Der kosovarische Premier Albin Kurti und der serbische Präsident Aleksandar Vučić trafen am Donnerstag mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz, dem französische Präsidenten Emmanuel Macron und der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni in Brüssel zusammen. Die Gespräche der europäischen Politiker mit Vučić und Kurti fanden allerdings jeweils getrennt voneinander statt.

Konkret ging es um den bereits vor Monaten von Frankreich und Deutschland unterbreiteten Vorschlag eines Rahmenabkommens zwischen den beiden Staaten, ähnlich dem deutsch-deutschen Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Dieses Abkommen sollte es ermöglichen, dass sich die Beziehungen zwischen Serbien, das Kosovo nicht als unabhängigen Staat anerkennt, und Kosovo verbessern.

Serbiens Präsident Vučić steht auf der Bremse.
AFP/OLIVER BUNIC

Zudem hatten westliche Emissäre vor einer Woche einen Vorschlag für die Schaffung eines Verbands der vier serbischen Gemeinden im Norden Kosovos unterbreitet. So ein Gemeindeverband wurde 2013 in einem Abkommen vereinbart, doch bislang waren die Vorstellungen, welche Funktionen der Gemeindeverband haben soll, unklar. Serbien will Exekutivvollmachten, die es möglich machen würden, dass sich Belgrad in die internen Angelegenheiten Kosovos einmischt, Kosovo stellt sich hingegen eher einen Kulturverein ohne Exekutivvollmachten vor. Die kosovarische Regierung ist mit dem Vorschlag der westlichen Emissäre einverstanden. Insofern ist davon auszugehen, dass der Gemeindeverband keine Exekutivvollmachten haben soll.

Sicherheitsbedenken

Kurti betonte nun in Brüssel, dass das Rahmenabkommen, das im März in Ohrid vorgelegt wurde, umgesetzt werden müsse. Er wollte auch den Vorschlag für den Gemeindeverband unterschreiben. Doch auch schon im März weigerte sich Vučić, das Abkommen zu unterzeichnen. Am Donnerstag in Brüssel lehnte er dies abermals ab. Kurti betonte, seine Priorität sei nun die Sicherheit für Kosovo – nach dem terroristischen Anschlag serbischer Milizen in Banjska am 24. September, insbesondere auch die Sicherheit der Grenze zu Serbien, wo, wie er sagte, die Angreifer herkamen.

Vučić sagte: "Serbien hat im Einklang mit seiner Politik klar zum Ausdruck gebracht, dass es alle unterzeichneten Abkommen umsetzen will, vom grundlegenden Abkommen im Jahr 2013 bis zu den späteren in Brüssel und Ohrid." Allerdings könne man nicht die Unabhängigkeit des Kosovo akzeptieren oder die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Letzteres hängt allerdings überhaupt nicht von Serbien, sondern von Russland und China ab, die dies im Sicherheitsrat verhindern.

Den Vorschlag der westlichen Emissäre für einen Gemeindeverband bezeichnete Vučić als eine gute Grundlage für die weitere Arbeit in der Zukunft. Kurti behauptete, dass Vučić bei dem Treffen in Brüssel ein Begleitschreiben gefordert habe, das allerdings drei Grundsätze des Rahmenabkommens, des Annexes und des Vorschlags zur Bildung des Gemeindeverbands zunichtemachen würde. Offensichtlich war, dass Vučić Zeit gewinnen wollte. Nach dem Anschlag serbischer Milizen im Norden Kosovos vor einem Monat ist er vermehrt unter Druck gekommen. Denn vieles weist darauf hin, dass Serbien bei dem Terroranschlag seine Finger im Spiel hatte.

Laut dem US-Analysten Daniel Serwer kursiert derzeit ein 51-seitiger vorläufiger Untersuchungsbericht der Republik Kosovo zu dem Terroranschlag in Banjska am 24. September. Demnach führte eine paramilitärische Gruppe von etwa 80 Leuten, die eigens für diesen Zweck rekrutiert, ausgebildet und eingesetzt wurde, den Angriff durch, wobei Serbien schwere Waffen zur Verfügung stellte.

Vorwand für Militärintervention

Das Ziel Belgrads habe darin bestanden, eine Reaktion der Kosovo-Polizei auf Schüsse aus dem Banjska-Kloster auszulösen, die danach als Rechtfertigung für eine serbische Militärintervention hätte dienen sollen – angeblich, um gefährdete serbische Bürger des Kosovo und Pilger aus Serbien zu retten. Der Plan sah demnach vor, Mitglieder der Nato-Truppen KFOR sowie der kosovarischen Polizei herauszufordern, zu bedrohen und möglicherweise zu töten. In der Befehlskette sei – so der kosovarische Bericht – auch der serbische Staat vorgekommen. Dutzende nach Serbien geflohene Täter würden nun von Belgrad vor der Justiz geschützt.

Es bestehe zudem die Gefahr einer Wiederholung, was etwa die Propagandakampagne in Serbien für eine mögliche Invasion in den Kosovo zeige. Die serbischen Streitkräfte hätten die paramilitärischen Täter über einen Zeitraum von zwei Jahren auf Stützpunkten der Armee und des Innenministeriums ausgebildet. Bei dem Training wären auch von den USA gespendete Humvees zum Einsatz gekommen, so der kosovarische Bericht.

Die Paramilitärs hätten dann die Waffen ins Kosovo geschmuggelt, auch versteckt in Rettungswagen. Zu den Waffen gehörten 66 AK-47-Gewehre, neun Maschinengewehre, sechs Scharfschützengewehre, 41 Panzerabwehrraketenwerfer, zwei automatische Granatwerfer, acht Panzerabwehrminen und 122 Handgranaten sowie die entsprechende Munition und mehr als 350 Sprengstoffeinheiten. In dem kosovarischen Bericht wird auch festgehalten, dass weder die USA noch die EU diplomatische Maßnahmen gegen Belgrad ergriffen haben, was Vučić dazu ermutigen würde, Destabilisierungsbemühungen fortzusetzen. (Adelheid Wölfl, 27.10.2023)