Sie sei bereit, "alles zu tun, was wir tun müssen", machte die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) klar. Das war vor 40 Tagen. Die 146.000 Mitglieder starke Gewerkschaft hielt Wort. Sie kämpfte für eine Anhebung der Löhne um 36 Prozent in vier Jahren, die Wiedereinführung der während der Corona-Pandemie gekürzten Sozialleistungen sowie Tarifverträge auch in den neuen Werken für Elektrofahrzeuge – die Liste der UAW-Forderungen hatte es in sich.

Unleistbar, hatten die Bosse der drei Autogiganten Ford, General Motors (GM) und Stellantis (Zusammenschluss von Fiat-Chrysler und Peugeot) gekontert. Mit solchen Kosten sei man gegen Konkurrenten wie Tesla, aber auch gegen Anbieter aus dem Ausland chancenlos. Tesla oder Toyota handeln keine Tariflöhne mit der UAW aus. Gewerkschaftsfrei sind auch die in südlichen US-Bundesstaaten angesiedelten Werke der deutschen Autobauer Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW. Im Süden haben die Gewerkschaften traditionell einen schwereren Stand.

Mitglieder der United Auto Workers (UAW) und ihre Unterstützer in Ontario, Kalifornien, bekunden ihre Solidarität mit den Streikenden.
Mehrere Tausend Beschäftigte legten bei den Autogiganten in Amerikas Industriegürtel die Arbeit nieder.
AFP/PATRICK T. FALLON

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, wurden unter der Führung des neuen UAW-Chefs Shawn Fain bis zu neun Betriebe der großen Hersteller Ford, GM und Stellantis bestreikt – zeitgleich. Mehrere Tausend Beschäftigte legten bei den Autogiganten in Amerikas Industriegürtel die Arbeit nieder. Der Streik kostete die Autobauer Milliarden. Nun ist der Arbeitskampf vorbei. Als letzter der "big three" erzielte am Montag GM eine vorläufige Einigung mit der Gewerkschaft.

Die Sache hat sich für die Beschäftigten der US-Autoindustrie bezahlt gemacht, die UAW konnte Rekordzahlungen für ihre Mitglieder aushandeln – bei GM ein ähnliches Paket wie davor bei den anderen beiden Autobauern. Das Gehalt für erfahrene Arbeiter in der höchsten Gruppe steigt dabei um 33 Prozent. Die Personalkosten für GM sollen um sieben Milliarden Dollar über einen Zeitraum von 4,5 Jahren steigen, heißt es. Stellantis hat einer Lohnerhöhung um 25 Prozent über eine Laufzeit von viereinhalb Jahren zugestimmt. Der Chrysler-Mutterkonzern sagte außerdem 19 Milliarden Euro an Investitionen in den USA und 5.000 zusätzliche Arbeitsplätze zu. Bei Ford belaufen sich die Tariferhöhungen über die gesamte Vertragslaufzeit auf 33 Prozent.

Struktureller Wandel kostet Geld

Hintergrund des Arbeitskampfes ist der Übergang ins Elektrozeitalter. Das kostet die Autobauer viel Geld, mit ein Grund, warum sich die Konzerne wenig freizügig zeigten. Für die Montage der E-Autos sind weniger Beschäftigte erforderlich, und die neuen Fabriken sind in den USA meist gewerkschaftsfrei. "Der Übergang zur E-Mobilität birgt die reale Gefahr eines Unterbietungswettlaufs", hatte Gewerkschaftsboss Fain gewarnt. Präsident Joe Biden hatte er auf seiner Seite. Dieser begrüßt die Ergebnisse. "Diese Rekordvereinbarungen sind eine Belohnung für die Beschäftigten in der Automobilindustrie, die während der Finanzkrise vor mehr als einem Jahrzehnt viel aufgegeben haben, um die Branche am Leben zu erhalten."

Laut einer Reuters-Umfrage stieß der UAW-Streik in der US-Bevölkerung auf Zustimmung. Die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit ihrer Bezahlung angesichts von Rekordgewinnen trug dazu bei, dass Unternehmen Zugeständnisse machten, erklärte Marcos Feldman, Forscher einer arbeitnehmernahen Stiftung, Reuters. Auch beim Paketdienstleister UPS oder dem Baumaschinenhersteller Caterpillar setzten sich Gewerkschaften durch. "Die gewerkschaftlichen Bemühungen sind die aggressivsten, die es je gab", sagte Feldman. Jetzt komme es darauf an, sie zu festigen und zu institutionalisieren. (Regina Bruckner, 31.10.2023)