Universität Wien Hauptgebäude
Ein Projekt befasste sich mit problematischen Figuren, die von der Universität Wien geehrt wurden.
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Wien – Die Universität Wien hat im Zuge eines Projekts zur Aufarbeitung ihrer Ehrungspraxis Auszeichnungen von 28 Personen als "problematisch" eingestuft – darunter jene der Nobelpreisträger Konrad Lorenz und Richard Johann Kuhn beziehungsweise des Medizinpioniers Theodor Billroth. Die Ehrung weiterer 39 Personen wurde außerdem als "diskussionswürdig" eingeordnet. Aberkennungen wurden nicht eingeleitet – stattdessen habe man sich für eine Sichtbarmachung und Kontextualisierung entschieden.

Für das Projekt wurden alle seit dem 500-Jahr-Jubiläum der Uni im Jahr 1865 vergebenen insgesamt 1.577 Ehrungen untersucht – etwa Ehrendoktorate, Ehrensenatorwürden oder Ehrentafeln. "Geschichte kann man nie abschaffen", betonte Rektor Sebastian Schütze bei einer Pressekonferenz am Dienstag. "Aber man hat schon die Aufgabe, Geschichte immer wieder neu zu kommentieren, kontextualisieren und einzuordnen." Man habe sich gegen symbolische posthume Aberkennungen entschieden – stattdessen wolle man in dem vom Zeithistoriker Oliver Rathkolb geleiteten Projekt die problematischen Ehrungen sichtbar machen.

Dazu wurden die betreffenden Biografien der Personen auf der Website 650plus/Geschichte der Universität Wien entsprechend ergänzt und gekennzeichnet. Das Projekt sei aber nach wie vor ein "Work in Progress", betonte Schütze. Die Dokumentation sei nicht in Stein gemeißelt – online könnten immer wieder auch neue Quellen eingearbeitet werden.

Vergangenheit in NSDAP

Als "problematisch" wurden 33 Ehrungen für 28 Personen eingestuft (manche Personen wurden mehrfach geehrt, Anm.). Das sind solche, die in der Öffentlichkeit durch antisemitische, rassistische beziehungsweise faschistische Handlungen hervorgetreten sind beziehungsweise Vorurteile in Richtung "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" geäußert haben.

In diese Kategorie fällt etwa Lorenz, dem ein Denkmal gewidmet wurde. Der spätere Nobelpreisträger habe den "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich mit Euphorie begrüßt, sei Parteimitglied wie auch Mitglied des Rassenpolitischen Amts der NSDAP gewesen und habe seine Forschungen in den Dienst nationalsozialistischen Denkens gestellt. Billroth (zwei Denkmäler/Ehrentafel) wiederum habe im 19. Jahrhundert den rassistischen Antisemitismus als Leitmotiv für Universitätslehrer proklamiert, so Rathkolb. Der Chirurg gelte trotz seines späteren Zurückruderns heute als "akademischer Pionier des rassistischen Antisemitismus".

Ebenfalls als "problematisch" eingestuft wurden die Ehrungen des Dichters Josef Weinheber (Ehrendoktorat), des Schriftstellers Robert Hamerling (Ehrentafel) oder des ehemaligen Uni-Wien-Rektors und Präsidenten der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Albin Lesky (Ehrensenator und Ehrentor).

Diskussionswürdige Wissenschafter

In die Kategorie "diskussionswürdig" fallen die 56 Ehrungen von 39 Personen, die eher formal Ideologien oder Funktionäre unterstützt haben, die durch antisemitische, rassistische und faschistische Äußerungen beziehungsweise Handlungen hervorgetreten sind beziehungsweise Vorurteile in Richtung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit propagiert haben. Das sind etwa einfache NSDAP-Mitglieder ohne weitere Funktionen und öffentliches Engagement. Auch hier findet sich mit dem Psychiater Julius Wagner-Jauregg ein Nobelpreisträger (zwei Ehrendoktorate, zwei Denkmäler), darüber hinaus mit Ex-Kanzler Ignaz Seipel (Ehrendoktorat, Denkmal) und dem früheren Kardinal Theodor Innitzer (Ehrendoktorat, Ehrenzeichen, zwei nach ihm benannte Stipendien, Preise, Stiftungen) Personen der Zeitgeschichte oder mit Ex-Rektor und Ex-ÖAW-Präsident Richard Meister hohe akademische Funktionäre.

Bei den Namenseinträgen wird zunächst sichtbar gemacht, warum die jeweiligen Ehrungen beziehungsweise Personen als problematisch beziehungsweise diskussionswürdig eingestuft werden. Erst dann folgen die Kurzbiografien samt Leistungen. Im Rahmen des Projekts wurden an den jeweiligen Denkmälern beziehungsweise Ehrentafeln keine sichtbaren Markierungen angebracht, allerdings wurden diese bereits im Rahmen anderer Aufarbeitungen teils mit QR-Codes versehen.

Chronologisch wurden die ersten Ehrungen für die Personen bereits im 19. Jahrhundert vergeben. Die letzten wurden noch in den 1990er-Jahren vorgenommen. Das den Nobelpreisträgern der Uni gewidmete Denkmal wurde sogar erst Mitte der 2000er-Jahre vorgestellt. (APA, 24.10.2023)