Oberarm einer Frau mit angesetzter Impfspritze
Die Corona-Schutzimpfung hat nicht alles gehalten, was man sich von ihr erhofft hat – aber sie schützt effektiv vor schwerer Erkrankung. Das zweifeln Impfkritiker aber immer wieder an.
Ute Grabowsky/photothek.net via

Die Aufregung über die Corona-Pandemie und die angeblich wirkungslose Impfung nimmt in manchen Kreisen kein Ende – auch wenn die Pandemie schon länger nicht mehr als internationale Gesundheitskrise eingestuft wird. Auf diversen Social-Media-Kanälen zirkulieren weiterhin Verzerrungen oder Falschmeldungen.

Aktuell erhitzt eine Videomontage die Gemüter: In dem Video folgt eine Headline auf die andere, die Wirksamkeit der Impfung, die darin ausgewiesen wird, ist jeweils markiert. Im Lauf des eineinhalbminütigen Videos nimmt die Impfeffektivität laut den Headlines permanent ab. Am Ende wird diese Information konterkariert mit einer Aussage des US-Immunologen Anthony Fauci, der sagt, die Impfung sei "highly effective", also hochwirksam. Für noch mehr Drama ist das Video unterlegt mit einem Musikstück aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg, und zwar mit "In der Halle des Bergkönigs".

An sich ist die Videomontage bereits seit einer Weile im Umlauf, nun hat sie aber Elon Musk auf seiner Plattform X (ehemals Twitter) geteilt und ihr so zu einer riesigen Reichweite verholfen.

Er kann es nicht lassen: Elon Musk verbreitet auf seinem X-Account ein impfkritisches Video mit tendenziösem Zusammenschnitt.

Tendenziöser Zusammenschnitt

Tatsächlich sind sowohl Darstellung als auch Abfolge der im Video verwendeten Zeitungsüberschriften irreführend. Die Überschriften sind chronologisch falsch wiedergegeben, teilweise werden "Real Life"-Studien mit klinischen Studien verglichen, das ergibt aber wissenschaftlich wenig Sinn.

Insgesamt 111 Überschriften und Zitate laufen im Video ab, untermalt mit dramatischer Musik. Die ersten behaupten eine 100-prozentige Wirksamkeit der Impfung. In der Folge sinkt dieser Wert kontinuierlich auf 85 Prozent, dann auf 50 und schließlich auf 39 Prozent. Schließlich wird die Frage gestellt, ob die Impfung überhaupt sinnvoll sei.

Auffallend dabei: Die Überschriften mit der geringsten Wirksamkeit stammen aus einer frühen Phase im Entwicklungsprozess der Impfung. Diese Verzerrung der Chronologie wird bei einer genaueren Analyse der Headlines erkennbar. Die erste, "Astra-Zeneca-Covid-19-Impfstoff 100 Prozent wirksam zur Verhinderung von Todesfällen und Krankenhausaufenthalten: US-Studie" bezieht sich auf eine Studie vom März 2021. Die Schlagzeile zu 85 Prozent Wirksamkeit, von der Fox-News-Website, erschien im Februar 2021. Die Schlagzeile, mit der das Video dann abschließt, "Impfstoffkatastrophen in der Vergangenheit zeigen, warum ein überstürzter Einsatz eines Impfstoffs gegen das Coronavirus 'kolossal dumm' wäre", ist ein Screenshot vom September 2020, bevor die Impfstoffe überhaupt zugelassen waren.

Insgesamt stammen alle 111 Screenshots, mit einer Ausnahme, aus der Zeit von September 2020 bis Oktober 2021, also aus der Phase, in der die Impfung vom Entwicklungsstadium zur Zulassung für den menschlichen Gebrauch übergegangen ist und schließlich im Einsatz bestätigt wurde. Eine Meldung zu Beginn des letzten Viertels des Videos (Minute 1:17), dass Japan die Impfung nach dem Tod von vier Kindern stoppe, stammt aber aus dem Jahr 2011 und betrifft eine ganz andere Impfung, nämlich eine gegen Lungenentzündung.

Studien nicht vergleichbar

Dazu kommt, dass die in den Headlines angeführten Studien keinesfalls miteinander vergleichbar sind. Sie beziehen sich auf verschiedene Arten von Impfungen und verschiedene Corona-Varianten. Außerdem werden klinische Studien mit Anwenderstudien gleichgesetzt. Bei Anwenderstudien unterscheiden sich Rahmenbedingungen, Testpersonen und Entwicklungsstände des Impfstoffs aber grundlegend.

Die bereits erwähnte erste Überschrift bezieht sich auf eine sogenannte Phase-III-Studie zum Astra-Zeneca-Impfstoff, also die letzte Stufe einer klinischen Studie, bevor sie auf den Markt kommt. Eine zweite Meldung später im Video, die 90 Prozent Wirksamkeit ausweist, bezieht sich auf eine "Real Life"-Studie der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. Diese Studien, die nicht im klinischen Kontext stattfinden, beziehen auch Teilnehmende mit etwaigen Vorerkrankungen ein, außerdem sind die Rahmenbedingungen weniger gut kontrollierbar – wie im echten Leben eben.

Impfschutz vor Ansteckung als Zusatznutzen

Fun Fact: Die Impfung wurde anfangs gar nicht in der Hoffnung entwickelt, eine Infektion zu verhindern. Ziel war vor allem, Todesfälle und im besten Fall schwere Verläufe zu verhindern, wie ein epidemiologisches Bulletin des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Jänner 2021 zeigt. Umso überraschender waren Studienergebnisse, die unter anderem Biontech-Gründer Uğur Şahin im Februar 2021 in einem "Bild"-Artikel erwähnte. Demnach habe es nach der Impfung einen Rückgang von 92 Prozent bei positiven PCR-Tests gegeben. Das hätte bedeutet, dass damals die Impfung sogar einen Großteil aller Menschen vor einer Infektion bewahren konnte.

Die Aussage des Titels, den die "Bild"-Zeitung damals wählte, nämlich "Geimpfte sind NICHT mehr ansteckend!", wird bis heute von Impfkritikern ins Rennen geführt, um zu zeigen, dass die Impfung offenbar die gegebenen Versprechen nicht halten kann. Tatsächlich hat die Effektivität der Impfung bei symptomlosen und milden Infektionen mit der Zeit und den diversen Mutationen des Virus kontinuierlich abgenommen, wie das RKI bestätigt. Das vorliegende Video bietet allerdings keinen aussagekräftigen Überblick über diesen Prozess. Vor allem benutzt es dramaturgische Tricks, um die Impfung in ein schlechtes Licht zu rücken. (APA, kru, 30.1.2023)