Orbán und Putin in China.
IMAGO/Grigory Sysoyev

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat am Dienstag am Rande des Seidenstraßen-Gipfels in Peking den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einem offiziellen Gespräch getroffen. Agenturbilder zeigten den Kremlherrn und den ungarischen Rechtspopulisten beim Austausch eines freundlichen Händedrucks. Putin habe seiner "Genugtuung" Ausdruck verliehen, dass es trotz der Spannungen mit dem Westen noch Länder in Europa gebe, die zu Russland Kontakt hielten, schrieben russische Medien.

Orbán ist der einzige Regierungschef eines EU-Landes, der zum Seidenstraßen-Gipfel nach Peking reiste. Seit Dienstag ist er der einzige Regierungschef eines EU-Landes, der in diesem Jahr persönlich mit Putin zusammenkam. Die staatlich gelenkten russischen Medien verhehlten nicht ihre Schadenfreude über diesen Umstand. Orbáns Treffen mit Putin werde bei einigen westlichen Politikern, die die Ukraine im Krieg unterstützen, Herzattacken auslösen, hieß es in einem Kommentar aus Moskau.

Die staatliche ungarische Nachrichtenagentur MTI gab sich zunächst eher bedeckt. Sie zitierte lediglich Orbáns Sprecher Bertalan Havasi mit den Worten: "Die beiden Spitzenpolitiker trafen Vereinbarungen über die ungarisch-russische Zusammenarbeit, über die Gas- und Öllieferungen sowie über Fragen der Nuklearenergie. Für ganz Europa, und so auch für Ungarn, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Flüchtlingsströme, die Sanktionen und die Kämpfe enden." Russische Medien zitierten Orbán wiederum mit der Aussage, dass sein Treffen mit Putin "schwierig" gewesen sei, ohne dies weiter auszuführen.

Isoliert in der EU

Orbán ist mit seiner weithin russlandfreundlichen Politik in der EU isoliert. Er fordert beständig ein Ende des russischen Krieges gegen die Ukraine, ohne Moskau dazu aufzufordern, die Besetzung von ukrainischen Gebieten zu beenden. Zusammen mit seinen Medien, die über Trolle in den sozialen Medien weit über Ungarn hinausstrahlen, verbreitet er somit russische Propagandanarrative. Die Sanktionen der EU gegen Moskau trägt er nur halbherzig mit, wobei er sie mit Vetodrohungen mitunter verwässert.

Orbán, der sich selbst als ungarischer Patriot inszeniert, belässt sein Land wissentlich in mehrfachen Abhängigkeiten von Moskau. Auch seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine hält er am Bau zweier neuer Reaktoren im AKW Paks durch die russische Rosatom fest. Gas und Öl bezieht Ungarn weiterhin zu großen Anteilen aus Russland. Für die Öllieferungen erwirkte Orbán sogar eine Ausnahmeregelung bei den EU-Sanktionen.

Das offizielle Ungarn nimmt es auch kritiklos hin, dass die neuen russischen Geschichtsbücher für den Schulunterricht die Darstellung der ungarischen Revolution von 1956 verfälschen. Dort heißt es, dass den Volksaufstand gegen die damalige sowjetische Besatzung westliche Geheimdienste kreiert hätten und dass er von "faschistischen Elementen" getragen gewesen sei. Orbán selbst verdankt seine politische Karriere einem Aufsehen erregenden Auftritt als Studentenführer beim Neubegräbnis der 1956er-Helden im Juni 1989. Zu den russischen Geschichtslügen heute schweigt er.

Inspiration füreinander

In Wirklichkeit verbinden ihn die westfeindlichen Narrative mit Putin. Was damals die "westlichen Geheimdienste" waren, das sind heute die "Agenten des (US-Philanthropen) George Soros" und ihre NGOs. Bei Gesetzen zur Unterdrückung von regierungsunabhängigen Organisationen und zur Kriminalisierung von LGBTQ-Inhalten übernahm Orbán die Diktion entsprechender russischer Gesetze. Aber auch im Gerede über den Wert der traditionellen Familie, in der Ablehnung universeller Werte und in der Verteufelung des "Genderwahns" erweisen sich Orbán und Putin als Brüder im Geiste. (Gregor Mayer aus Budapest, 17.10.2023)