Cyril Ramaphosa beim Gipfeltreffen von Kairo an diesem Wochenende.
Cyril Ramaphosa beim Gipfeltreffen von Kairo an diesem Wochenende.
AFP/KHALED DESOUKI

Südafrikas Regierung hat sich als mögliche Vermittlerin im Nahostkonflikts ins Spiel gebracht – ein Vorschlag, der keineswegs so unrealistisch ist, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag. Am Rand des Kairoer Gipfeltreffens erklärte sich Präsident Cyril Ramaphosa bereit, die Erfahrungen seines Landes bei der "Lösung von Konflikten zur Verfügung zu stellen" – wie das bereits auf dem afrikanischen Kontinent und in anderen Teilen der Welt geschehen sei.

Damit spielt der Präsident des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) nicht nur auf die historische Verständigung im eigenen Land an, die vor 30 Jahren einen Bürgerkrieg verhindert und eine demokratische Verfassung hervorgebracht hat. Südafrikas Regierung war zehn Jahre später auch an einem Friedensschluss in der Demokratischen Republik Kongo beteiligt, und Ramaphosa selbst schlichtete erfolgreich im Nordirlandkonflikt. Derzeit versucht der angesehene Unterhändler, auch im Krieg in der Ukraine zu vermitteln.

Viele weisen auf die Ähnlichkeit des einstigen südafrikanischen mit dem Nahostkonflikt hin: Israel wird von seinen Feinden weithin sogar als "Apartheid-Staat" bezeichnet. Von israelischer Seite wird jedoch auf die enge Verbindung zwischen dem ANC und den Palästinensern hingewiesen: Eine Vermittlung Südafrikas sei ungefähr so, wie wenn Belarus im Streit zwischen Russland und der Ukraine schlichten wollte, spottet der Vizepräsident des jüdischen Deputiertenausschusses in Südafrika, Zev Krengel.

Jahrelange Radikalisierung

John Stremlau, an der Johannesburger Witwatersrand-Universität lehrender Politologe aus den USA, sieht allerdings auch Vorzüge der Nähe Pretorias zu der Sache der Palästinenser: "In einer Zeit, in der sich die USA und der größte Teil Europas mit dem Selbstbestimmungsrecht und den Sicherheitsinteressen Israels identifizieren, könnte Südafrikas Verständnis für dieselben Ziele der Palästinenser ein moralisches und diplomatisches Gegengewicht bilden." Politologe Steve Friedman geht noch einen Schritt weiter: Ohne massiven Druck würde sich die israelische Regierung niemals zu Verhandlungen bereiterklären.

Allerdings wird auch auf einen entscheidenden Unterschied zwischen dem Nahost- und dem einstigen Konflikt in Südafrika hingewiesen. Dort sah die weiße Minderheitsregierung schließlich ein, dass es ohne politische Lösung keine Zukunft geben kann – während auf der anderen Seite die wichtigste Persönlichkeit des schwarzen Befreiungskampfs, Nelson Mandela, alles einsetzte, um der weißen Bevölkerung ihre Furcht zu nehmen. Auf diese Weise wurde sowohl der reaktionäre Flügel der weißen wie der radikale Flügel der schwarzen Politik isoliert: eine Entwicklung, von der im Nahen Osten noch jedes Anzeichen fehlt.

In den vergangenen Jahren habe sich sowohl die israelische wie die palästinensische Seite dramatisch radikalisiert, meint die Direktorin des Südafrikanischen Instituts für Internationale Angelegenheiten, Elizabeth Sidiropoulos: Der Gaza-Krieg treibe diese Radikalisierung vollends auf die Spitze. Unter solchen Voraussetzungen gebe es für eine südafrikanische Vermittlung zumindest derzeit keinen Raum. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 22.10.2023)