Geht's Ihnen wie mir? Ich stelle einen gewissen Grad an Übersättigung mit US-amerikanischen Serien fest. Abends überfliege ich die algorithmusgesteuerte Auswahl im Streamingdschungel und finde immer öfter: nichts. Auch in dieser Hinsicht werden einander altes Schemafernsehen und auch nicht mehr ganz neues On-Demand-Schauen ähnlicher. Eine Auswahl muss getroffen werden. Die Bestenliste für November enthält dieses Mal besonders viele Empfehlungen für Serien aus Europa und anderswo sowie erfreulicherweise doch auch einige starke Stücke aus den USA.
Alles Licht, das wir nicht sehen
Die vierteilige Miniserie nach dem Roman von Anthony Doerr erzählt die Geschichte der blinden Marie-Laure (Aria Mia Loberti), die mit ihrem Vater aus dem besetzten Paris zu ihrem Onkel nach St. Malo am Meer flieht. Im Gepäck haben sie ein besonders kostbares Stück aus dem Pariser Muséum National d'Histoire Naturelle. Ebenfalls in St. Malo hält sich der Wehrmachtsoldat Werner Pfennig (Louis Hofmann) auf. Er soll Feindsender aufspüren, die die Résistance mit Daten versorgen. Schon die Vorlage wurde für stark triefende Anteile kritisiert. Die Serie setzt dem noch eins – nein, mehr – drauf. Kitschorgie der schlimmen Sorte. 2.11., Netflix
Mandy
Der Horror beginnt im Karl-Marx-Hof. Kahle Bäume, eine Kinderschaukel wiegt im Wind, sie quietscht. Im Keller fließt Blut. Aus Freundschaft, wird signalisiert. Aber das ist ein Irrtum, wie sich herausstellt. Dass eine ebenfalls anwesende, dunkel gekleidete Dame das Blut vom Messer abschleckt, deutet schon darauf hin. Es geht um ein Ritual, ein Dämon soll beschworen werden. Jene, die es abhalten, sind mit dem Thema nicht ganz vertraut. Umso erstaunlicher ist, dass es klappt: Also hinein in den Nachtgarten, in Kürze wird ein Menschenherz gereicht. Schlabadabadu! Ziemlich ansatzlos und direkt kommt der Horror in "Mandy", inszeniert vom Österreicher Andreas Schmied für Amazon Prime. Horrorserien gab es mit österreichischer Beteiligung zuletzt nicht ganz oft. Dieser hier merkt man eine große Freude am Inszenieren von Schlitz-, Ritz- und Schlachtszenen unter kenntnisreicher Anwendung digitaler Hilfsmittel und Pointenschleuderei an. Wenn sich darüber hinaus noch eine richtige Story ausgegangen wäre, wäre der Spaß komplett. 3.11., Amazon Prime+
Unwanted
28 schiffbrüchige Migranten werden im Mittelmeer vom Kreuzfahrtschiff Orizzonte aufgegriffen. Die Urlauber an Bord sind plötzlich mit der harten Realität der Fluchtmigration konfrontiert, Wegschauen geht nicht. Die Flüchtlinge setzen alles daran, nicht zurück nach Afrika zu müssen, und verhalten sich zum Teil der von ihnen erwarteten Rolle – unterwürfig, dankbar, unsichtbar – nicht entsprechend. Oliver Hirschbiegel hat ein beklemmendes Serienstück inszeniert, das manchmal direkt an unser Gewissen appelliert. Etwas mehr Raum für eigenes Nachdenken und weniger vorgesagte Worte wären mehr gewesen. 3.11., Sky
Lawmen: Bass Reeves
Die kanadische Serie erzählt von Bass Reeves, einem ehemaligen Sklaven, der im Jahr 1875 zum Marshal des Bezirks Indian Territory ernannt wird. Reeves ist der einzige schwarze Marshall in diesem Gebiet und muss sich gegen die Vorurteile der weißen Bevölkerung durchsetzen. Als erfahrener Schütze und Reiter hat er einen Ruf als unerschrockener Gesetzeshüter. David Oyelowo ist in der Hauptrolle zu sehen, Dennis Quaid und Donald Sutherland spielen unerschrockene alte, weiße Männer. 5.11., Paramount+
The Curse
Emma Stone ("La La Land") und Nathan Fielder ("The Rehearsal") sind frisch verheiratet und renovieren gemeinsam für eine Show ein Haus – bis sie von einem Fluch getroffen werden. In "The Curse" steckt viel Humor, aber auch Horror und Drama. Wie zu erwarten, kann Emma Stone alles! 11.11., Paramount+
Schnee
Die Ärztin Lucia Salinger zieht mit ihren beiden Kindern Alma und Jonas und ihrem Ehemann Matthi in dessen Heimatort, das Tiroler Bergdorf Rotten. Die zehnjährige Alma leidet unter Asthma, die Bergluft soll Linderung bringen. So weit der Plan.
