Justizpalast auf dem Schmerlingplatz in Wien, mit Oberster Gerichtshof (OGH),
Laut den Gerichten gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Teilnahme an der Feier die Therapie des Mannes gefährdet habe.
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Ein Arbeitnehmer meldet sich krank, geht trotzdem auf eine Feier, wird dabei beobachtet und daraufhin von seinem Arbeitgeber fristlos entlassen. Fälle wie diese gibt es in der Praxis zuhauf – nur, dass es auf den ersten Blick oft einfacher aussieht, als es tatsächlich ist. Denn nicht alle Krankheiten verpflichten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Bettruhe, stellte der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer aktuellen Entscheidung klar (OGH 27.9.2023, 9 ObA 67/23b).

Anlass des Verfahrens war der Fall eines Mannes, dem eine Depression diagnostiziert wurde und der deshalb in Krankenstand ging. Dass er in dieser Zeit zwar an einer privaten Feier teilnahm, aber einen Gesprächstermin in der Arbeit absagte, wollte sein Arbeitgeber nicht akzeptieren. Er sprach die Entlassung aus und beendete das Dienstverhältnis mit sofortiger Wirkung. Der Betroffene zog daraufhin vor Gericht und klagte auf den aufrechten Bestand des Arbeitsvertrags.

Vor dem Arbeits- und Sozialgericht blitzte er zunächst ab, das Oberlandesgericht Wien gab ihm in zweiter Instanz jedoch recht. Es sei kein "Krankheitsbild festgestellt worden, bei dem der Besuch einer privaten Veranstaltung geeignet wäre, den Heilungsverlauf hintanzuhalten", heißt es in der Entscheidung. Dass der Vorgesetzte des Mannes aufgrund von Fotos der Feier einen anderen Eindruck gehabt habe, spiele keine Rolle.

"Wird immer wieder übersehen"

Der Oberste Gerichtshof hat diese Entscheidung nun in letzter Instanz bestätigt. Laut dem Höchstgericht müssen sich krankgeschriebene Arbeitnehmer so verhalten, dass ihre "Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird". Zudem müssen sie ärztlichen Anordnungen Folge leisten.

Beides war laut dem OGH hier der Fall. Die Ärztin habe dem Mann weder eine Bettruhe noch besondere Ausgehzeiten angeordnet. Zudem gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass die Teilnahme an der Feier die Therapie des Mannes gefährdet habe. Im Gegenteil: Die Ärztin empfahl dem Mann Spaziergänge und soziale Kontakte.

Den Grund für einen Krankenstand müssen Arbeitnehmer ihren Arbeitgebern zwar nicht mitteilen, spätestens vor dem Arbeits- und Sozialgericht sei aber klar gewesen, warum der Mann in Krankenstand ging.

"Es ist in solchen Fällen einzig und allein maßgeblich, ob das Verhalten des Arbeitnehmers den Heilungsprozess verzögert", sagt Rechtsanwalt Alois Obereder, der auf Arbeitsrecht spezialisiert ist. "Das wird in der Praxis immer wieder übersehen." Wenn jemand mit einem Bandscheibenvorfall privat an einer Baustelle arbeitet, sei das der klassische Entlassungsgrund, sagt Obereder. "Aber bei psychischen Erkrankungen ist die Situation eben eine völlig andere". (japf, 27.10.2023)