Serien haben sich seit Bestehen des STANDARD stark verändert. Waren es früher in jeder Folge fast ausschließlich abgeschlossene Geschichten, wurden Serien ab dem neuen Jahrtausend episch. Mit den Streamingplattformen kam die Serienflut. DER STANDARD präsentiert 35 stilprägende Serien der letzten 35 Jahre, die bis heute an Attraktivität nicht verloren haben.
Die Simpsons
(1989–) Gut ein Jahr war DER STANDARD alt, als "Die Simpsons" die Herzen ihres Publikums eroberten. Beide sind gekommen, um zu bleiben.
Die Piefke-Saga
(1990) Die prototypische Familie Sattmann am Rande des Nervenzusammenbruchs, als sie checkt, dass sie nur aus einem Grund im Tiroler Bergdorf erwünscht ist: weil sie sich hervorragend als Melkkuh eignet. Felix Mitterers Touristensatire sorgte für nationale Erheiterung.
Twin Peaks
(1990–1991, 2017.) Am 8. April 1990 begann ein neues Zeitalter der Fernsehserien. David Lynch brach mit allen Regeln der bisherigen Krimierzählkunst, schickte einen kirschkuchenessenden FBI-Agenten in eine US-amerikanische Kleinstadt, in der er unter einem Haufen skurriler Einwohner das Böse ausfindig machen musste. Es gelang. "Twin Peaks" war und ist Kult und Vorbild für alles, was danach kam. Faszinierend: Die Serie ist kaum gealtert. 48 Folgen in drei Staffeln, 2017 gab es eine ziemlich schräge Fortsetzung.
Absolutely Fabulous
(1992–2012) Die Abenteuer der hysterischen Modemutter Edina Monsoon (Jennifer Saunders) und ihrer ausgedörrten Busenfreundin Patsy Stone (Joanna Lumley) sind in ihrer absurden Komik absolut einzigartig. Schrill, schräg, göttlich, Sweetie!
Akte X – Die ungewöhnlichen Fälle des FBI
(1993–2002, 2016–2018) Für Agent Mulder sind die Außerirdischen mitten unter uns, Kollegin Scully vertraut der Wissenschaft. Ein Spannungsfeld, das 218 Folgen für Mystery-Unterhaltung sorgte. Die Folgen waren teilweise so schräg, dass man sich die Frage stellte, welche bewusstseinserweiternden Substanzen die Macher eingenommen haben mussten. Oder wie viel davon.
Emergency Room
(1994–2009) Gut, das mit dem Nachschauen wird bei mehr als 300 Folgen etwas schwierig, aber ein Besuch im County General Hospital lohnt sich allemal. Nicht nur wegen eines gewissen Kinderarztes, der unter dem Namen George Clooney von hier aus Weltkarriere machte.
Friends
(1994–2004) Egal wie anstrengend der Arbeits- und Schultag war: Zehn Jahre konnte man sich darauf verlassen, dass am Abend für zwanzig Minuten alles gut war. Rachel, Monica, Phoebe, Chandler, Ross und Joey – Freunde für immer.
Star Trek – Raumschiff Voyager
(1995–2001) 1995 war es endlich so weit: Mit Captain Kathryn Janeway übernahm eine Frau erstmals das Steuer. Es folgten 172 durchwegs abwechslungsreiche Episoden, die sich bis heute sehen lassen können.
Buffy – Im Bann der Dämonen
(1997–2003) Tagsüber Schülerin, nachts Vampirjägerin. Nur nach außen hin ist das ein weiter Spagat, schließlich haben pubertierende Teenager im Alltag mit unzähligen Dämonen zu kämpfen. "Buffy" schickte sie zurück in den Höllenschuld. Alle.
Sex and the City
(1998–2004) Im Jahr 1998 schrieb Carrie Bradshaw ihre erste Kolumne im US-amerikanischen Sender HBO. Wir, in der alten Welt, hatten davon gehört, es soll jung sein, sexy, frivol, wir wollten das sehen. Und konnten nicht. Bei uns startete "Sex and the City" drei (!) Jahre später, unvorstellbar heute. Nicht alles war früher besser.
The Sopranos
(1999–2007) Zwei Dinge hatte Mafiaboss Tony Soprano stets bei sich: ein Schießgerät und Prozac. Ein italo-amerikanischer Kapitalverbrecher mit Angstattacken? Ging sich 86 Folgen aus. Und wie.
Malcolm mittendrin
(2000–2006) Der ORF wiederholt "Malcolm" zum gefühlt 200. Mal. Schon klar, es gibt Serien, die kann man gar nicht oft genug sehen, und "Malcolm" gehört garantiert dazu. Irgendwann darf es aber gut sein. Dasselbe gilt übrigens für: "How I Met Your Father", "Big Bang Theory", "Die Nanny" etc.
