Fast ein Jahr ist es mittlerweile her, da gab es etwas, das man den "ChatGPT-Moment" nennen könnte. Durch die Veröffentlichung seines auf generativer KI basierenden Chatbots löste OpenAI einen regelrechten Hype um das Thema aus. Was folgte, waren manchmal mehr, meist aber weniger informierte Debatten über die Auswirkungen dieser Technologie auf Gesellschaft und Tech-Industrie.

Eine Reihe an iPhone 15.
Das iPhone 15 ist ein gutes Smartphone, bei KI-Features hinkt man aber der Konkurrenz hinterher.
AFP/PATRICK T. FALLON

Klar ist jedenfalls, dass unterschiedliche Unternehmen unterschiedlich gut auf den Hype vorbereitet waren. So hat etwa Microsoft sehr schnell sehr geschickt reagiert, bei Google dauerte es zwar ein paar Wochen länger, im Endeffekt konnte das Unternehmen aber rasch auf seine langjährige Expertise in diesem Bereich zurückgreifen. Nur von einer Firma hörte man in diesem Zusammenhang zunächst ziemlich wenig: Apple.

Investitionen

Mittlerweile hat sich das nachhaltig geändert, wie Apple-Experte Mark Gurman bei Bloomberg ausführt. Das Unternehmen will massiv in generative KI investieren und diese in zahlreiche seiner Produkte integrieren – allen voran in kommende Versionen des iPhone-Betriebssystems iOS. Als Beispiel nennt Gurman etwa eine verbesserte Version des Sprachassistenten Siri sowie dessen Integration bei iMessage. So könnte dann dort die KI genutzt werden, um Fragen direkt an dieser Stelle zu beantworten oder auch eine bessere Autovervollständigung anzubieten.

Klingt alles interessant, zeigt aber auch auf, wie stark Apple derzeit in diesem Bereich hinterherhinkt. Ähnliche Funktionen hat Google nicht nur rund um den Launch seiner Pixel-Smartphones bereits vor einigen Wochen vorgezeigt, sie sollen auch bald verfügbar sein. Davon dürfte Apple hingegen noch ein Stück entfernt sein, das iPhone hatte in dieser Hinsicht zuletzt wenig Neues zu bieten.

Expertise

Dabei hat Apple eigentlich ziemlich viel Expertise im Bereich Maschinenlernen. Kommen doch auch beim iPhone mittlerweile viele gemeinhin als "künstliche Intelligenz" bezeichnete Methoden zum Einsatz. Von der Smartphone-Fotografie bis zur Gesichtserkennung und natürlich zu aktuellen Versionen von Siri – all das wäre ohne Maschinenlernen nicht denkbar.

Was man aber offenbar tatsächlich verschlafen hat, ist der Trend zu großen Sprachmodellen (Large Language Models, kurz LLMs), die auf riesige Datenmengen trainiert werden, um dann auf Anfragen verblüffend echt wirkende Antworten liefern zu können – ChatGPT, Bard oder Stable Diffusion sind bekannte Beispiele. Dass Apple dies als Fehler sieht, betont auch ein Mitarbeiter gegenüber Bloomberg: "Es gibt viele Ängste in dieser Hinsicht, und es wird intern als ein ziemlich großer Fehler angesehen", zitiert der Bericht.

Nun will man aber mit voller Kraft den Rückstand aufholen. Die Federführung sollen dabei Apples KI-Boss John Giannandrea sowie Software-Chef Craig Federighi übernommen haben, auch der Leiter der Servicesabteilung, Eddy Cue, soll involviert sein. Rund eine Milliarde Dollar will Apple dem Bericht zufolge dieses Jahr in dieses Unterfangen investieren. Bereits vor einigen Monaten war durchgesickert, dass Apple unter dem Namen Ajax ein eigenes LLM entwickelt hat, und dass man unter dem schnöden Namen Apple GPT auch Erfahrungen mit der Chatbot-Entwicklung sammelt.

Viele offene Fragen

Auch wenn die grundlegende Zielsetzung klar ist, nämlich generative KI in zahlreiche Apple-Produkte einzubringen – wie schnell das geht und wie das konkret aussehen soll, scheint noch offen zu sein. Immerhin ist generative KI auf einem Smartphone zu verwenden leichter gesagt als getan, da solche Systeme sehr rechenintensiv sind. So verwendet Google direkt auf dem Smartphone laufende LLMs nur für einen Teil der neuen KI-Features, für aufwendigere Berechnungen – etwa den eigenen "Magic Editor", um Bilder umzugestalten – greift man auf die Cloud zurück.

Diese Realität stellt wiederum Apple vor eine schwere Wahl, lehnt man dort doch solche Cloud-Hilfe bisher aus Privatsphärengründen grundlegend ab. Mit rein lokal laufender KI wird man in Hinblick auf die Funktionalität aber vorerst nicht mit der Konkurrenz mithalten können. So klingt zwar ein Teil der im Bericht anvisierten Ideen von Apple durchaus realistisch für eine lokale Nutzung, also etwa die Formulierungshilfe in iMessages oder auch besser individualisierte Playlists in Apple Music. Der Rest aber eben nicht.

So soll Apple an einem Schreibassistenten für die Textverarbeitung Pages arbeiten – ähnlich, wie es Microsoft und Google bereits vor einiger Zeit vorgezeigt haben. Auch Pläne für eine KI-Hilfe beim Programmieren in der Entwicklungsumgebung XCode hegt das Unternehmen angeblich. Alles Dinge, die ohne Cloud-Anbindung vorerst aber (noch) nicht umzusetzen sein dürften. (Andreas Proschofsky, 23.10.2023)