Sollen sie doch Burger essen, die jungen Menschen aus sozial schwachen Familien, sagte Bundeskanzler Karl Nehammer sinngemäß vor ÖVP-Funktionären – und erntete viel Kritik. Eine, die weiß, was es bedeutet, wenn junge Menschen zu oft Fastfood essen, ist Kornelia Schwarz. Die Ärztin arbeitet in einem Gesundheitszentrum für benachteiligte Jugendliche. Übergewicht und ungesunde Ernährung sind unter ihren Patientinnen und Patienten "ein großes Thema".

Hinter dem Gesundheitszentrum steckt der gemeinnützige Verein TIW, der seit vielen Jahren Teenager und junge Erwachsene beim Übergang ins Erwerbsleben und in die Lehre begleitet.

Junge Frau Fenster niedergeschlagen 
Psychische oder körperliche Probleme können jungen Menschen den Einstieg ins Arbeitsleben erschweren.
Getty Images/Galina Zhigalova

Für das Gesundheitszentrum kooperiert TIW mit der Vinzenzgruppe. Zu den sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören zwei Psychologinnen und zwei Pädagoginnen. Letztere halten bei Lehrlingsprojekten Workshops zum Thema Gesundheitsvorsorge ab. Die Psychologinnen machen Diagnostik und beraten, was weiter zu tun ist.

Anlaufstelle fehlte

Die zweckmäßig eingerichteten Räume liegen im Erdgeschoß eines Wohnhauses in der Alsgasse 6, gleich neben dem Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien-Hernals. TIW-Geschäftsführer und Vereinsgründer Andreas Pollak hat die Einrichtung vor gut zwei Jahren ins Leben gerufen, weil er die Erfahrung machte, dass der Einstieg in die Lehre bei vielen daran scheitert, dass sie sich dann oft krank melden.

Workshop des Vereins T.I.W. für Jugendliche zum Thema Ernährung. Ernährungspyramide
Workshop des Vereins TIW für Jugendliche zum Thema Ernährung.
Verein T.I.W.

"Die Hauptaufgabe des Vereins ist, junge Menschen in Jobs zu bringen. Aber viele hatten ständig Krankenstände", sagt Pollak. Natürlich seien auch Tachinierer darunter, aber wenn wirklich Probleme vorlagen, habe einfach eine Anlaufstelle gefehlt. Zum Beispiel sei für eine psychologische Diagnostik drei bis vier Monate Wartezeit notwendig gewesen – wenn ein junger Mensch eigentlich gerade einen Lehrplatz antreten sollte, ein großer Nachteil. Außerdem seien viele in dieser Lebensphase nicht versichert, also ohne E-Card. Diese brauchen sie im Gesundheitszentrum nicht.

"Es braucht jemanden, der mit ihnen dann die notwendigen Schritte geht", sagt Pollak. Den Erstkontakt zum Gesundheitszentrum stellen die Betreuerinnen und Betreuer der Lehr- und Arbeitsprojekte her. Sie kommen bei Terminen in der Regel dann auch mit. Das Bewusstsein dafür, was dem Körper guttue und was nicht, fehle vielen schlicht.

Mangelnde Kompetenz

Die Studie "Gesundheit und Gesundheitsverhalten von österreichischen Lehrlingen 2021/22" gibt ein wenig Einblick in die Gesundheitskompetenz von Lehrlingen. Der vom Sozialministerium in Auftrag gegebenen Befragung zufolge schätzen 17 Prozent der weiblichen und 22 Prozent der männlichenLehrlinge ihre Gesundheitskompetenz als niedrig ein, 64 und 60 Prozent als mittel. Bei TIW geht man davon aus, dase benachteiligte Jugendliche, also jene, die der Verein begleitet, schlechter abschneiden.

Allgemeinmedizinerin Schwarz lädt grundsätzlich zu zwei Terminen ein. Das erste Treffen dient der ausführlichen Anamnese: Beschwerden, Gewicht, Blutdruck und Körpergröße, Ess- und Trinkverhalten, seelisches Befinden, Tabak- und Alkoholkonsum werden gecheckt, Harn und Blut abgenommen. Beim zweiten Termin erfolgt die Befundbesprechung und Beratung, was weiter zu tun ist. Schwarz verteilt auch Info-Zettel, auf denen zum Beispiel Tipps gegen Kopfweh stehen.

Gesundheitszentrum Jugendliche Kornelia Schwarz Allgemeinmedizinerin Ärztin
Kornelia Schwarz ist Allgemeinmedizinerin im Gesundheitszentrum des Vereins TIW für benachteiligte Jugendliche in Wien-Hernals.
Gudrun Springer

Die Palette der Probleme reicht von Sodbrennen, Mangel an Vitaminen und Nährstoffen wie Eisen und Folsäure, Schlafproblemen, Übergewicht, über Allergien und Stresssymptome. Sie habe bereits drei bis vier Fälle von Diabetes entdeckt, bei denen die Betreffenden nicht wussten, dass sie zuckerkrank sind, erzählt Schwarz. Viele der jungen Leute würden viele Energy Drinks trinken und deshalb schlecht schlafen.

Im Moment sei natürlich die Teuerung von Lebensmitteln für viele ein Problem, gibt Pollak zu bedenken. Zusätzlich fehle es aber an Wissen, was gesund ist. Oder am Können, Speisen zuzubereiten. Wer dieses Wissen habe, könnte für sich auch günstig gesund kochen. Wenn man Jugendliche berate, müsse man ihre Lebensumstände mitdenken. Zitronensaft ins Wasser zu träufeln für ein gesundes Getränk mit Geschmack sei beispielsweise als Tipp umsetzbar, das Mixen grüner Smoothies aber zu weit von der Lebensrealität entfernt.

Von Sponsor finanziert

Beim Gesundheitszentrum fallen rund 450.000 Euro Kosten im Jahr an, diese bezahlt die Z Zurich Foundation – das Projekt ist vorerst auf fünf Jahre finanziert und läuft derzeit im dritten Jahr. Um Gelder aus öffentlicher Hand habe er sich auch bemüht, aber erfolglos, sagt Pollak. VorigesJahr wurden 387 Einheiten zur medizinischen Behandlung durchgeführt und 843 zur psychologischen Diagnostik und Beratung, zusätzlich Seminare mit rund 1100 Teilnehmenden.

Pollak würde gerne noch mehr bewirken. Im präventiven Bereich fehle es "an allen Ecken und Enden", sagt der TIW-Geschäftsführer, "dabei kann man gerade bei jungen Menschen mit Prävention so viel bewirken". (Gudrun Springer, 23.10.2023)