Thomas Aeschi.
Thomas Aeschi sieht "seine" SVP nach der Wahl im Aufwind.
AFP/FABRICE COFFRINI

Kaum hatte die Schweizerische Volkspartei (SVP) am Sonntag bei der Parlamentswahl ein glänzendes Ergebnis eingefahren, konzentrierten sich ihre Anführer schon wieder auf ihr bevorzugtes Thema: die "schädliche links-grüne Asyl- und Zuwanderungspolitik". SVP-Chef Marco Chiesa betonte, die Eidgenossenschaft habe ein "Problem mit der Migration". Und SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi drohte: "Die Konsequenz dieser Wahl wird eine härtere Zuwanderungs- und Asylpolitik sein."

Allerdings dürfte es der SVP schwerfallen, in den nächsten vier Jahren die Migration zu begrenzen oder sogar der gesamten Politik ihren Stempel aufzudrücken. "Eine rechte Revolution wird nicht ausbrechen in der Schweiz", heißt es in einer Analyse des Schweizer Senders SRF. Dafür sind die Rechtspopulisten einfach zu schwach. Die SVP gewann zwar Mandate im Nationalrat hinzu, doch von einer Mehrheit bleibt sie weit entfernt. Selbst im Bündnis mit der wirtschaftsfreundlichen FDP könnte sie keine Mehrheit im Nationalrat erreichen.

"Zauberformel"

Zudem müssen sich die zwei SVP-Minister der Kabinettsdisziplin in der siebenköpfigen Regierung beugen. Dort, im Bundesrat, sind die vier größten Parteien gemäß der "Zauberformel" vertreten. Bisher stellten neben der SVP auch die Sozialdemokraten und die FDP je zwei Minister; die Mitte, früher Christlichdemokratische Volkspartei, einen. Doch diese Konstellation könnte sich nun ändern. Die Mitte-Partei hat die FDP als drittstärkste Kraft abgelöst und ist nach den Regeln der Konkordanzdemokratie befugt, Anspruch auf einen zweiten Ministerposten zu erheben.

Die SVP dürfte jedoch den Rückenwind aus der Wahl nutzen, um noch öfter die Instrumente der direkten Demokratie für ihre Zwecke zu nutzen. Fraktionschef Aeschi kündigte eine Volksabstimmung über die Asylpolitik an. Ein Kernelement dieser "Grenzschutzinitiative" sollen "geschlossene Transitzonen" sein, die Asylwerber während ihres Verfahrens nicht verlassen dürfen. Dagegen stellt sich vor allem die sozialdemokratische SP, die bei der Wahl leicht zulegen konnte.

Die andere Partei des linken Spektrums musste hingegen eine herbe Niederlage einstecken: Die Grünen rutschten ab und können nun ihre Ambition auf einen Ministerposten nicht mehr laut formulieren. Ihr Parteichef Balthasar Glättli erklärte den Verlust an der Urne so: Es gebe immer mehr Menschen, "die denken, die Klimakrise sei schon so weit fortgeschritten, dass man nichts mehr machen könne, dass eine gewisse Resignation herrscht". (Jan Dirk Herbermann aus Genf, 23.10.2023)