Ein Sarg in einem Krematorium
Wenn Trauernde das möchten, können sie dabei sein, wenn der Sarg in den Ofen gefahren wird.
DER STANDARD/Rebhahn-Roither

Manchmal erzählt Eva Kleiner nicht, wo sie arbeitet. Denn "dann geht es nur um das". Auch ihr Vater Stefan Kleiner sagt, wenn Menschen von seinem Job erfahren, "da wird dann nur mehr übers Sterben geredet". Vater und Tochter betreiben in Niederösterreich gemeinsam das private Krematorium Feba Feuerbestattungen. Dort werden ausschließlich Einäscherungen angeboten, vor und nach der Kremation sind Bestattungsunternehmen zuständig.

Die 28-jährige Eva Kleiner und ihr Vater führen durch das Gebäude, das zwischen Wien und St. Pölten liegt und von außen eher unscheinbar aussieht. Eva Kleiner trägt Jeans, dazu eine rosa Bluse und gelbe Schuhe. Das Krematorium wirkt beim Betreten nicht wie der düstere Ort, als den manche sich ein solches vielleicht vorstellen.

Eva Kleiner
Die 28-Jährige Eva Kleiner erklärt, wie im Krematorium gearbeitet wird.
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Der Raum, in dem die Särge in den Ofen gleiten, ist hell. Wenn ein Sarg zur Einäscherung bereitsteht, geht eine Öffnung in der Wand auf, und die verstorbene Person verschwindet samt Sarg darin. Kleidung wird mitverbrannt, auch eine Holzfigur mit persönlicher Bedeutung dürfte beispielsweise mit, Glas oder Metall nicht.

Derzeit kommen an einem Tag zwischen zehn und 40 Verstorbene an – "wie halt die Leute sterben", heißt es beim Rundgang im Krematorium. Die Särge werden dann in den Kühlraum gebracht. An einem durchschnittlichen Arbeitstag werden etwa 15 Verstorbene eingeäschert. Im Frühling soll ein zweiter Ofen dazukommen.

Ein Sarg wird in den Ofen gefahren.
Ein Sarg wird in den Ofen gefahren.
DER STANDARD/Rebhahn-Roither

Erde oder Feuer

Obwohl in ganz Österreich Menschen sterben, ist Sterben hierzulande auch Ländersache. Denn nach dem Tod ist vieles nicht einheitlich geregelt. Zum Beispiel sind die Fristen für die Durchführung der Bestattung je nach Bundesland unterschiedlich. Zwei Bestattungsformen gibt es jedenfalls in ganz Österreich, die Erdbestattung und die Feuerbestattung. Obwohl die erste Feuerbestattung der Neuzeit in Europa 1752 in Österreichisch-Schlesien stattfand, wurde das erste österreichische Krematorium – die Feuerhalle in Wien-Simmering – erst im Jahr 1922 eröffnet.

Heute gibt es laut dem Bundesverband der Bestatter insgesamt etwa 20 Krematorien in Österreich und mehr als 500 Bestattungsunternehmen. Der Anteil der Feuerbestattungen sei in den vergangenen Jahren angestiegen, heißt es dort. Schätzungen zufolge liege die Quote der Feuerbestattungen österreichweit bei rund 45 Prozent. Aber auch hier gibt es einen großen Unterschied zwischen den Ländern: Im Burgenland seien etwas mehr als 30 Prozent der Bestattungen Einäscherungen, in Vorarlberg seien es mehr als 90 Prozent. Für Niederösterreich würden zwischen 40 und 45 Prozent geschätzt. Genaue Aufzeichnungen gebe es nicht, heißt es vom Bundesverband der Bestatter. Die Gründe für eine Feuerbestattung seien höchst unterschiedlich, dazu gehören etwa der Platzbedarf auf den Friedhöfen, ökologische Gründe oder der Wunsch zur Bestattung in einer Naturbestattungsanlage oder in einem Gewässer.

