Wolf im Wald
Den Wölfen in Österreich geht es seit heuer mit Abschussverordnungen an den Kragen. Nun pochen mehrere Landesräte und der Landwirtschaftsminister auf Erleichterungen auf EU-Ebene.
IMAGO/Dominik Kindermann

Nach mehreren Sichtungen rund um Villach ist am Dienstagmorgen ein toter Wolf am Straßenrand gefunden worden. Das Tier dürfte laut dem Wolfsbeauftragten des Landes Kärnten von einem Auto erfasst worden sein. Und auch mit dem Gewehr ging es heuer in Österreich den Wölfen immer öfter an den Kragen. Sieben Tiere sind per Bescheid in Kärnten zum Abschuss freigegeben und erlegt worden. In Tirol wurden vier Wölfe nach der Verordnung erschossen, in Salzburg einer.

In Oberösterreich gab es für zwei Wölfe eine Abschusserlaubnis, erwischt wurde jedoch keiner. In Niederösterreich braucht es laut Verordnung überhaupt keine behördliche Anordnung mehr, um Wölfe zu erschießen. In der Steiermark ist ebenfalls eine neue Verordnung für leichtere Wolfsentnahmen in Begutachtung, und auch Vorarlberg will im November eine Gesetzesänderung umsetzen, um schneller Abschüsse genehmigen zu können.

Mit den Abschüssen haben sich auch die Risse an Nutztieren halbiert. 2022 wurden nach Angaben der Länder 791 Nutztiere von Wölfen gerissen, heuer waren es nur 394. Für die zuständigen Landespolitiker in Tirol, Kärnten und Salzburg ein Erfolg der Abschussverordnungen. Herdenschutz als Alternative zu Abschüssen, wie vor allem von Umwelt- und Tierschutzorganisationen eingefordert, wollen die betroffenen Länder politisch nach wie vor nicht.

Österreich hat stattdessen die Jagd auf den Wolf eröffnet und das, obwohl die Beutegreifer EU-weit durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) streng geschützt sind. Die Abschussverordnungen sind rechtlich umstritten, das Umweltministerium sieht in ihnen mehrere Rechtsbrüche, und sie wurden auch von Umweltschutzorganisationen in der Vergangenheit regelmäßig erfolgreich beeinsprucht.

Landesgrenze für Wölfe

Nächste Woche Mittwoch beschäftigt sich nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit mehreren Fragen zur Rechtsauslegung der FFH-Richtlinie, die das Tiroler Landesverwaltungsgericht im November 2022 gestellt hat. Das Landesverwaltungsgericht hat das Verfahren nach einer Beschwerde von Ökobüro, WWF, Umweltdachverband und Naturschutzbund gegen den Entnahmebescheid der Tiroler Landesregierung eingeleitet und bis zur Beantwortung ausgesetzt. Das Landesverwaltungsgericht will vom EuGH etwa wissen, ob der günstige Erhaltungszustand von Wölfen auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats zu beziehen ist oder es für eine Entnahmeentscheidung ausreiche, wenn dieser im Verbreitungsgebiet einer Population gegeben ist. In diesem Fall könnten auch die Wölfe der österreichischen Nachbarstaaten einbezogen werden, die teils eine deutlich höhere Population aufweisen.

Eine weitere Frage betrifft den Gleichheitsgrundsatz. Denn in Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Bulgarien sowie in Teilen Finnlands, Griechenlands und Spaniens sind Wölfe vom strengen Schutzregime der FFH-Richtlinie ausgenommen. "Wir pochen auf Gleichbehandlung etwa mit ost- und nordeuropäischen Mitgliedsstaaten und fordern, dass die Almwirtschaft als Besonderheit anerkannt wird", erklärte der Tiroler Landesrat Josef Geisler (ÖVP) im Vorjahr.

Immer mehr Rudel

Geisler fordert die Änderung der FFH-Richtlinie und die Senkung des Schutzstatus des Wolfs, wie auch andere Landespolitiker und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP). In den zehn Alpenländern der Arbeitsgemeinschaft Arge Alp sei die Zahl der Wolfsrudel innerhalb eines Jahres um mehr als 60 Prozent von 38 im Jahr 2021 auf 61 im Jahr 2022 gestiegen. Das Österreichzentrum Bär, Wolf, Luchs geht davon aus, dass im Land acht Rudel heimisch sind.

Nicht nur Österreich pocht auf schnellere Abschüsse von Wölfen. Auch die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) will Ausnahmegenehmigungen, wenn ein Wolf ein Weidetier gerissen und Schutzvorkehrungen wie einen Zaun überwunden hat. Über den Vorschlag solle bei der Umweltministerkonferenz im November mit den Ländern gesprochen werden. Ziel sei, dass die Regelungen zum Beginn der nächsten Weidetiersaison angewandt werden können.

Nach mehreren Anläufen aus verschiedenen Ländern überlegt nun auch die EU-Kommission Änderungen beim Schutzstatus von Wölfen. "Die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen europäischen Regionen ist eine reale Gefahr geworden für Viehherden und potenziell auch für Menschen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einer Aussendung. Sie ruft lokale und nationale Behörden dazu auf, wo nötig Maßnahmen zu ergreifen, die die EU-Gesetzgebung derzeit erlaube. Bevor es hier aber zu einer Entscheidung zwecks der Lockerung des Schutzstatus kommt, will die Brüsseler Behörde noch mehr Daten zu dem Thema sammeln. Die Beantwortung der Fragen des EuGH am kommenden Mittwoch könnte eine erste Richtung weisen. (Stefanie Ruep, 18.10.2023)