Es ist zum Himmelschreien: Thiem fehlten oft nur Zentimeter um eine sehenswerte Partie zu drehen.
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Eine Rückhand Zentimeter neben die Linie, ein Ball, der am Netzband hängen bleibt, eine Vorhand, die sich wie ein Schluck Wasser in der Kurve anfühlt: Für Dominic Thiem fehlt nicht viel, um die besten Tennisspieler der Welt zu schlagen. In der erste Runde der Erste Bank Open in Wien schlurfte Thiem am Ende dann doch wieder mit geknickter Miene und einer 6:7, 4:6-Niederlage gegen Stefanos Tsitsipas vom Platz.

Spätestens seit dem Jahr 2019 und dem Sieg bei den Erste Bank Open hat der Niederösterreicher eine besondere Beziehung zu Wien. Die Zuschauer wollen auch Thiem schauen gehen, wenn sich der 30-Jährige gegen den drohenden Fall aus den Top 100 der Tennis-Welt stemmt. 9500 Fans sorgten für eine traumhafte Stimmung. Der US-Open-Champion von 2020 war sichtlich motiviert, musste sich aber im elften Duell mit dem Griechen Tsitsipas zum sechsten Mal geschlagen geben.

In der Stadthalle war es phasenweise wieder ein Genuss wie seinerzeit, als Thiem seine Gegner noch reihenweise verputzte. Sowohl auf Vor- als auch Rückhand waren da Ansätze des alten Dominic Thiem zu sehen. Beim Stand von 2:2 roch der Niederösterreicher im ersten Satz an einem Break, doch Tsitsipas konnte nach 0:30 das Game noch holen. Die nächste Chance bei 5:5 und Einstand: Ein Fehler mit der Rückhand. Schade. Im Tie-Break zeigte Tsitsipas dann kurz Nerven, Thiem konnte aber zwei zwischenzeitliche Mini-Breaks nicht nutzen, 7:6 für den Griechen. Tennis kann ein fürchterlicher Sport sein.

Arschknapp: Am Ende musste Thiem (r.) seinem Kontrahenten Stefanos Tsitsipas gratulieren.
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Die Frage bleibt immer dieselbe: Kommt er noch einmal zurück oder nicht? Nach einem Formhoch im Sommer mit dem Finaleinzug in Kitzbühel erkrankte Thiem während der Nordamerika-Turniere. Nach den US Open folgte die nächste Talsohle, zuletzt gab es zwei Achtelfinal-Niederlagen bei einem Challenger in Bratislava und beim 250er-Turnier in Antwerpen.

In Wien wirkte Thiem wieder richtig gut in Schuss. Im zweiten Satz kämpfte er sich nach einem 1:3-Rückstand wieder in die Partie, beim Stand von 2:3 und 3:4 erhob sich bei entscheidenden Bällen zweimal die Netzkante gegen den Niederösterreicher. Tsitsipas servierte nicht immer souverän, brachte seinen Break-Vorteil aber bis zum 6:4-Satzgewinn durch. Es ist eine knappe Niederlage, die ins Bild passt für Thiem in einer Saison, die auch anders verlaufen hätte können.

"Die Niederlage ist das Bitterste am heutigen Tag. Weil spielerisch war die Leistung echt gut. Wie ich mich bewegt und gespielt habe, war schwer in Ordnung. Wie ich mich präsentiert habe, auch", sagte Thiem in einer ersten Reaktion im ORF. "Es ist auf Kleinigkeiten angekommen", so der 17-fache ATP-Turniersieger.

Gegen Top-50-Spieler lautet die Bilanz 2023 für Thiem nun 4:10. Gegen Spieler, die zwischen Rang 51 und 100 rangieren, steht es 8:11. Seine Jahresbilanz: 17 Siege, 22 Niederlagen. Es fehlte in manchen Momente nicht viel, manche schwächer platzierte Gegner sind ausgerechnet gegen den Niederösterreicher über sich hinausgewachsen. Thiem bleibt selbstkritisch. "Ich war dieses Jahr zu oft einfach nicht gut genug. Deshalb stehe ich dort, wo ich jetzt stehe." (Florian Vetter, 24.10.2023)