbürgerinnen oder Staatsbürger Opfer von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden.

Zuständig ist die Staatsanwaltschaft, die zuerst von einem Delikt erfährt, oder jene Staatsanwaltschaft, die von der Generalprokuratur ausgewählt wird. Üblicherweise ist das laut Justizministerium die Staatsanwaltschaft Wien. Auf Anfrage des STANDARD gab es von dort zunächst keine Rückmeldung.

Praktisch dürfte die Strafverfolgung im aktuellen Fall freilich äußerst schwierig werden. Österreich müsste ein Rechtshilfeansuchen an Israel stellen, könnte selbst aber wohl wenig tun, um jene Täter ausfindig zu machen, die die Österreicher getötet haben, sagt Schwaighofer. "Selbst wenn, wird man der Täter kaum habhaft werden."

Deutschland ermittelt bereits

In Deutschland ermittelt der Generalbundesanwalt im Zusammenhang mit den aktuellen Angriffen bereits gegen "unbekannte Mitglieder" der Hamas, unter anderem wegen Entführung und Mordes. Es gelte, "deren Identität aufzuklären und konkrete Straftaten nachzuweisen", teilte die Behörde auf Anfrage des deutschen ZDF mit.

Bei den Ermittlungen kann die Staatsanwaltschaft etwa auf frei verfügbare Quellen wie Handyvideos zurückgreifen oder sich mit den israelischen Behörden austauschen. Gelingt der Nachweis, könnten die Hamas-Terroristen vor deutschen Gerichten angeklagt und nach nationalem Strafrecht verurteilt werden. Voraussetzung wäre, dass die Personen in Israel gefasst und ausgeliefert werden. Letzteres gilt als äußerst unwahrscheinlich bis ausgeschlossen. (Jakob Pflügl, 13.10.2023)