Washington – Nur kurz währte die Freude von Tom Emmer. Am Dienstag hatten ihn die Republikaner im US-Repräsentantenhaus zum neuen Kandidaten für den Vorsitz der Parlamentskammer bestimmt. Nur vier Stunden später war der Höhenrausch schon wieder vorbei. Emmer sei aus dem Rennen, berichteten US-Medien am Dienstagabend.

Der Vertreter des traditionell-konservativen Parteiflügels hatte sich am Dienstag fraktionsintern als Kandidat für die Nachfolge des vor drei Wochen abgesetzten Vorsitzenden Kevin McCarthy durchgesetzt. Die Nummer drei der Republikaner-Fraktion kam in der letzten Abstimmungsrunde auf 117 Stimmen, der Zweitplatzierte Mike Johnson bekam 97 Stimmen.

Mehrheit von 217 Abgeordneten nötig

In der Folge signalisierten aber 26 Abgeordnete, dass sie Emmer bei der Wahl zum Vorsitzenden im Plenum nicht unterstützen wollen. Angesichts der knappen Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus hatte der Vertreter des Partei-Establishments damit keine Chance, im Plenum zum Speaker gewählt zu werden.

Für eine Wahl zum Speaker ist eine Mehrheit von 217 Abgeordneten nötig. Die Republikaner verfügen derzeit mit 221 Abgeordneten nur über eine knappe Mehrheit in der Kongresskammer, die Demokraten von Präsident Joe Biden stellen 212 Abgeordnete.

Tom Emmer war nur kurz Kandidat der Republikaner für das Amt des US-Speakers.
Tom Emmer war nur kurz Kandidat der Republikaner für das Amt des US-Speakers.
AFP/SAUL LOEB

Der 62-Jährige war bisher der sogenannte Einpeitscher ("Majority Whip") bei den Republikanern: Das bedeutet, dass er der Parteiführung im Repräsentantenhaus dabei hilft, Mehrheiten in der Fraktion für vorgeschlagene Gesetze zu bekommen.

Emmer galt lange Zeit als Vertrauter, später aber auch als interner Gegner des als Sprecher vor einigen Wochen von innerparteilichen Gegnern abgesetzten McCarthy. Als einziger der am Dienstag angetretenen Kandidaten stimmte er 2021 nicht für die Aberkennung des Präsidentschaftswahl-Ergebnisses von 2020.

Keine Unterstützung von Trump

Der zunächst von den Republikanern nominierte Mehrheitsführer Steve Scalise zog seine Kandidatur zurück, nachdem klar wurde, dass er die notwendige Mehrheit verfehlen würde. Der daraufhin nominierte rechte Hardliner Jim Jordan fiel im Plenum bei drei Anläufen klar durch. Die Fraktion entzog dem Trump-Vertrauten daraufhin am vergangenen Freitag die Nominierung. Nun scheiterte auch der 62-jährige Emmer.

Ein Problem für Emmer dürfte die fehlende Unterstützung Trumps gewesen sein. Dessen Anhänger hatten vor der Wahl in der Fraktion in sozialen Netzwerken Stimmung gegen Emmer gemacht. Auch Trump selbst meldete sich am Dienstag zu Wort. Es wäre ein "tragischer Fehler", würden die Republikaner Emmer nominieren. Dieser habe "völlig den Kontakt zu den republikanischen Wählern verloren". Der konservative Anwalt vertritt seit 2015 den US-Bundesstaat Minnesota in der Parlamentskammer.

Das US-Repräsentantenhaus steht nun seit drei Wochen ohne ordentlich gewählten Vorsitzenden da. Die gesetzgeberische Arbeit im Parlament ist damit gelähmt. McCarthy wurde Anfang Oktober in einer historischen Abstimmung von dem Posten abgewählt. Radikale Republikaner hatten ihn aus dem Amt getrieben. Es war das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses auf diesem Weg seinen Job verlor. (APA, red, 24.10.2023)