Die Flotte der BW Group besteht aus mehr als 450 Schiffen und transportiert vor allem Erdöl und verflüssigtes Erdgas, aber auch Getreide, Eisenerz und Kohle. Über die Geschäfte der Reederei wacht Andreas Sohmen-Pao, der nicht nur Geschäftsführer ist, sondern auch der milliardenschweren Eigentümerfamilie angehört. Andreas’ Vater, der Linzer Unternehmer Helmut Sohmen, hat die Tochter des Hongkonger Reeders Yue-Kong Pao geheiratet. Er übernahm das Management der Reederei des Schwiegervaters und übergab 2014 das Unternehmen an den Sohn.

Andreas Sohmen-Pao sagt, er reise nach Österreich, wann immer er könne, schaffe es aber nicht oft in das Binnenland. Er scheut Auftritte in Medien. Am Rande einer von der Wirtschaftskammer in Singapur organisierten Tagung war er bereit für ein Interview.

STANDARD: Das Geschäft mit den Öltankern boomt, haben Sie jüngst gesagt. Wie kommt das?

Sohmen-Pao: Die Entfernungen für den Öltransport haben sich in kurzer Zeit erheblich vergrößert. Um Öl von Russland nach Europa zu bringen, braucht ein Schiff etwa fünf Tage. Weil russisches Öl über den Seeweg nicht mehr nach Europa kommen darf als Folge des Ukrainekrieges, wird es aus dem Nahen Osten und Asien nach Europa transportiert. Das dauert um die 30 Tage. Größere Entfernungen bedeuten, dass es mehr Schiffe braucht.

STANDARD: Damit steigen auch die Transportkosten.

Sohmen-Pao: Normalerweise würden sich die Investoren in so einem Umfeld darauf stürzen und mehr Schiffe bauen. Aber wir bekommen sehr stark von der Politik und der Gesellschaft signalisiert: Investiert nicht in Öl, baut keine Schiffe, die Öl verbrennen. Was der Kraftstoff der Zukunft ist, der bei Schiffen zum Einsatz kommt, wissen wir aber noch nicht. Ein Tanker ist 25 bis 30 Jahre unterwegs, hat also eine sehr lange Lebensspanne. Das Risiko, mit viel Geld auf die falsche Technologie zu setzen, ist groß. Dazu kommt, dass die Preise für den Transport hoch sind, was das Interesse der Frächter schmälert, in neue Schiffe zu investieren. Die Folge von all dem ist: Niemand baut Öltanker. Daher gibt es einen Mangel an Kapazitäten. Das treibt Preise und damit den Gewinn der Branche.

STANDARD: Geben Sie uns ein paar Zahlen.

Sohmen-Pao: Die Rendite ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, lag aber in der ersten Hälfte dieses Jahres im Geschäft mit dem Erdöltransport auf See bei 25 bis 45 Prozent. Öltanker bringen eine gewaltige Dividende.

STANDARD: Gibt es ein bestimmendes Element im Geschäft mit Öl und Gas auf See?

Sohmen-Pao: Die Energiemärkte sind unglaublich flexibel, und der Schifffahrtsmarkt ist unglaublich flexibel. Mithilfe der Schifffahrt können wir in enormem Tempo eine schwimmende Pipeline bilden, um Lücken in der Versorgung zu schließen. Ein Beispiel: Als die Gaspipelines von Russland nach Europa gestoppt wurden, hat die Schifffahrt die Energieströme umgeleitet. Letztes Jahr floss also viel US-amerikanisches LNG nach Europa und viel Öl via Raffinerien im Nahen Osten und Indien nach Europa.

STANDARD: Wenn Ihre Schiffe mit Gas und Öl befüllt werden, ist es dann schon an jemanden konkret verkauft?

Sohmen-Pao: Einiges davon ist im Voraus verkauft. Manchmal gibt es Händler, die Ladungen kaufen und erst später entscheiden, wo und an wen sie geliefert werden. Manchmal legen unsere Schiffe aber auch ab, ohne ihr Ziel zu kennen. Es kann also sein, dass sie eine Öl- oder Gasladung haben, die den Atlantik überquert – und dann auf halber Strecke umkehren und eine andere Route wählen. Dies ist nicht die Norm, kommt aber vor.

Zwischen 25 und 45 Prozent Rendite lassen sich binnen eines Jahres mit einem Öltanker erzielen, sagt Andreas Sohmen-Pao.
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STANDARD: Als jemand, der sein Geld mit dem Transport von fossilen Energieträgern verdient – ist die Vermutung richtig, dass Sie ein Gegner von zu strengen Klimaschutzauflagen sind?

Sohmen-Pao: Ganz und gar nicht. Ich bin ein großer Fan und Befürworter des grünen Wandels. Ich glaube an die Existenz des Klimawandels und denke, wir müssen einen Übergang in unseren Wirtschaftssystemen vollziehen. Wir wollen Schiffe erwerben, die mit sauberen Kraftstoffen betrieben werden, und wir verbessern die Effizienz unserer Flotte. Wir plädieren auch für die Einführung einer CO2-Bepreisung auf Schifffahrtemissionen.

Standard: Weil diese Kosten letztlich alle Unternehmen gleich treffen würden?

