Braathen wischt sich eine Träne aus den Augen.
Lucas Braathen zieht sich aus dem Skiweltcup zurück.
AP/Gabriele Facciotti

Lucas Braathen hat am Freitag völlig überraschend seine Karriere für beendet erklärt. Der 23-Jährige führte in einer Pressekonferenz an, die Freude am Skifahren völlig verloren zu haben. Auslöser dürfte ein Streit mit dem norwegischen Skiverband NSF gewesen sein, der strenge Richtlinien im Sponsoring von Athleten hochhält.

"Ich habe mich dafür entschieden, das zu tun, was mich am glücklichsten macht. Das ist meine Definition von Erfolg", sagte Braathen am Freitagvormittag in Sölden. Er hätte die Entscheidung vor vier Wochen getroffen, am Donnerstagabend setzte er seine Teamkollegen über sein Karriereende in Kenntnis.

Braathen betonte teils mit Tränen in den Augen in seinem etwa 20-minütigem Monolog, er habe sich immer geschworen, mit seinem Sport nur "bis zu dem Tag weiterzumachen, an dem es mich nicht mehr so glücklich macht". Nun fühle er sich "zum ersten Mal seit Jahren frei".

"Ich werde als Produkt verkauft"

In den vergangenen Monaten war Braathen in einen Streit mit dem Skiverband über Bildrechte verwickelt. Im Herbst war er Teil einer Werbekampagne für die Modemarke J. Lindeberg, während Norwegens Skiprofis von Helly Hansen ausgestattet werden. Er sei im Anschluss "äußerst respektlos" behandelt worden, sagte Braathen.

Bei einem Medientermin Mitte Oktober sagte Braathen, angesprochen auf das Thema, er wünsche sich mehr Mitspracherecht, mit welchen Marken er in seinem Beruf assoziiert wird. "Es geht nicht um ein Logo. Wir fordern, dass wir unseren Input geben dürfen, wenn diese Deals ausverhandelt werden", sagte er. Und weiter: "Die Privatperson Lucas Braathen ist eingeschränkt in dem, was sie sagen darf. Ich werde als Produkt verkauft. Das wollen wir rechtlich bekämpfen."

Braathen ist nicht der erste norwegische Skisportler, der mit dem eigenen Verband Streit bekommen hat. Der Skiforbundet zwingt sämtliche Mitglieder seiner Mannschaften dazu, nur auf die von ihm vorgegebenen Ausrüster zurückzugreifen. Alle großen Stars wie Johannes Kläbo, Petter Northug (beide Skilanglauf) oder Henrik Kristoffersen (Ski Alpin) hatten deswegen schon teils heftigen Streit mit dem Verband.

Sportdirektor: "Wir sind schockiert"

Am frühen Freitagabend äußerte sich Norwegens Sportdirekter für Ski Alpin in einer kleinen Medienrunde zu Braathens Rücktritt. "Wir waren so überrascht wie alle anderen auch", sagte Claus Johan Ryste. "Wir sind schockiert. So junge Athleten wie Lucas sollten nicht mit 23 Jahren zurücktreten. Wir denken viel über ihn nach, über seine Gründe." Die strengen Regeln zu den Persönlichkeitsrechten wollte Ryste nicht kommentieren. "Es gibt Dinge, die anders laufen hätten können."

Braathen sei laut Ryste ein Mann mit starker Meinung. "Es ist seine Entscheidung. Wir hätten ihn gerne zurück, aber darüber zu spekulieren wäre falsch. Er ist ein großartiger Skiläufer, aber auch ein einmaliger Typ. Er hat große Wirkung auf den Sport." Ob Braathen Sölden schon verlassen hat, war Freitagnachmittag unklar. "Wir können nachschauen", hieß es vom Pressesprecher knapp.

Samba auf der Piste

Falls Braathen die Lust am Skisport wiederfinden sollte, könnte er einen Nationenwechsel beantragen. Dafür bräuchte er die Staatsbürgerschaft des aufnehmenden Verbands sowie eine Absegnung des NSF. Einen solchen Antrag könnte er frühestens vor dem nächsten Frühlingsmeeting der FIS im Mai stellen.

Felix Neureuther bot Braathen auf Instagram an, ihn zu heiraten, um künftig für Deutschland antreten zu können. "Meine Frau hätte absolut nichts dagegen", schrieb Neureuther. Der italienische Abfahrer Christof Innerhofer richtete ihm aus: "Wir brauchen deinen Samba auf den Pisten."

Braathen fixierte im vergangenen März die Slalom-Weltcupkugel.
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Der angebliche Egoist

Die Öffentlichkeit und auch die Medien stehen in diesen Auseinandersetzung allerdings auf der Seite der Funktionäre. Braathen kritisierte deshalb, dass er "einige Monate lang einer Medienkampagne gegen mich" ausgesetzt gewesen sei, "in der behauptet wurde, ich sei ein Egoist, denke nicht an die Gemeinschaft und sei gierig".

Braathen holte in der vergangenen Saison die Kristallkugel im Slalom. Er gewann fünf Weltcuprennen, darunter den Riesenslalom von Sölden 2020. Bei der Skiweltmeisterschaft in Courchevel/Meribel im vergangenen Februar ging Braathen leer aus, wenige Wochen davor hatte er mit einer Blinddarmentzündung zu kämpfen.

Zuletzt hatte der Verband Braathen für sein Vergehen eine Geldstrafe auferlegt. Diese jedoch hatte er bis Donnerstag nicht bezahlt. Am Freitag dann folgte der Paukenschlag. Auf der Pressekonferenz sagte er: "Ich bin fertig." (Lukas Zahrer, 27.10.2023)