Merz und Scholz
"Wir brauchen jetzt entschlossenes und gemeinsames Handeln", heißt es in einem Brief von Merz (im Vordergrund) an Scholz.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Braunschweig/Wien – In der Bundesrepublik Deutschland hat Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine gemeinsame Arbeitsgruppe für einen "Deutschlandpakt Migration" vorgeschlagen. "Wir brauchen jetzt entschlossenes und gemeinsames Handeln", heißt es in einem Brief des CDU-Chefs an Scholz. Zusammen mit CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt biete er "eine kleine, paritätisch besetzte Verhandlungsgruppe" aus Regierung und Unionsfraktion an. Er habe noch keine Antwort auf seine Vorschläge bekommen, die er dem Kanzler bei einem Gespräch von Ländervertretern mit Scholz Freitag vor einer Woche übergeben hatte. Der Brief liegt der Nachrichtenagentur Reuters vor.

Die deutsche Bundesregierung verhandelt mit den Bundesländern über eine Reihe von Punkten beim Thema Migration. Ein Bündel an Entscheidungen, das auch die künftige Finanzierung der Kosten für Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen und Migrantinnen und Migranten enthält, soll am 6. November auf einem Treffen des Kanzlers mit den 16 Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder beschlossen werden. Die Stimmen der Union im Bundestag sind dagegen für die Ampel-Regierung bei diesen Reformen nicht notwendig. Scholz hatte Merz dennoch zu dem Gespräch mit den Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz hinzugebeten, weil er bei dem politisch heiklen Thema Migration eine Verständigung von Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Opposition möchte.

Kanzleramt machte Ländern neue Vorschläge

Das Kanzleramt hatte den Ländern in dieser Woche neue Vorschläge gemacht und in einem Reuters vorliegenden Schreiben betont, dass aktuell davon auszugehen sei, dass im Gesamtjahr 2023 mehr als 300.000 Menschen aus Drittstaaten Asylerstanträge in Deutschland stellen werden. "Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass die Zahl der im Wege der irregulären Migration nach Deutschland Kommenden deutlich und nachhaltig gesenkt werden muss", heißt es in dem Entwurf für eine gemeinsame Position.

Die Debattenlage ist aber kompliziert: Unionsgeführte Länder und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterscheiden sich in ihren Forderungen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wiederum schert aus der Allianz mit den CDU-Länderchefs aus und distanzierte sich am Freitag nachträglich von den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz, an denen er selbst mitgewirkt hatte. Diese seien "halbherzig", sagte er. Söder hatte Scholz mit Blick auf seiner Meinung nach notwendige Entscheidungen in der Asylpolitik sogar aufgefordert, Grüne und FDP aus der Ampel-Regierung zu werfen und mit der Union als Juniorpartner zu regieren. Dies stieß allerdings nicht nur in der Ampel-Regierung auf Ablehnung, sondern auch bei CDU-Chef Merz.

Unionsfraktion fordert mehr stationäre Grenzkontrollen

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag will nun etwa, dass Visa nur noch an Angehörige eines Staates erteilt werden sollen, wenn dieser zur Rücknahme abgelehnter Asylwerber bereit ist. Personen, die bereits in anderen EU-Staaten einen Asylantrag gestellt haben und registriert wurden, sollen an EU-Binnengrenzen zurückgewiesen werden. Sie sollen Sozialleistungen nur in dem Staat erhalten, in dem sie registriert wurden, fordert die Unionsfraktion. Erneut wird die Aufnahmefähigkeit Deutschlands mit einer Grenze von 200.000 Asylbewerbern und Asylbewerberinnen jährlich angegeben. Diese Festlegung gilt aber im Kreis der zuständigen Bundesländer – bis auf Bayern – als unsinnig.

Die Unionsfraktion fordert zudem mehr stationäre Grenzkontrollen sowie die Einrichtung spezieller Transitzonen und Rückkehrzentren. Für abgelehnte Asylwerberinnen und Asylwerber, die nicht abgeschoben werden können, und Personen im Asylverfahren soll ein Sozialleistungsniveau unterhalb des Niveaus des Bürgergelds eingeführt werden.

Söder hält zur Eindämmung der hohen Zuwanderungszahlen eine Grenzpolizei in ganz Deutschland notwendig, wie der CSU-Politiker am Samstag in Braunschweig beim Deutschlandtag der Jungen Union (JU) sagte. "Wir brauchen eine solche Grenzpolizei für ganz Deutschland an der Grenze, es reicht nicht nur in Bayern, wir brauchen das insgesamt." Es werde nicht reichen, ein paar stationäre Grenzkontrollen zu haben, sagte Söder. In Bayern gibt es seit fünf Jahren eine Grenzpolizei. Söder forderte Bundeskanzler Scholz zum Handeln in der Migrationskrise auf. Der Kanzler müsse liefern, sagte Söder. Beim Thema Migration habe man nicht ein oder zwei Jahre Zeit. Dann liege man falsch, betonte Söder. (APA, 21.10.2023)