Doch in Rotten scheint etwas nicht zu stimmen. Die Leute sind misstrauisch und zurückhaltend, und es gibt Gerüchte über einen alten Fluch, der das Dorf heimsucht. Als Alma eines Tages verschwindet, beginnt Lucia zu ermitteln. Sie stößt auf eine Reihe von mysteriösen Geheimnissen, die die Vergangenheit des Dorfes und die Schicksale ihrer Bewohner zu enthüllen drohen. Die Drehbücher stammen von Kathrin Richter und Jürgen Schlagenhof sowie Michaela Taschek, basierend auf einer Idee von Michaela Taschek. Catalina Molina hat inszeniert. Bearbeitet wurde die Geschichte von der im September 2021 verstorbenen Produzentin Ursula Wolschlager und Filmemacherin Barbara Albert, die die Produktion gemeinsam mit Produzentin Gabriela Bacher auch künstlerisch begleitet hat.* Brigitte Hobmeier spielt die Hauptrolle, Robert Stadlober und Maria Hofstätter sind auch dabei. Mehr muss ich dazu schon gar nicht mehr wissen. 13.11., ORF 1
*Richtigstellung: Die Idee zur Serie hatte Michaela Taschek.
A Murder at the End of the World
Brit Marling hat die Serie konzipiert, Serienschauende kennen sie aus "The OA", eine der verstörendsten Sci-Fi-Serien aus dem Hause Netflix, aus einer Zeit, als Netflix noch nicht Serienkonserven in Massen produzierte. In "A Murder at the End of the World" geht es um eine Gruppe von acht Gästen, die von einem mysteriösen Milliardär zu einem Retreat in einer abgelegenen und atemberaubenden Location eingeladen werden. Als einer der Gäste ermordet wird, muss sich die Gruppe zusammenschließen, um den Mörder zu finden, bevor es zu einem weiteren Mord kommt. Marling spielt selbst eine der Hauptrollen, als Amateurdetektivin mischt sich Emma Corrin ("The Crown") unter die Verdächtigen. Große Vorfreude! 14.11., Disney+
Deutsches Haus
1963 findet in Frankfurt der erste Auschwitz-Prozess statt. In dieser Serie sorgt die junge Dolmetscherin Eva Bruhns (Katharina Stark) für ein Aufbrechen des kollektiven Schweigens, auf das sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft geeinigt hat. Das Ausmaß des Verdrängens wird Bruhns insbesondere im Zusammenhang mit ihren Eltern klar, die ein dunkles Geheimnis zu verbergen haben. Annette Hess ist eine eindringliche und mahnende Zeithistorienserie gelungen mit direkten Verbindungen zu heute. Wer wegschaut, macht sich schuldig. Zu sehen sind beeindruckende schauspielerische Leistungen, allen voran Anke Engelke als Evas sperrige Mutter und natürlich Iris Berben, die als Jüdin Rachel Cohn einen Auftritt bei einem Prozess hat, der ob seiner Intensität sprachlos macht. 15.11., Disney+
The Crown
Zum sechsten und letzten Mal gibt sich die Serien-Queen die Ehre. Imelda Staunton schließt ab, und das vermutlich mit Pauken und Trompeten: Es geht um die späten 1990er- und die erste Hälfte der 2000er-Jahre. In dieser Zeit gab es für die britische Königsfamilie viele Veränderungen, darunter den tragischen Tod von Prinzessin Diana im Jahr 1997.
