Serbiens Präsident Aleksandar Vučić.
Serbiens Präsident Aleksandar Vučić sucht die Anbindung an China.
AFP/OLIVER BUNIC

Vorgezogene Wahlen gehören bereits seit längerem zu seinem Machterhaltungsrepertoire. Der autokratisch agierende serbische Präsident Aleksandar Vučić lässt nicht neu wählen, weil es notwendig ist, sondern, weil es den Interessen seiner Fortschrittspartei dient. Die letzten Wahlen fanden im April 2022 statt, davor gab es Wahlen im Juni 2020, und nun verkündete der Präsident, der zwar offiziell nicht mehr Chef der Partei ist, aber ihre Geschicke leitet, dass der nächste Urnengang bereits am 17. Dezember stattfinden soll.

Der Wiener Politologe Vedran Džihić vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) meint, dass es Vučić vor allem darum gehe, Zeit zu gewinnen. Während des Wahlkampfs kann er nämlich gut argumentieren, dass er Forderungen des Westens, wenn es um Reformen oder um den Dialog mit dem Kosovo geht, nicht nachkommen kann. Er nutzt also die "Ausnahmesituation". Abgesehen davon könne er nun auch die Maschinerie der Partei anwerfen und das Land noch mehr mit seiner Propaganda fluten, die Opposition brauche hingegen mehr Zeit, um sich zu organisieren und Ressourcen aufzustellen.

Verzögerungstaktik

Nach den Wahlen im Dezember kann Vučić seine Verzögerungstaktik durch Regierungsbildungsprozesse fortsetzen. Offensichtlich will er einmal warten, wie die Europawahlen und die US-Wahlen im kommenden Jahr ausgehen, und demnach seine Strategie ausrichten.

Die Fortschrittspartei (SNS) hat ihre Macht in ganz Serbien und in allen Institutionen seit 2012 so ausgebaut, dass kein Machtwechsel zu erwarten ist. Ein Unsicherheitsfaktor ist für die SNS höchstens die Hauptstadt Belgrad, wo sich eine gebildete und selbstbewusste Bevölkerungsgruppe gegen die Allmacht des Präsidenten und seiner Partei auflehnt. In Belgrad hätten kommendes Jahr regulär Kommunalwahlen stattfinden sollen. Die Wahlen werden nun im Dezember mit den Parlamentswahlen zusammengelegt. Damit kann die SNS von einem möglichen schlechten Abschneiden in der Hauptstadt ablenken.

Džihić verweist darauf, dass Autokraten wie Vučić Wahlen auch dafür verwenden, loyale Leute in der eigenen Partei mit Jobs zu "belohnen" und andere loszuwerden. Drittens gehe es darum, der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen. Seit den Massenschießereien im Mai gehen nämlich tausende Serbinnen und Serben auf die Straße, um eine gewaltlosere Gesellschaft sowie mehr Demokratie und Transparenz einzufordern.

Am 24. September hatte eine serbische Miliz einen Terroranschlag im Kosovo verübt. Der Anführer Milan Radoičić kooperiert eng mit Vučić. Viele Beobachter gehen davon aus, dass das serbische Regime seine Finger im Spiel hatte. Radoičić ist jedenfalls wieder auf freiem Fuß. Und Vučić reist kommende Woche nach China – wohl auch, um zu zeigen, dass er Alternativen zu einer Westanbindung hat. (Adelheid Wölfl, 13.10.2023)