Kräne und Bauschutt zwischen Neubauwohnungen in einer ländlichen Siedlung.
Strengere Kreditvergaben, hohe Zinsen und horrende Baukosten: Immer weniger Menschen nehmen Kredite für den privaten Wohnbau auf, die Baubranche steht unter Druck. Wifo-Chef Felbermayr regt an, Vergaberichtlinien aufzuweichen, um die Baukonjunktur anzukurbeln.
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Hohe Preise, ein starker Rückgang bei den Aufträgen und zahlreiche Insolvenzfälle: In der Bauwirtschaft herrscht spätestens seit diesem Jahr Flaute. Grund dafür sind vor allem die steigenden Kreditzinsen, die die Finanzierung von Projekten schwieriger machen.

Als mitverantwortlich sieht Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), aber auch die schärferen Regeln bei der Vergabe von privaten Immobilienkrediten. Laut Felbermayr sollten die Regeln überdacht werden, damit sich die Krise in der Bauwirtschaft nicht dauerhaft festsetzt. Aber könnte das tatsächlich helfen?

Befürchtung von Ausfall

Die sogenannte KIM-Verordnung, die auf Vorschlag des Finanzmarktstabilitätsgremiums (FMSG) erlassen wurde, gilt seit August 2022. Ziel war es, eine sich anbahnende Immobilienblase zu verhindern.

Laut Berechnung der Europäischen Zentralbank waren Österreichs Immobilien Anfang 2022 um zu bis zu 40 Prozent überbewertet und zu einem hohen Anteil mit variablen Krediten finanziert. Die Aussicht auf steigende Zinsen nährte die Befürchtung, dass Häuslbauer ihre Raten nicht mehr bezahlen und Kredite in großem Stil ausfallen könnten.

Die Verordnung sollte die Vergabe von neuen Krediten einbremsen: Private Kredite dürfen seit August 2022 eine Beleihungsquote von maximal 90 Prozent haben. Das bedeutet, dass Käufer rund 20 Prozent des Kaufpreises einer Immobilie aus Eigenmitteln finanzieren müssen. Die Kreditraten dürfen höchstens 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen, die Laufzeit maximal 35 Jahre.

Einbruch bei Kreditvergaben

Die Vergabe von neuen Krediten brach daraufhin Mitte 2022 stark ein. Grund dafür waren die seither stark steigenden Zinsen, zu einem gewissen Grad aber auch die KIM-Verordnung. Politikerinnen und Politiker um Finanzminister Magnus Brunner und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) forderten mehrfach eine Aufweichung der Kriterien; die Finanzmarktaufsicht stellte sich bislang strikt dagegen. Die mit der KIM-Verordnung gültigen Kreditvergabestandards selbst seien langfristig "gerade noch vertretbar", sagte etwa FMA-Vorstand Helmut Ettl jüngst.

Über einen gewissen Spielraum verfügen die Kreditinstitute zudem schon bisher. Mittels Ausnahmekontingenten dürfen insgesamt 20 Prozent des Kreditvolumens einer Bank diese Grenzen überschreiten. Zudem sind Kredite bis 50.000 Euro ausgenommen, um etwa Sanierungen oder den Umstieg auf erneuerbare Energieträger leichter finanzieren zu können. Zudem wurde die KIM-Verordnung Anfang 2023 leicht novelliert, um Zwischenfinanzierungen mit bereits bestehenden Immobilien zu erleichtern.

Vorschlag für Reform

Aus Sicht von Gabriel Felbermayr ist das aber offenbar nicht genug. Zwar sei das derzeitige Regelwerk wichtig, gleichermaßen müsse aber bedacht werden, dass sich die Krise in der Baubranche verfestigen und somit negativ auf die grüne Transformation der Wirtschaft auswirken könne. Einen Ansatzpunkt zur Belebung des Bausektors sieht der Wifo-Chef etwa beim erforderlichen Anteil des Nettohaushaltseinkommen an der monatlichen Kreditrate.

Statt auf Prozentbeträge sollte man auf absolute Beträge abstellen, erklärte der Ökonom bei der Aufsichtskonferenz der Finanzmarktaufsicht. Ein Umschwenken auf Absolutwerte "würde das Anliegen der Verordnung nicht aussetzen", betont Felbermayr, könne aber dennoch einen Schritt "in die richtige Richtung" setzen.

Keine Änderung des Kernproblems

An den Kernproblemen für die Bauwirtschaft – Inflation und steigende Zinsen – würde das kaum etwas ändern. Zum einen gelten die höheren Vergabestandards nur für private Kredite. Institutionelle Bauträger sind davon nicht betroffen. Und auch bei privaten Wohnbaukrediten ist der Hauptgrund für den Rückgang der gestiegene Zinssatz, wie aus einer aktuellen Studie der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) hervorgeht.

Auch ein internationaler Vergleich deutet darauf hin, dass es nicht vorrangig die KIM-Verordnung ist, die der österreichischen Bauwirtschaft zusetzt. Der Rückgang bei der Nachfrage entwickelte sich etwa in Deutschland und im gesamten Euroraum, wo die Kriterien nicht verschärft wurden, ähnlich wie in Österreich.

Im Gegensatz zu anderen Staaten ist in Österreich vor der Einführung der neuen Vergaberichtlinien allerdings ein gewisser Vorzieheffekt spürbar. Viele Menschen haben früher als geplant einen Kredit aufgenommen, um die neuen Kriterien zu umgehen. Deshalb fiel der Rückgang in den ersten Monaten nach Einführung der neuen Kriterien zwar stärker aus, bewegt sich jetzt aber wieder auf dem Niveau der Eurozone.

Warum aber hält das Finanzmarktstabilitätsgremium dann aber überhaupt noch an den strengeren Vergabestandards fest, wo doch offenbar die höheren Zinsen "reichen", um die Nachfrage nach Krediten zu senken? Grund ist wohl, dass nicht nur die Höhe des vergebenen Kreditvolumens entscheidend ist, sondern auch dessen Absicherung.

Zumindest an der Zinsfront bahnt sich für die Bauwirtschaft jedenfalls eine leichte Entspannung an: Laut Beobachterinnen und Beobachtern wird die Europäische Zentralbank bei ihrer Sitzung am Donnerstag die Zinsen nicht weiter anheben. Das Plateau dürfte also erreicht sein. (Jakob Pflügl, Nicolas Dworak, 25.10.2023)