Die ersten Folgen der Staffel werden sich daher vor allem um den Tod Dianas drehen, die Reaktionen und die Folgen für die Königsfamilie und für Dianas Söhne, Prinz William und Prinz Harry. Weitere Ereignisse von royaler und staatstragender Bedeutung, die in der Serie behandelt werden, sind das 50. Thronjubiläum der Queen, der Irakkrieg, die Hochzeit von Prinz Charles und Camilla Parker Bowles sowie die Abdankung von Königin Beatrix der Niederlande, und Prinz Williams spätere Ehefrau Kate Middleton tritt auf den Plan. Damit hat eine weitere Erfolgsserie von Netflix ihr Ende. Nach gleichwertig hochwertigem Ersatz wird man suchen müssen. Warum es nicht weitergeht, obwohl die Royals doch noch genügend Stoff hergeben würden? Queen-Kenner Peter Morgan hat dem Vernehmen nach genug. Man kann's ihm nicht verdenken. 16.11., Netflix
Monarch: Legacy of Monsters
San Francisco steht in Flammen, regiert wird die Stadt von der Familie Monarch, einer Dynastie von, ja, Monstern. Diese führen eine Schreckensherrschaft, wenn das so weitergeht, steht die Welt nicht mehr lang. Dieses Bild präsentiert sich der jungen Nicol, Spross der Monarch-Familie. Sie ist entschlossen, den schlechten Ruf zu verbessern und die Welt für alle zu einem besseren Ort zu machen. Die Monarch-Familie ist in Konflikt mit den Kaiju, einer Rasse riesiger Monster, die die Welt erobern wollen. Die Monarch-Familie ist auch in Konflikt mit den Titans, einer Rasse intelligenter Monster, die in der Unterwelt leben. An der Seite in dieser Dystopie-Actionserie aus dem Monsterverse hat sie mit Kurt Russell einen starken und kampferprobten Gefährten. 17.11., Apple TV+
Fargo 5
Minnesota erinnert mich als Kind der Sitcoms zuallererst an die "Golden Girls". Die göttliche Rose Nylond begann ihre Geschichten immer mit "Bei uns in Sankt Olaf", worauf skurrile Storys über klavierspielende Hühner oder Geneukenfleuken-Kuchen folgten. Im Grenzgebiet zwischen North Dakota und Minnesota spielt die fünfte Staffel von "Fargo", und wieder mangelt es nicht an skurrilen Typen, für die die reale Stadt seit dem Film der Coen-Brüder Kulisse ist. Die Hauptfigur dieses Mal ist Dot Lyon, eine scheinbar typische Hausfrau aus der Mittelschicht, die plötzlich in eine Welt der Gewalt und des Verbrechens hineingezogen wird. Nach einer Reihe unerwarteter Ereignisse wird Dot von Sheriff Roy Tillman, einem korrupten Gesetzeshüter, gejagt. Dot muss sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen und sich entscheiden, ob sie sich ihrer Vergangenheit stellen oder weiter fliehen will. Es geht um rivalisierende Verbrecherfamilien, um Drogen und darum, wer in Fargo das Sagen hat. Juno Temple, wir kennen sie aus "Ted Lasso", spielt die feurige Dot, Jon Hamm ("Mad Men") gefällt auf Anhieb in der Rolle des Sheriffs. Noah Hawley zeichnet wieder als Showrunner verantwortlich. Das sieht nach einem großen Spaß aus. 22.11., Canal+
Squid Game: The Challenge
Attention, all players! Grundsätzlich klingt alles wie gehabt: 456 Kandidatinnen und Kandidaten nehmen an einem Spiel teil, um einen hohen Geldpreis zu gewinnen. Anders: Dieses Mal geht es um echte Mitspielende. "The Challenge" ist Reality-TV auf Basis der südkoreanischen Hitserie. Die Spiele in der Show sind die gleichen wie in der Originalserie, darunter "Rotes Licht, grünes Licht", "Zuckerstangenziehen", "Tug of War", "Marbles", "Glass Stepping Stones" und "Squid Game". Die Spieler werden in Teams oder allein antreten und müssen ihre Strategie, Geschicklichkeit und Ausdauer einsetzen, um weiterzukommen. Wie weit gehen Menschen, um Geld zu gewinnen? Hier werden wir es vielleicht erfahren. 22.11., Netflix
Frohes Schauen und kommen Sie gut durch den November, wünscht Ihnen Ihre Prie-View. (prie, 1.11.2023)