Es ist kurz vor zehn Uhr morgens, als Donald Trump am Dienstag nahe der Fifth Avenue eine schwarze SUV-Limousine besteigt und über den FDR Drive zum Supreme Court im Süden von Manhattan braust. Die Sonne scheint, aber die Nachrichtenlage klingt bescheiden für den ehemaligen Präsidenten und seine Partei: In Georgia hat sich Minuten zuvor eine seiner Ex-Anwältinnen der versuchten Wahlfälschung für schuldig bekannt. Und in Washington versuchen die Republikaner nach zwei Kamikaze-Aktionen einmal wieder, einen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses zu wählen.

Donald Trump am Mittwoch im New Yorker Gericht.
Donald Trump am Mittwoch im New Yorker Gerichtsgebäude.
REUTERS/MIKE SEGAR

Doch zunächst geht es für Trump um etwas ganz Persönliches – seinen angeblichen Reichtum. Vor dem New Yorker Gericht wird nämlich darüber verhandelt, ob der Immobilienmogul und seine engsten Mitarbeiter jahrelang bewusst den Wert seines Imperiums aufgebläht haben, um an günstigere Kredite und Versicherungsverträge zu kommen. Für den Narzissten ist das eine Frage der Ehre. Wohl auch deshalb nimmt er an dem Prozess persönlich teil.

Drei Dramen gleichzeitig

Das Schuldeingeständnis in dem Wahlfälschungsverfahren in Georgia, die Konfrontation im Betrugsprozess in New York und der Showdown der republikanischen Chaostruppe in Washington: Es ist purer Zufall, dass sich diese drei Dramen innerhalb weniger Stunden parallel entwickeln. Doch auf allen drei Bühnen ist Trump der Hauptdarsteller, und überall geht es um seine Lügen und seine Versuche, mit allen Mitteln unbegrenzte Macht zu erhalten.

Am Ende dieses Tages wird der 77-Jährige vor Gericht zwei heftige Konter erfahren haben. Politisch aber landet er einen Coup: Den dritten Kandidaten der Fraktion für das Amt des Parlamentssprechers hat er abgeschossen und damit den Weg für den ihm genehmen Erzkonservativen Mike Johnson freigemacht, der dann am Mittwoch tatsächlich gewählt wird.

Die erste Szene an diesem Dienstag spielt in Georgia. Im dortigen Fulton County sind Trump und 18 Verbündete wegen gemeinschaftlicher Versuche, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 ins Gegenteil zu verkehren, angeklagt. Zwei ehemalige Anwälte Trumps sind schon eingeknickt. Am Dienstag bekennt sich mit Jenna Ellis die dritte Anwältin der Beihilfe zur Falschaussage für schuldig.

Vor den Geschworenen gibt sich die 38-jährige Juristin als Opfer. "Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich es abgelehnt, Donald Trump zu vertreten", sagt sie schluchzend mit feuchten Augen. Die Krokodilstränen mögen gespielt sein, um das Strafmaß zu mildern. Entscheidend ist: Die Sache wird ernst für Trump. Mindestens drei seiner Anwälte sind nun in Georgia bereit, ihn vor Gericht zu belasten.

Mit Trump gebrochen

Das ist Michael Cohen ebenfalls, der ehemalige "Mann fürs Grobe" des Baulöwen, der auch die Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels arrangierte und dafür zweieinhalb Jahre ins Gefängnis wanderte. Vor fünf Jahren hat er mit Trump gebrochen, ihn als "Betrüger" und "Hochstapler" bezeichnet.

An diesem Dienstag stehen sich die beiden einstigen Weggefährten im New Yorker Supreme Court erstmals wieder gegenüber. Cohen belastet seinen ehemaligen Chef schwer: "Ich wurde von Trump angehalten, den Gesamtwert seines Vermögens entsprechend einer Zahl anzuheben, die er willkürlich vorgab", bezeugt der Ex-Anwalt.

Johnson für Trump "großartiger Speaker"

Von 13 Uhr bis 14.30 Uhr wird die Verhandlung im Saal 300 eine Mittagspause unterbrochen. Trump nutzt die Zeit offenbar, um sich über die Entwicklung im Speaker-Drama der Republikaner in Washington zu informieren, wo die Fraktion nach Chaostagen und zwei gescheiterten Kandidaturen gerade im dritten Anlauf den Parlamentarischen Geschäftsführer Tom Emmer für den Posten nominiert. Das passt Trump gar nicht, denn Emmer hat im Januar 2021 für die Anerkennung der Präsidentschaftswahl von Joe Biden gestimmt. Trump feuert auf seiner Plattform eine Breitseite gegen den Kandidaten ab und warnt: "Seine Wahl wäre ein schwerer Fehler." Ein Blattschuss. Zwei Stunden später gibt Emmer auf.

Noch am Abend nominiert die zunehmend frustrierte Fraktion ihren vierten Kandidaten: Es ist der Abgeordnete Mike Johnson aus Louisiana - ein Hinterbänkler. Viele kennen den 51-Jährigen kaum, aber er gilt als stramm konservativ, hat das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 bestritten und wird von Donald Trump unterstützt. Das sind in diesen Tagen die entscheidenden Kriterien für eine Karriere bei den Republikanern.

Am Mittwoch wird Johnson dann mit allen Stimmen seiner Fraktion in das dritthöchste Staatsamt der USA gewählt. Trump ist zufrieden: "Das ist ein großartiger Speaker", sagt er - erneut in einer Verhandlungspause des New Yorker Prozesses. Und grinsend setzt er hinzu: "Ich bin froh, dass ich helfen konnte." (Karl Doemens aus Washington, 25.10.2023)