Propalästinensische Kundgebung in Paris.
IMAGO/Renaud Khanh/ABACA

Sollen propalästinensische Demonstrationen untersagt werden? An dieser Frage entzündet sich auch in Frankreich eine Debatte vor dem Hintergrund zunehmender antisemitischer Vorfälle. In Paris hatte die Polizei am vergangenen Samstag eine Kundgebung aus Sicherheitsgründen untersagt. Trotzdem nahmen Tausende teil.

Sie skandierten den Slogan: "Israel, hau ab, Palästina gehört nicht dir." Die Behörden sahen darin eine Infragestellung des Existenzrechts Israels, ähnlich der in vielen europäischen Hauptstädten skandierten Devise: "From the river to the sea, Palestine will be free."

850 antisemitische Zwischenfälle

Dass die Regierung in Paris so genau hinhört, hat auch mit ihrer Sorge zu tun, dass die Slogans in den vorwiegend propalästinensischen Einwanderervierteln übernommen werden könnten. Laut Premierministerin Elisabeth Borne kam es in Frankreich seit dem Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober zu über 850 antisemitischen Zwischenfällen. Die jüdische Gemeinschaft Frankreichs – die größte Europas – spüre "das Gewicht der Angst", erklärte Borne. Frankreich stehe in der "Pflicht, alle Juden im Land zu schützen".

Vor allem in und um Banlieue-Gebiete wagen sich Juden derzeit nicht mehr mit Kippa auf die Straße. Im Großraum Paris tauchen judenfeindliche Graffitis an Hauswänden auf. Zwei Moldauer, die beim Sprayen auf frischer Tat ertappt wurde, erklärten, sie hätten auf Auftrag gehandelt.

In den sozialen Medien zirkulierte diese Woche ein Video aus der Pariser Metro, in dem Jugendliche obszöne Refrains gegen "Judenmütter" sangen, gefolgt von: "Wir sind Nazis und stolz darauf." In Südfrankreich hat die Polizei diese Woche einen Imam bei seiner Einreise aus Saudi-Arabien in Gewahrsam genommen. Er soll auf Facebook antisemitische und terrorverherrlichende Aussagen gemacht haben. Ihm droht die Ausweisung. (Stefan Brändle aus Paris, 2.11.2023)