Abschied nehmen

Wenn Trauernde das möchten, können sie anwesend sein, wenn der Sarg in den Ofen gefahren wird, erklären die Kleiners. Zwei- bis dreimal pro Woche finden Verabschiedungen bei ihnen im Krematorium statt. Statt vor dem Ofen kann man sich auch in einem Raum, in dem der Blick durch Fenster ins Grüne schweifen kann, von der verstorbenen Person verabschieden.

Die Kleiners arbeiten mit etwa 60 Bestattern regelmäßig zusammen. In ihrem Krematorium gibt es einen Etagenofen, den man sich "wie drei Öfen übereinander" vorstellen könne. Ganz oben ist der Hauptbrennraum, in dem der Sarg mit der oder dem Verstorbenen mindestens 45 Minuten bleibt. Die Weitergabe an die Mineralisierungskammer darunter geschieht durch eine Drehbewegung der Bodenplatte. Weiter unten kühlen die Brennrückstände aus, bevor sie in die Aschelade wandern. Durch die getrennten Bereiche können zeitgleich mehrere Verstorbene strikt voneinander getrennt verbrannt werden. Die Holzasche des Sarges landet nicht in der Aschelade, sie wird mit dem Rauchgas abgeleitet.

Ofen im Krematorium
Den Etagenofen könne man sich wie mehrere Öfen übereinander vorstellen, heißt es bei dem Rundgang. Im Frühjahr soll ein zweiter Ofen dazukommen.
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Mit einem Magnet werden Gegenstände wie Herzschrittmacherreste aus den menschlichen Brennrückständen herausgefiltert und dann recycelt. Erlöse spendet das Krematorium nach eigenen Angaben. Die Brennrückstände werden schließlich in einer Maschine gemahlen und dann mit einem Schamottstein, der eine Nummer zur eindeutigen Identifizierung trägt, in eine Aschekapsel gegeben. Vom Einfahren des Sarges bis zur fertigen Kapsel dauert es rund zwei Stunden.

Im Krematorium arbeitet auch Kathrin Moser, die Partnerin von Stefan Kleiner. Sie sagt, die Arbeit sei "schon persönlich", wenn man Namen und Gesicht der Verstorbenen kenne. Insgesamt sind in dem im Jahr 2018 eröffneten Krematorium sieben Leute beschäftigt.

Empathisch und trotzdem sachlich

Die Hauptlast in der Trauerhilfe würden zwar die Bestatter tragen, sagt Stefan Kleiner, doch die Schicksale der Verstorbenen lassen den 59-Jährigen nicht kalt. "Das macht uns aber auch aus", sagt er. Seine Tochter hat für sich eine Balance für den Umgang mit Trauernden gefunden: "Man kann schon nett und empathisch sein und trotzdem sachlich bleiben." Die meisten Menschen hätten mit dem Tod nur dann zu tun, wenn es um verstorbene Angehörige geht. Wenn man mit Verstorbenen arbeitet, die man nicht kannte, sei die Situation ganz anders. Generell sei es im Krematorium "nicht so arg, wie man es sich vorstellt", sagt Eva Kleiner. Ihr Vater beschreibt die Stimmung allgemein als gut und sagt: "Bei uns wird viel gelacht, aber nicht ausgelacht."

Stefan Kleiner
Stefan Kleiner verpackt eine Aschekapsel.
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Ist eine Aschekapsel fertig, übernimmt wieder ein Bestattungsunternehmen. Manchmal werden die Kapseln abgeholt, manchmal gebracht. An jenem Tag fährt Eva Kleiner noch drei mit dem Auto nach Wien zum Bestatter. Wenn Kleiner über sie spricht, nennt sie die Verstorbenen beim Vornamen, und für einen Moment könnte man fast vergessen, dass Karin, Heinz und Nils (Namen geändert) nicht plaudernd im Auto sitzen, sondern bald an ihrer letzten Ruhestätte ankommen werden. (Christina Rebhahn-Roither, 18.10.2023)