Milojko Spajić im Parlament in Podgorica.
Milojko Spajić ist neuer Premierminister Montenegros.
EPA/BORIS PEJOVIC

Lange hat es gedauert. Erst ein halbes Jahr nach den Parlamentswahlen in Montenegro Anfang Juni hat der Staat mit seinen 620.000 Einwohnern nun eine neue Regierung. Premier Milojko Spajić von der politisch ziemlich unklar definierten, aber zentristischen Partei "Europa jetzt" steht dem Regime im Nachbarstaat Serbien nahe, er unterstützt die Geschäfte mit Kryptowährungen, und abgesehen davon will er Montenegro auch in die EU bringen.

Am Montagabend wurde er von 46 von insgesamt 81 Abgeordneten als Regierungschef bestätigt. Seine Koalition umfasst auch prorussische Parteien, weshalb die Westorientierung der Regierung angezweifelt werden darf. Wie schwierig die Regierungsbildung war, zeigt der Umstand, dass die neue Fünferkoalition, zu der auch zwei albanische Parteien gehören, 18 Ministerien und fünf stellvertretende Premierminister hat.

Der prorussische und proserbische Politiker Andrija Mandić wurde am Montag zum Parlamentspräsidenten gewählt. Seine Partei "Für die Zukunft Montenegros" wird viel Einfluss haben. Seit der Unabhängigkeit 2006 bis zum Jahr 2020 war die Politik Montenegros vor allem von der prowestlich orientierten Partei von Milo Djukanović und seiner Amtsführung geprägt.

"Serbische Welt"

Andererseits galt das Regime von Djukanović als korrupt, die Justiz wurde nie umfassend reformiert. Aber unter Djukanović war auch klar, dass sich Montenegro vom Regime in Serbien und vom Einfluss Russlands auf dem Balkan abgrenzte. Auch der Einfluss der serbischen Orthodoxie, die auf dem Balkan vor allem eine politische Rolle spielt und dem Moskauer Patriarchen nahesteht, war eingeschränkt. Das hat sich bereits seit einigen Jahren geändert. Spajić versprach nun auch die Verbesserung der guten Beziehungen zu den Nachbarn, womit eigentlich nur Serbien gemeint ist.

Es ist auch nicht zufällig, dass der prorussische völkische Nationalist Milorad Dodik, der die größte serbisch-nationalistische Partei in Bosnien und Herzegowina leitet, vor der bevorstehenden Regierungsbildung in Montenegro am Samstag gemeint hatte, dass die Serben in diesem Jahrhundert einen einzigen Staat bilden sollten, "bestehend aus Serbien, der Republika Srpska und Montenegro". Leute wie Dodik haben das Ende Jugoslawiens nie akzeptiert, genauso wie das derzeitige Regime in Russland den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht akzeptiert hat. So wie Putin die Ukraine annektieren will, wollen diese serbischen Nationalisten ein Großserbien errichten. Heute nennen sie das Projekt "Serbische Welt".

Das Außenministerium in Podgorica erklärte zu Dodiks Ansage, Montenegro sei ein unabhängiges Land, international anerkannt und Mitglied der Nato, und eine mögliche Union würde diesem Land zufolge nur in der Europäischen Union stattfinden. Die "Serbische Welt" hat aber nicht unbedingt damit zu tun, dass gleich Grenzen neu gezogen werden, es geht zunächst um eine Einflussnahme auf propagandistischer und institutioneller Ebene. Die Idee der "Serbischen Welt" dient auch den Interessen des Kreml, weil sie auf dem Balkan für beständige Unruhe und Destabilisierung sorgt. Im September gab es einen Anschlag großserbischer Terroristen im Norden Kosovos. In Montenegro versuchen diese großserbischen Kräfte den staatsbürgerlichen Konsens zu unterminieren.

Wirtschaftspolitische Versprechen

Der neue 36-jährige Premier Spajić, der Wirtschaft studierte und für Goldmann Sachs arbeitete, will vor allem die Wirtschaft fördern. "Unsere Wirtschaftspolitik wird darauf abzielen, den Lebensstandard zu verbessern und Reformen einzuschließen, die mehr Steuereinnahmen, Investitionen und ein besseres Geschäftsklima ermöglichen", erklärte er. Spajić will in Montenegro etwa Blockchain-Innovationen unterstützten. Dem Gründer von Etherum, Vitalik Buterin, hat er bereits eine montenegrinische Staatsbürgerschaft verschafft.

Welche Reformvorhaben von der neuen Regierung für einen möglichen EU-Beitritt in Angriff genommen werden, ist noch unklar. Bislang hat Montenegro zwar alle Verhandlungskapitel geöffnet, allerdings erst drei geschlossen. Viele Reformen stehen aus. Sicher ist: Die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Regierung sind groß. Montenegro befindet sich auch angesichts des Kriegs des Kreml gegen die Ukraine in einem geopolitischen Spannungsfeld. Nicht alle wollen mehr Transparenz, eine unabhängige Justiz und bürgerliche Freiheiten, sondern die Anbindung an Russland und China stärken. Leute wie Spajić wollen vor allem die Märkte deregulieren und Investoren anlocken. (Adelheid Wölfl, 31.10.2023)