Eine Gemeinsamkeit immerhin sticht ins Auge: Die Riege der republikanischen Bewerber in der peinlichen Seifenoper um die Neubesetzung des Speakers im US-Repräsentantenhaus ist komplett männlich. Acht Weiße und ein Afroamerikaner haben ihre Hüte für den protokollarisch dritthöchsten Posten der USA in den Ring geworfen. Doch die meisten Namen müssen selbst professionelle Kapitol-Beobachter erst einmal googeln. Sie gehören zu Hinterbänklern.

Niemand weiß, wann der US-Kongress seine Arbeit wird wiederaufnehmen können. Die Republikaner sorgen für Stillstand.
REUTERS/EVELYN HOCKSTEIN

Nach drei Wochen des Chaos und dem Scheitern des Hardliners Jim Jordan am vorigen Freitag steht die Mehrheitsfraktion im US-Kongress wieder bei null. Anfang Oktober hatten acht Trump-treue Ultrarechte Kevin McCarthy gestürzt, weil sich dieser mit den Demokraten auf einen Kompromiss für einen Übergangshaushalt geeinigt hatte. Seither versuchen die Republikaner vergeblich, mit ihrer Mehrheit von 221 zu 212 Stimmen einen Nachfolger zu installieren. Ohne einen Vorsitzenden ist das Parlament handlungsunfähig. Weder Hilfen für die Ukraine und für Israel noch der US-Haushalt können beschlossen werden.

"Ich werde diesen Kindergarten nicht weitermachen lassen", kündigte Dan Meuser aus Pennsylvania an, der sich für den Speaker-Posten bewirbt. Doch angesichts der Zerstrittenheit der republikanischen Fraktion erscheint es höchst fraglich, dass er oder einer seiner innerparteilichen Konkurrenten die erforderlichen 217 Stimmen erhält.

Unklarer Zeitplan

Zunächst sollten sich die neun Anwärter am Montagabend (Ortszeit) fraktionsintern präsentieren. Am Dienstag dann wollen die Republikaner sich auf einen Namen einigen. Wann im Repräsentantenhaus abgestimmt wird? Unklar.

Als Favorit gilt der 62-jährige Tom Emmer, der House Majority Whip (vergleichbar mit einem parlamentarischen Geschäftsführer). Dadurch hat er viele Kontakte und ist allen Kollegen bekannt. Anders als sieben seiner Mitbewerber hat Emmer den Wahlsieg von Joe Biden bei der Wahl 2020 anerkannt.

Das aber könnte zum Problem werden: Der frühere Präsident Donald Trump soll Stimmung gegen den Ex-Eishockey-Trainer gemacht haben. Tatsächlich hatte Emmer den Kandidaten Trump 2016 und 2020 unterstützt. Für die Wahl im nächsten Jahr hat er aber noch keine Empfehlung ausgesprochen. Um die Unterstützung des ultrarechten Parteiflügels wird er daher hart kämpfen müssen.

Gleichzeitig drängt nach drei Wochen des parlamentarischen Stillstands die Zeit: Schon Mitte November droht ein Shutdown. In der Bevölkerung wie in der Republikaner-Fraktion wachsen Frust und Verbitterung. Zwei Drittel der Amerikaner fordern in einer aktuellen Umfrage der Zeitung USA Today und der Suffolk University, das Repräsentantenhaus müsse "so schnell wie möglich" einen Speaker wählen. Auch 57 Prozent der republikanischen Wähler unterstützen diese Position. Die Selbstblockade seiner Partei sei inzwischen "beschämend", räumte der gestürzte Parlamentschef McCarthy am Wochenende ein.

Beobachter in Washington glauben, dass es vor diesem Hintergrund diese Woche zum Showdown kommen könnte: Sollten es die Republikaner erneut nicht schaffen, einen eigenen Kandidaten durchzubringen, könnten moderatere Konservative ihre Fühler zu den oppositionellen Demokraten ausstrecken.

Notlösung?

Der Abgeordnete Mike Kelly will dann eine Resolution einbringen, die die eigentlich nur protokollarischen Befugnisse des amtierenden kommissarischen Parlamentschefs Patrick McHenry so ausweitet, dass dieser Gesetzesentwürfe einbringen und das Repräsentantenhaus wieder arbeiten kann.

Der Trump-Flügel der Republikaner hat entschiedenen Widerstand dagegen angekündigt. Die beispiellose Notlösung müsste deshalb mit Stimmen der Demokraten beschlossen werden.

Niemand weiß, wann der US-Kongress seine Arbeit wird wiederaufnehmen können. Die Republikaner sorgen für Stillstand. (Karl Doemens aus Washington, 24.10.2023)