Zwei Philippinerinnen mit Gepäckwagen am Flughafen
Arbeitsmigration ist für viele Menschen von den Philippinen ein erstrebenswertes Ziel. Die Regierung fördert den Export von Arbeitskräften und hilft bei der Rückkehr.
AFP/JAM STA ROSA

Knapp 10.000 Kilometer Luftlinie ist Manila von Wien entfernt, gut 16 Stunden dauert der Flug – die Philippinen liegen nicht gerade vor der Haustür. Dennoch ist der aus 7.600 Inseln bestehende Archipel im Südosten Asiens auch für Österreich zu einem Hoffnungsträger in Sachen Fachkräfterekrutierung geworden.

Die Fühler wurden erstmals in den 1970er-Jahren ausgestreckt. Während es damals aber ausschließlich um philippinische Krankenschwestern ging, die den Personalnotstand in Wiener Spitälern lindern sollten, geht es jetzt um mehr. Mittlerweile fehlt in fast allen Bereichen der Wirtschaft qualifiziertes Personal.

Absichtserklärung

So haben erst jüngst wieder 80 Prozent der heimischen Unternehmen angegeben, dass sie bestehende Lücken bei Fachkräften trotz steigender Arbeitslosenzahlen nicht füllen können. Mittel- bis längerfristig dürfte es eher noch schlimmer statt besser werden, das zeigt der Verlauf der demografischen Kurve. Deshalb hat sich nun eine Wirtschaftsdelegation, angeführt vom Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) und Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf, auf den weiten Weg nach Manila begeben, um alte Beziehungen wieder mit Leben zu erfüllen und auszubauen. Kurz vor dem Nationalfeiertag wurde im Ministerium für Migration in der philippinischen Hauptstadt ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das den geordneten Arbeitskräftetransfer von den Philippinen nach Österreich ankurbeln helfen soll.

Die Philippinen haben bereits unter Langzeitpräsident Ferdinand Marcos (1965–1986) den Export von Arbeitskräften quasi zur Staatsdoktrin erhoben. So wie andere Länder Öl, Weizen oder Maschinen ausführen, vermittelten die philippinische Regierung bzw. von ihr ins Leben gerufene Agenturen vorwiegend junge Erwachsene in Erwartung großer Devisenzuflüsse in alle möglichen Teile der Welt. Von den knapp 120 Millionen Einwohnern des Inselstaats arbeiten an die 14 Millionen im Ausland und tragen zwischen acht und elf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Zuletzt landeten gut 32 Milliarden Dollar in den Staatskassen – Geld, das die im Ausland tätigen Philippinerinnen und Philippiner in ihre Heimat rücküberwiesen haben.

Arbeitsmigration

Im Lauf der Jahrzehnte wurde das System verfeinert und optimiert, bis der jetzige Präsident Ferdinand "Bongbong" Marcos, 2022 noch eines draufsetzte: Kurz nach seinem Amtsantritt ordnete der Sohn des längst verstorbenen Diktators an, dass alle Agenden betreffend philippinische Migranten und Migrantinnen aus dem Arbeitsministerium herausgelöst und an ein neu geschaffenes Migrationsministerium übertragen werden. Dieses kann sich vor Nachfragen kaum erwehren.

Delegationen aus vielen Ländern, die der Bedarf an Arbeitskräften eint, geben sich in Manilas Regierungsviertel derzeit die Klinke in die Hand. Kanada, das schon 1,1 Millionen Menschen aus den Philippinen im Land hat, war zum wiederholten Male da und möchte noch mehr. Abordnungen aus Deutschland, Ungarn und Tschechien haben ebenfalls vorgesprochen.

Gut ausgebildet

Frauen wie Männer von der Inselgruppe sind gerade in Gesundheitsberufen bzw. in der Pflege sehr begehrt, nicht zuletzt aufgrund der guten Ausbildung, die sie in ihrer Heimat genießen. Das Hauptmotiv für eine zumeist zeitlich befristete Arbeitskarriere im Ausland ist ökonomischer Natur: Philippiner können ein Vielfaches dessen verdienen, was sie in ihrer Heimat für dieselbe Arbeit bekommen.

