63.000 Menschen arbeiten in Österreich als Reinigungskräfte. Die meisten haben Migrationshintergrund. Auftraggeber legen ihre Dienste in frühe Morgen- und späte Abendstunden.

Sie zählten während der Pandemie zu den Helden am Arbeitsplatz. Sie hielten in Büros und Industriebetrieben, in Spitälern und Supermärkten die Stellung, begleitet vom Risiko, sich mit Covid zu infizieren. Allein schon ihre stete Präsenz vermittelte ein Gefühl von Hygiene und Sicherheit. So schnell sie vor den Vorhang geholt wurden, so schnell verschwanden sie aber wieder dahinter und wurden, wie schon zuvor, weitgehend unsichtbar.

63.000 Menschen arbeiten in Österreich in der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung – für einen Brutto-Mindestlohn von 10,58 Euro pro Stunde. 71 Prozent sind Frauen. 70 Prozent haben Migrationshintergrund. Mehr als 60 Prozent sind teilzeitbeschäftigt. Ihre Gesichter und Namen kennen die wenigsten Auftraggeber, obwohl sie Zugang bis in persönlichste Lebensräume haben.

Als systemrelevant erwiesen sie sich in Zeiten der Corona-Krise. Dennoch wird im Alltag vielerorts grußlos über sie hinweggesehen.

Am 31. Oktober beginnt hierzulande das jährliche Ringen darum, wie viel Reinigungsdienste den Österreichern wert sind. Drei Termine haben die Sozialpartner für die Verhandlungen reserviert. Anfang Dezember sollte der neue Kollektivvertrag unter Dach und Fach sein.

Niedrige Barrieren

Wie sauber es in der Branche zugeht, die für viele Menschen dank niedriger Eintrittsbarrieren der oft erste und einzig mögliche Zugang zu bezahlter Arbeit ist, darüber gehen die Meinungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits jetzt weit auseinander. Von Ausbeutung als Geschäftsmodell ist die Rede, von Kalkulationen der Reinigungsbetriebe, bei denen sich faire Entlohnung niemals ausgehen könne.

Vertreter in der Wirtschaftskammer wiederum heben hohe Investitionen in die Qualifizierung der Beschäftigten hervor – sowie scharfe Kontrollen, mit denen die schwarzen Schafe unter den Betrieben, die mit Dumpingtarifen den Markt verzerren, hintangehalten würden.

108 Fälle hat die Arbeiterkammer Wien heuer innerhalb von drei Monaten in ihrer Rechtsberatung dokumentiert. 76 Prozent, die bei ihr Hilfe suchten, waren Frauen. Fast die Hälfte war älter als 45 Jahre.

Sozial isoliert

Die Bilanz der Beratung: Gut ein Zehntel der Reinigungskräfte hatte keinen Lohn erhalten. Mehr als ein Drittel unter ihnen leistete regelmäßig Überstunden. Ein Viertel bekam diese nur teilweise ausbezahlt, ein knappes Drittel gar nicht, zieht Bianca Schrittwieser, Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht, Bilanz. Abgerechnet werde oft nach Zahl der gereinigten Zimmer. Vielfach würden viel zu knapp bemessene Zeiten vorgegeben, innerhalb der die Arbeit zu bewältigen sei. Immer wieder komme es vor, dass Leute ihren Job infolge eines Krankenstands verlieren. In der Regel sei das Putzpersonal weder ins eigene Unternehmen eingebunden noch dort, wo es Leistungen erbringe, sagt Schrittwieser. "Die Leute sind sozial isoliert."

Massiv verschärft werde der Job durch zerrissene Dienste in den frühen Morgen- und späten Abendstunden, kritisiert Ursula Woditschka, Chefverhandlerin seitens der Arbeitnehmer. Es seien Arbeitszeiten verbunden mit langen Fahrzeiten zu meist unterschiedlichen Dienststätten, die sich nur sehr schwer mit Familienleben vereinbaren ließen.

Um Rahmenbedingungen in der Branche zu verbessern, führt aus ihrer Sicht kein Weg an Tagesarbeitszeit vorbei. Zudem brauche es einen Brutto-Mindestlohn von 2.000 Euro im Monat. Derzeit beträgt dieser für Vollzeitkräfte 1.832 Euro.

Der Mehrarbeitszuschlag gehöre auf 50 Prozent erhöht und bereits ab der ersten Stunde bezahlt, fordert die Gewerkschafterin. Im Falle von Krankenständen sei strengerer Kündigungsschutz notwendig.

2,3 Milliarden Euro

2,3 Milliarden Euro wiegt das stetig wachsende Geschäft mit der Reinigung in Österreich. Gut 50 Prozent entfallen auf die öffentliche Hand.

13.000 Betriebe teilen sich die Arbeit auf, wobei die Branche hoch konzentriert ist: Zwei Prozent der Unternehmen beschäftigen rund die Hälfte aller Mitarbeiter mit teils bis zu 8.000 Arbeitsplätzen. 83 Prozent ihrer Kosten umfassen das Personal. Die Gewinnmargen liegen zwischen zwei und vier Prozent.

Gerhard Komarek, Chefverhandler der Arbeitgeber, stellt nicht in Abrede, dass es in großen Branchen zu Ungereimtheiten kommen könne. Österreich habe aber im Kollektivvertrag verankert, dass einer Reinigungskraft maximal 160 Quadratmeter Fläche je Stunde aufgebürdet werden dürften. Betriebe, die ihren Kunden mehr zusicherten, betrieben Lohn- und Sozialdumping.

Mehr Tagesreinigung

Einig ist sich Komarek mit der Gewerkschaft, dass die Tagesreinigung stark ausgebaut gehöre. Konzerne wie ISS lebten dies bereits vor. Es seien jedoch weniger die Auftraggeber, von Ministerien über Banken bis hin zu privaten Institutionen, die dabei bremsten, als ihr Personal, bedauert er. Dass es wirtschaftlich betrachtet sinnvoll sei, Putzen nicht auf Randzeiten zu verlegen, zeigten die geringeren Kosten für Strom und Bewachung bei Arbeit untertags.

Was spricht gegen deutlich höhere Löhne, um nicht zuletzt auch den Mangel an Reinigungskräften zu lindern? Auftragnehmer würden die in Anspruch genommenen Dienste in der Folge reduzieren, ist sich Komarek sicher. Damit verdiene man pro Stunde zwar mehr, verliere unterm Strich aber deutlich an Arbeitszeit.

Dass 2.000 Euro brutto im Monat mehr Arbeitnehmer anziehen, bezweifelt er. Zu gering sei die Differenz zu Mindestsicherung und Arbeitslosengeld, sofern man sich nebenbei etwas dazuverdiene. "Darin liegt unser größtes Problem. Hier ist jedoch die Politik gefragt. (Verena Kainrath, 20.10.2023)