Scrubs
(2001–2010) Beschmutzte Weißkittel: makabre Scherze um Jungärzte, die sich der blutigen Wahrheit im Patientenalltag stellen müssen. Das gänzlich unsentimentale Gegenstück zu "Grey's Anatomy".
The Wire
(2002–2008) Die HBO-Erfolgsserie gilt ob ihrer klug erzählten Geschichte und der komplexen Charakterzeichnung als beste TV-Serie aller Zeiten und sicherte ihrem Erfinder David Simon den unangefochtenen Titel "Serienpapst".
Shaun, das Schaf
(2007–) Nur Shaun, das Schaf ist Shaun, das Schaf, und es macht Dinge, die es eigentlich nicht darf und beweist in jeder einzelnen Folge: Ausscheren aus der Herde zahlt sich aus, immer.
Mad Men
(2007–2015) New York in den frühen 60ern: Die Werbebranche ist eine Goldgrube, die Etikette eher freizügig: Ein Whisky zwischendurch gehört zum guten Ton, und wer die Sekretärin angräbt, muss noch lange kein gerichtliches Nachspiel fürchten. Matthew Weiners detailreiches Sittenbild einer Zeit im Wandel. Unerreicht.
Kommissarin Lund – Das Verbrechen
(2008–2013) Ein Fall, zwanzig Episoden. Die dänische Kommissarin Sarah Lund gräbt tief und fördert einen Mordkomplott zutage, wie er spannender nicht sein könnte. Prägend für viele weitere Krimis bis hin zu "Schnell ermittelt".
Breaking Bad
(2008–2013) Der brave Familienvater und Chemiker Walter White setzt seine schändlich-redliche Mission fort: Nach Krebsdiagnose versucht er seiner Familie ein Vermögen zu hinterlassen – indem er die tödliche Droge Crystal Meth produziert und verkauft. Bryan Cranston führt in bis davor nie gesehene Zwischenwelten des TV.
Im Angesicht des Verbrechens
(2010) 115 Drehtage, 180 Sprechrollen, Arbeitstage bis zu 18 Stunden, gekürzte Gagen, endlose Diskussionen über den Schnitt, Schreiduelle mit Redakteuren, die Produktionsfirma ist darob pleitegegangen, schließlich: 500 Minuten Film. Das sind Dimensionen, die Fernsehen bis dahin nicht kannte. Dominik Graf taucht nach dem Drehbuch von Rolf Basedow in den Sumpf der russischen Mafia mitten in Berlin ein.
Borgen
(2010–2013) Die dänische Serie punktete mit einem neue Ansatz: dass Politik ein ehrliches Geschäft ist, in dem Menschen ihre Ideale verfolgen, für das Volk da sein wollen und in dem die Kontrolle durch Medien noch funktioniert. Das konnte natürlich nicht so bleiben. Grenzwertige Kompromisse zum Zwecke de Erhaltung von Macht und Ruhm ging schließlich auch Vorzeigepolitikerin Birgitte Nyborg ein.
Hatufim – In der Hand des Feindes
(2010–2012) Drei israelische Soldaten waren jahrelang in der Hand der Hisbollah, zwei von ihnen kommen frei und müssen ihr Trauma verarbeiten. Die Vergangenheit lässt sie nicht los. Die israelische Serie war Vorlage für die ebenfalls maximal spannende US-Version "Homeland". Claire Danes beeindruckte in der Rolle einer psychisch angeschlagenen CIA-Agentin, Damian Lewis spielte mit ihr Katz und Maus.
Sherlock
(2010–2017) Very british, aber sehr gegenwärtig: Benedict Cumberbatch verkörperte den genial-kaputten Privatdetektiv als eine Art Doyle'schen Wiedergänger. Im heutigen London geht Sherlock auf Mörderjagd, an seiner Seite: ein ausgesprochen putziger Watson.
The Walking Dead
(2010–2022) Im Genre Zombieserien war "The Walking Dead" eine Zeitenwende. Der Hype war so groß, dass noch vor Ausstrahlung der ersten Folge die Fortsetzung geordert wurde, was im risikoscheuen US-Produktionsbusiness selten ist. Eine kleine Gruppe unerschütterlicher Guerilla-Krieger kämpft gegen den Untergang und erlebt dabei gruppendynamische Extremsituationen. Das war eine Zeitlang spannend, aber nach elf Staffeln und unzähligen Ablegern hoffnungslos überstrapaziert.
Game of Thrones
(2011–2019) Man nannte es "Sopranos im Mittelalter": George R.R. Martin schuf nach seiner Fantasy-Vorlage ein komplexes, brutales, sarkastisches, hemmungsloses, in jedem Fall fesselndes Reich des Schreckens und der Finsternis. Barbaren am Zenit ihres Schaffens mit einem erzählerischem Novum: der plötzliche Tod einer gut eingeführten Hauptfigur.