Die ersten Arbeitsmigranten von den Philippinen, die ab 1974 nach Österreich kamen, waren überwiegend Frauen, die als Krankenschwestern in Wiener Spitälern beschäftigt wurden. Bis Mitte der 1980er-Jahre kamen auf diese Weise 800 Philippinerinnen ins Land, die mittlerweile alle in Pension sind. Derzeit sind in Österreich knapp 6.000 philippinische Staatsbürger registriert, wovon rund 5.800 unselbstständig beschäftigt sind.

Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKO, Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler, Hans Leo J. Cacdac, Migrationsministerium, Manila, Patricia Yvonne M. Caunan, Migrationsministerium, Manila.
Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKO, und Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler schlossen diese Woche ein Memorandum of Understanding (MOU) über Arbeitsmigration ab.
DER STANDARD / Strobl

Ministerium will Leute wieder zurückholen

Das Migrationsministerium ist darauf bedacht, dass die in Übersee Arbeitenden auch wieder heil in die Heimat zurückkommen und prüft die Arbeitsverträge ganz genau. Nach einem Memorandum of Understanding, das im Juli in Wien unter Einbindung von Vertretern der Bundeshauptstadt und beschränkt auf den Gesundheitsbereich unterzeichnet wurde, gibt es nun eine ganz Österreich umfassende und sich auf alle Mangelberufe beziehende Absichtserklärung. Dabei will man aufs Tempo drücken.

Personalvermittler, die Teil der Wirtschaftsmission waren, sind guter Dinge, dass sich Bedarf und Angebot matchen lassen. Doch auch für sie ist vieles Neuland. Erst seit der Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte im Herbst vergangenen Jahres, die bei Erfüllung gewisser Kriterien einen erleichterten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ermöglicht, können sie auch in Drittstaaten außerhalb der EU nach Arbeitskräften suchen.

Personalvermittler gefragt

Eine dieser Personalvermittlungsagenturen ist Recareity. Sie hat ihren Sitz in Graz und wird von Jann H. Siefken geleitet. Eine Partneragentur vor Ort habe man bereits gefunden. Das sei die Voraussetzung dafür, dass man Personal von den Philippinen nach Österreich vermitteln könne, sagte Siefken dem STANDARD. Nun gehe es darum, Prozesse wie die Nostrifizierung, also die Anerkennung der Ausbildungstitel, zu beschleunigen und andere bürokratische Hemmnisse abzubauen.

Mit einem ersten Schwung an philippinischen Arbeitskräften in Österreich könne realistischerweise nicht vor Mitte bis Ende kommenden Jahres gerechnet werden, schätzt Staatssekretärin Kraus-Winkler. Selbst wenn die Austrian Business Agency (ABA) den Betroffenen helfend zur Seite stehe und die Überseeorganisation des Migrationsministeriums in Manila eine eigene Betreuungsstelle für Arbeitskräfte auch in Wien plane: Gute Vorbereitung gehe nicht in Nullkommanichts, so die Politikerin.

Trotz harter Konkurrenz um die begehrten Arbeitskräfte glaubt man in der österreichischen Delegation nach Gesprächen in Manila, gute Karten in der Hand zu haben. "Sound of Music" sei der Anknüpfungspunkt schlechthin, den viele der musik- und karaokebegeisterten Philippiner zu Österreich haben, sagte WKO-Generalsekretär Kopf. Auch wenn die Geschichte der Trapp-Familie aus dem in der Nachkriegszeit entstandenen Musical in Österreich kaum bekannt ist, kennt man die Texte oder zumindest die Melodien auf den Philippinen fast auswendig. (Günther Strobl aus Manila, 27.10.2023)