Kurz nach dem verheerenden Einschlag im Al-Ahli-Krankenhaus im Gazastreifen am Dienstagabend stand für viele der Schuldige bereits fest: Israels Armee habe das Krankenhaus aus der Luft angegriffen, 500 Menschen seien dabei ums Leben gekommen, hieß es auch in seriösen Medien wie Financial Times und El País.

Am Tag danach sah das alles ein wenig anders aus. Israels Armee hat glaubhafte Daten veröffentlicht, die darauf hindeuten, dass es fehlgezündete Raketen der Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ) waren, die auf dem Gelände des Krankenhauses einschlugen.

Daniel Hagari, Sprecher der israelischen Armee, zeigt Flugbahnen von Raketen. Den Finger hat er auf der Position des Krankenhauses, das – so Israel – von einer abgestürzten Rakete getroffen worden sei.
AFP/GIL COHEN-MAGEN

Für Journalisten, die über den Krieg zwischen Israel und den Terrorgruppen in Gaza berichten, ist es schwer, solche Informationen eigenständig zu überprüfen. Das größte Hindernis ist, dass man sich zwar in Israel – militärische Sperrgebiete ausgenommen – frei bewegen kann, die Einreise in den Gazastreifen ist jedoch derzeit unmöglich. Israel hält die Grenzübergänge in den Gazastreifen gesperrt, Journalisten können sich vor Ort kein eigenes Bild machen.

Zugang zu Gaza

In früheren militärischen Auseinandersetzungen kam es vor, dass während einer Waffenruhe der Grenzübergang Erez vorübergehend geöffnet wurde, um Medien den Zugang nach Gaza zu ermöglichen. Diesmal wird das eher nicht der Fall sein. Die Terroristen waren am 7. Oktober unter anderem über Erez nach Israel eingefallen und haben den Grenzübergang beschädigt. Mitarbeiter des israelischen Verteidigungsministeriums kamen erst am Mittwoch für einen ersten Lokalaugenschein nach Erez, um die Schäden zu begutachten. Es kann also noch länger dauern, bis der hochtechnologisierte Checkpoint den Betrieb aufnehmen wird.

Größere Medienbetriebe wie CNN, BBC und global agierende Nachrichtenagenturen beauftragen palästinensische Journalisten und Journalistinnen, die im Gazastreifen wohnen, um vor Ort zu recherchieren. Im aktuellen Fall des Krankenhauses soll aber selbst für sie der Zugang unmöglich sein, weil die Hamas das Gebiet auch für Medien abgeriegelt hat, sagt eine Quelle vor Ort.

Die in Gaza ansässigen Journalisten arbeiten unter enorm hohem Risiko. Sie sind während der Luftangriffe ungeschützt unterwegs und haben anders als Journalisten in Israel keinen Zugang zu Bunkern. Die Hamas setzt viele von ihnen unter Druck, bedroht zum Teil auch deren Familien, wenn sie Regimekritik wittern.

Unüberwindbare Hürden

Auch in Friedenszeiten ist der Zugang in den Gazastreifen für ausländische Journalisten erschwert. Selbst eine kurze Recherche vor Ort setzt jede Menge bürokratischen und finanziellen Aufwand voraus: Man muss über einen in Gaza angesiedelten Agenten eine Einreisebewilligung beantragen, die von der Hamas vergeben wird. Das kostet rund 250 Dollar, ohne dass man Gewähr auf positive Erledigung hätte: Immer wieder lehnt die Hamas den Antrag ab.

Selbst im Fall, dass er bewilligt wird, muss man einen lokalen Journalisten beauftragen, eine Art Patenschaft für die Dauer des Aufenthalts in Gaza zu übernehmen. Pro Tag kostet das weitere 250 Dollar. Rechnet man die Kosten für Nächtigung hinzu, landet man schnell bei einem Aufwand von 900 Dollar – ohne Anreise und Verpflegung. Für Journalisten, die keinen fixen Vertrag bei einer Redaktion haben, kann das zur unüberwindbaren Hürde werden. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 19.10.2023)