Black Mirror
(2011–) Geschichten, die aus heutiger Sicht utopisch anmuten, aber irgendwann passieren könnten: Hier sind Szenarien, die Ihnen kalte Schauer über den Rücken jagen. "Ich bin überzeugt, dass es so kommen wird", sagt Annabel Jones, die Produzentin der englischen Serie, die zunächst vom Sender Channel 4 und seit 2016 über Netflix abrufbar ist. Jones: "Wir sind keine Science-Fiction." Und genau das macht "Black Mirror" so beunruhigend. So schrecklich, dass es wahr sein könnte. Anspieltipp: "Nosedive" über Menschen, die anhand eines Social Rankings in der gesellschaftlichen Hierarchie aufsteigen, aber auch abstürzen können.
Braunschlag
(2012) Nur Bobos und Hipster zieht es ins Waldviertel, alle anderen wollen eher von dort weg. Dieser bekümmernde Umstand zwingt den Bürgermeister Gerri zu einer radikalen Maßnahme, einem frei erfundenen Marienwunder. Genialer Plan, der allerdings einen Rattenschwanz an Verwicklungen nach sich zieht. "Braunschlag" ist Kult. Zu Recht.
Girls
(2012–2017) Hannah, Marnie, Jessa und Shoshanna waren die räudigen Schwestern von Carrie Bradshaw aus "Sex and the City". Sie lebten die New Yorker Großstadtneurose unter 20-jährigen aus. "Girls"-Schöpferin Lena Dunham forderte ihr Publikum mit ungeschönten Bildern und Storys von jungen Beziehungs- und Sexerlebnissen heraus und wurde zur feministischen Ikone. Der Hass im Netz ließ nicht lange auf sich warten.
House of Cards
(2013–2018) Das Original stammt aus Großbritannien, Netflix fand mit Kevin Spacey seinen idealen Bösewicht. Kritiker hielten die Figur des Zynikers Frank Underwood als US-Präsident im Weißen Haus für völlig überzogen. Dann kam Donald Trump. Danach sagten sie nichts mehr.
Orange Is the New Black
(2013–2019) So schnell kann's gehen: Wegen einer bleden Gschicht landet die bis dahin untadelige Bürgerin Piper Chapman im Gefängnis. Sie lernt ihre Lektion, jede ist sich hier die Nächste, und doch sind Freundschaften möglich. Liebe, Leid, Lug, Trug, Gewalt, Verbrechen, große Gefühle und die schmerzliche Einsicht, dass in diesem System kaum jemand besser werden kann.
True Detective
(2014–) Woody Harrelson und Matthew McConaughey waten im tiefen Verbrechenssumpf und ringen nicht zuletzt mit sich selbst. So soll es sein! Leider erreichten die weiteren zwei Staffeln nicht annähernd dieses Niveau. Die nächste Chance hat Jodie Foster – ab 14. Jänner 2024 geht sie auf Mörderjagd nach Alaska, am 15.1. zu sehen auf Sky.
The Crown
(2016–) Mädchen- und Schicksalsjahre einer Königin. 1952 besteigt Elizabeth II. mit nur 27 Jahren den Thron und wird ihn bis 2022 nicht verlassen. Der Clan sorgte von Anfang an laufend für Skandale. Gut für Royal-Kenner Peter Morgan, der aus seiner Expertise ein berührendes Epos schuf und Netflix zu einer weiteren Landmarke im unendlich weiten Serienuniversum verhalf.
Stranger Things
(2016–) Die 1980er-Jahre sind ausgebrochen, für Kinder kann das ganz schön unheimlich sein! Anfangs wurde die Kinderbande um Will Byers und Freakschwester El noch skeptisch beäugt, aber die Phase währte nur kurz. Inzwischen sind die Freunde im besten Teenageralter und haben Starstatus erreicht. Running Up That Hill!
Babylon Berlin
(2017–) Dieser Blick in die Vergangenheit lässt erschauern. Berlin in den Goldenen Zwanzigerjahren der Weimarer Republik am direkten Weg in den Abgrund. Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) kommt in die Stadt, um in einem Erpressungsfall zu ermitteln. Er wird in einen Strudel aus Korruption, Prostitution und Waffenhandel hineingezogen. "Babylon Berlin" hat inzwischen vier Staffeln, und keine einzige davon enttäuschte. Umso schlimmer, dass Sky Deutschland künftig fiktionale Eigenproduktionen einspart. Ob Koproduktionspartner ARD weitermacht, ist nicht klar.
Cernobyl
(2019) Wie eine Katastrophe gesehen und nicht verhindert wurde.
Wednesday
(2022) Die Heldenreise der finsteren Addams-Göre war das Adventgeschenk 2022 und erinnerte, wie gut es tut, Randgestalten zuzusehen, denen etwas gelingt, weil sie ihrer Linie treu bleiben – und seien sie noch so creepy. Wir brauchen das.
(Doris Priesching, 21.10.2023)