Mitglied einer Fuchsfamilie im 14. Bezirk in Wien
Mitglied einer Fuchsfamilie im 14. Bezirk in Wien
Hans Ringhofer / picturedesk.com

Im Schutz der Dunkelheit erkannte ein Fuchs seine Chance. Er lauerte in der Nacht auf den 16. Oktober im Tiergarten Schönbrunn einer fünfzehnköpfigen Kolonie Roter Flamingos auf – und schlug prompt zu. Die Gelegenheit war tatsächlich eine seltene, denn die Flamingos waren vergessen worden. Ein menschlicher Fehler, wie der Tiergarten später reuig einräumen musste. Die Zuständigen hatten am Abend zuvor nach Betriebsschluss übersehen, die Tiere über Nacht ins Innengehege zu bringen. Auch der Elektrozaun rund um das Gehege blieb ausgeschaltet.

So hatte der Fuchs leichtes Spiel: Er tötete bei seinem Raubzug 13 von 15 Flamingos. Die Bestürzung über den Fuchsriss war groß. Doch sind Beutezüge dieses Ausmaßes ein ungewöhnliches Phänomen? Lassen sie sich verhindern? Zunächst einmal zu den Füchsen: Sie sind in Städten prinzipiell keine Seltenheit. Denn auch in einer Großstadt wie Wien kommen Wildtiere wie Füchse, Marder, Feldhasen, Wildschweine und Rehe vor. Wie viele Füchse in der Hauptstadt zu Hause sind, lässt sich schwer abschätzen. Die Tiere können zwar auch tagsüber anzutreffen sein, sie sind aber vorwiegend in der Dämmerung und in der Nacht aktiv.

Normales tierisches Verhalten

Auch dass Füchse über die Notwendigkeit der Nahrungssuche hinaus töten, ist kein abnormales Verhalten. Der Fuchs ist eben ein Wildtier und geht als solches seinem natürlichen Jagdinstinkt nach. "Wenn ein Fuchs oder auch eine Katze oder ein Marder in eine Vogelgruppe eindringt und die schnellen Fluchtbewegungen der Tiere sieht, erwacht der Jagdinstinkt. Dann beißt er oder sie zu, so lange, bis sich nichts mehr bewegt", erklärte Richard Zink, Biologe an der Veterinärmedizinischen Universität Wien, unmittelbar nach dem Vorfall in Schönbrunn im STANDARD-Gespräch. Der Fuchs gehört also zur Stadt dazu und das Reißen zum Fuchs – kommen aber Beutezüge dieses Ausmaßes öfter vor?

Haustiere leben zumeist im Wohnungsinneren, Nutztiere gibt es in der Stadt weniger. Wer im eigenen Garten Hühner hält oder andere Kleintiere züchtet, kann Stall und Gehege mit Ultraschallgeräten oder Elektrozäunen fuchssicher machen. Wie aber schützt ein Zoo seine hohe Dichte an Tiere? In welchem Ausmaß lassen sich die Tiere vor den Beutegreifern schützen? Und von welchem Tier geht abseits des Fuchses noch Gefahr aus?

"Angriffe können vorkommen"

Die größte Gefahr geht im Schönbrunner Areal allen voran von Fuchs und Marder aus. Der Dachs kommt dort auch vor, in der Regel stelle dieser aber "kein Problem für uns" dar, heißt es seitens des Tiergarten Schönbrunns. Mäuse und Ratten gibt es in dem Zoo – wie in allen menschlich besiedelten Gebieten ebenfalls. Deshalb wird Futter immer weggeräumt oder für die Tiere unzugänglich aufbewahrt. Durch einen großen Außenzaun und zusätzliche Elektrozäune sei das Risiko, dass Fuchs und Marder eindringen, erheblich gesenkt worden, erklärt Pressesprecherin Caroline Reinwald. Und: "Grundsätzlich reichen Zäune und Mauern im Tiergarten tief in den Boden hinein, damit Beutegreifer sich nicht durchgraben können." Dennoch: "Angriffe können vorkommen."

Das Errichten des Außenzahns als zusätzlicher Schutz um den Tiergarten war eine der ersten Maßnahmen des seit 2020 amtierenden Direktors Stephan Hering-Hagenbeck. Aber: Er funktioniere dann, wenn alle Tore geschlossen seien. Ein "grundlegendes Problem" sei, so Reinwald, dass Füchse im Schlosspark von Menschen gefüttert werden würden, wodurch sie die Scheu vor Menschen verlieren würden. Sie hätten dann weniger Hemmungen davor, durch die Eingangstore, die während der Besuchszeiten offen sind, zwischen Tiergarten und Schlosspark zu wechseln.

Flamingos versus Krähen

Manche Tiere wie eben Flamingos oder auch Hühner werden nachts in den Stall gebracht. Baulich ließen sich Anlagen außerdem so konstruieren, dass Risiken vermindert werden könnten. Die Käfige der Schwalbensittiche beispielsweise werden zusätzlich durch einen Stromzaun gesichert, erklärt Reinwald. Die Maschenweite in ihren Volieren sei zudem so gewählt, dass keine Beutegreifer in die Anlagen hineinschlüpfen könnten.

Weiters: Die Äste der umliegenden Bäume und Sträucher würden zurückgeschnitten, um keinen Aufstieg zu bieten. Viele Tierarten seien aber aufgrund ihrer Größe oder ihres Verhaltens ohnehin nicht gefährdet: Huftiere, Raubtiere oder sehr wehrhafte Wesen wie das Halsbandpekari – "mit ihnen möchte sich kein Fuchs oder Marder anlegen", sagt Reinwald. Dort seien weniger Sicherheitsvorkehrungen notwendig als etwa bei verschiedenen Kleinvögeln.

Meist ist der Mensch involviert

Im konkreten Fall der Flamingos hatten die Vögel bisher vergleichsweise kleinere Probleme. Wer Medienberichte über Vorfälle in Tiergärten durchforstet, stellt erstens fest: Zu schaffen machte den Flamingos bisher, wenn überhaupt, dann am ehesten die Aaskrähe. Die schwarzgefiederten Vögel kamen ihren roten Artgenossen in der Vergangenheit mitunter bei der Fütterung in die Quere.

Und zweitens ist festzuhalten: Kommt es zu Zwischenfällen, dann ist meistens der Mensch involviert. Oft ging diesen eine Unvorsichtigkeit von Besucherinnen und Besuchern voraus, mitunter werden aber auch Pflegerinnen und Pfleger von Tieren verletzt. Der letzte derartige Vorfall im Tiergarten Schönbrunn liegt fast 20 Jahre zurück: 2005 verletzte ein Elefant einen Wärter beim Duschen der Tiere tödlich. Vor den Flamingos verlor der Schönbrunner Zoo in diesem Jahr bereits zwei Schwalbensittiche. Schuld war ein Marder. Dem Tier war es zwar nicht gelungen, in den Käfig einzudringen. Doch schon sein Anblick allein hatte ausgereicht, um die Jungvögel derart hektisch zu machen, dass es zu Verletzungen kam, die tödlich endeten. (Anna Giulia Fink, Jan Michael Marchart, 30.10.2023)