Sohmen-Pao: Die Kosten würden alle gleich treffen, und der CO2-Preis würde an die Konsumentinnen und Konsumenten weiterverrechnet werden. Aber die Schifffahrt ist eine derart effiziente Art und Weise, um Waren zu transportieren, dass der Endkunde diesen Aufschlag de facto kaum merken würde. Ich kann mich an die exakten Berechnungen nicht mehr erinnern, aber ein Preis von 100 Dollar je Tonne CO2 würde die Kosten für ein paar Sneakers um sechs Cent erhöhen. Apple hat kürzlich berechnen lassen, dass es um 95 Prozent effizienter ist, iPhones auf dem Seeweg zu versenden als auf dem Luftweg. Es steht außer Frage, dass die Schifffahrt der beste Weg ist, um Dinge auf dem Planeten zu transportieren.

STANDARD: Warum gibt es dann diese Steuer noch nicht, wenn ein führender Industrievertreter dafür plädiert?

Sohmen-Pao: Der Beschluss müsste von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) kommen, der 175 Länder angehören. Viele Staaten befürworten das, einige der großen Länder sind skeptisch. Eine große Frage ist, was mit den Einnahmen aus so einer Steuer geschehen soll. Nationalstaaten mögen nicht, wenn Steuern außerhalb ihres eigenen Systems eingehoben werden. Das wäre aber bei der Schifffahrt der Fall. Schätzungen besagen, dass bei einem Preis von 50 Dollar je Tonne CO2 weltweit 50 Milliarden Dollar eingenommen würden. Man müsste sich überlegen, wer das Geld bekommt. Das ist aber ein recht komfortables Problem.

STANDARD: Ein Ziel, auf das sich die IMO geeinigt hat, ist eine Reduktion der Emissionen. Die Schifffahrt ist für etwa drei Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.

Sohmen-Pao: Bis 2030 müssen wir die CO2-Emissionen in der Schifffahrtsindustrie um 20 bis 30 Prozent reduzieren. Bis 2050 sollen sie um 100 Prozent sinken. Das scheint mir überambitioniert zu sein. Je weiter man in die Zukunft blickt, desto vorsichtiger bin ich mit der Aussage, es sei unmöglich, diese Ziele zu erreichen, denn der menschliche Erfindungsreichtum in Verbindung mit der Macht der Technologie ermöglicht uns erstaunliche Dinge. Aber für die nahe Zukunft klingt das überambitioniert.

STANDARD: Warum?

Sohmen-Pao: Eines unserer Tochterunternehmen ist der führende Lieferant von Batterien für die maritime Industrie. Die Branche wächst. Aber dabei geht es nur um den Kurzstreckenseeverkehr, um Fähren und Schlepper. Einige Kreuzfahrtschiffe verwenden batterieelektrischen Strom. Aber für den Langstreckentransport auf See kann man keine Batterien verwenden, weil das unmöglich ist. Diese Schiffe sind zu groß und zu schwer.

Kein Zweifler am Klimawandel: Sohmen-Pao.
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STANDARD: Welche Alternativen zu Verbrennermotoren gibt es dann?

Sohmen-Pao: Biokraftstoffe, Methanol oder Ammoniak.

STANDARD: Wo liegt das Problem, diese Kraftstoffe zu nutzen?

Sohmen-Pao: Die einfachste Lösung wäre, Biokraftstoffe und Methanol einzusetzen, weil man sie wie Öl verbrennen kann. Tanks und Schiffe müssten nicht komplett umgerüstet werden. Wenn man Ammoniak zum Antrieb verwendet, muss es unter anderen Bedingungen gelagert werden: Es muss gekühlt werden oder unter Druck stehen. Außerdem ist es ein giftiges Gas. Ammoniak erfordert also neue Motoren, neue Schiffe und eine neue Versorgungsinfrastruktur, während Methanol und Biokraftstoffe kurzfristig einfacher zu handhaben sind. Das Problem bei Biokraftstoffen ist, dass es zu wenig davon gibt. Wir wollen keine Lebensmittel verwenden und mit der Nahrungsmittelindustrie konkurrieren. Man muss also Biomasse nehmen, die niemand nutzt, Lebensmittelabfälle und tierische Abfälle. Aber dann muss man eine Menge Abfälle sammeln, um eine kleine Menge Kraftstoff zu erzeugen. Bei Methanol ist das Problem, dass bei der Verbrennung CO2 in die Luft abgegeben wird. Damit ist auch das klimaschädlich, außer der Kohlenstoff für Methanol wurde zuerst aus der Luft entnommen, was aber technisch sehr schwierig ist.

STANDARD: Sie haben russisches Öl erwähnt. Transportieren Sie dieses? Erlaubt ist es ja, allerdings schreiben EU und USA vor, dass das Öl nicht über einem bestimmten Preis, 60 Dollar je Barrel, gekauft werden darf.

Sohmen-Pao: Wir transportieren es nicht. Aus Sicherheitsgründen, was die Routen im Schwarzen Meer betrifft. Zum Teil aber, weil es schwierig ist, das Sanktionsregime mit der Preisobergrenze für russisches Öl einzuhalten. Wir können nicht immer nachprüfen, welcher Preis für Öl vom Händler, der es gekauft hat, tatsächlich gezahlt wurde. Das Öl fließt weiter, aber es wird mit einer Art Schattenflotte verschifft.

STANDARD: Wie läuft das ab?

Sohmen-Pao: Einige dieser Unternehmen transportieren Öl und halten sich beim Einkauf an die Preisobergrenze. Dann schlagen sie hohe Transportkosten drauf. Der Endpreis für das Produkt ist somit höher. Es ist also ein Umgehungssystem. Viele der Unternehmen sind im Nahen Osten registriert. (András Szigetvari, 22.10.2023)