Robert Habeck, deutscher Wirtschaftsminister
"Wir können gar nicht empört genug sein", sagt der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck.
AFP/DANIEL LEAL

Eigentlich wollte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) am Donnerstag in ihrer Pressekonferenz über den Lagebericht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) informieren. Doch das Thema geriet in den Hintergrund. Denn Faeser hatte noch etwas zu verkünden: "Als Bundesinnenministerin verbiete ich heute die Betätigung von Hamas in Deutschland." Zudem sprach sie ein Verbot gegen das palästinensische Netzwerk Samidoun in Deutschland aus, dieses wird aufgelöst. "Antisemitismus hat in Deutschland keinen Platz. Wir werden ihn in aller Form und mit allen Mitteln des Rechtsstaats bekämpfen", so Faeser.

Sowohl die EU und die USA als auch der deutsche Generalbundesanwalt stufen die Hamas seit vielen Jahren als Terrororganisation ein. Gemäß deutschem Vereinsrecht kann gegen ausländische Organisationen ein "Betätigungsverbot" ausgesprochen werden. Das ist nun geschehen. In Deutschland unterstützen nach Schätzungen des Verfassungsschutzes rund 450 Menschen die Hamas, viele davon sind deutsche Staatsbürger. Beim nun verbotenen Verein Samidoun sind es weniger, aber diese waren laut den Sicherheitsbehörden sehr aktiv.

"Jubelfeier" nach Angriff

Laut Faeser verbreitet Samidoun als internationales Netzwerk unter dem Deckmantel einer "Solidaritätsorganisation" für Gefangene in verschiedenen Ländern israel- und judenfeindliche Propaganda. Dabei unterstütze und glorifiziere Samidoun auch ausländische Terrororganisationen wie die Hamas.

Kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel hat Samidoun in Berlin-Neukölln eine spontane Jubelkundgebung abgehalten und Süßigkeiten an Kinder verteilt.

Das habe das "menschenverachtende Weltbild von Samidoun auf besonders widerwärtige Weise" gezeigt, betonte Faeser am Donnerstag. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das Betätigungsverbot für Hamas und Samidoun schon im Bundestag angekündigt.

Die Folgen sind nun für Hamas-Unterstützer und Samidoun ähnlich: Eventuelles Vermögen wird eingezogen, Internetauftritte und Aktivitäten in sozialen Medien werden verboten. Wer weiter für die Organisationen aktiv ist, der macht sich strafbar.

Habeck erklärt wieder

Zu Wort gemeldet hat sich auch der deutsche Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne). Er veröffentlichte auf X (vormals Twitter) eine Video-Erklärung, die von vielen als "Rede an die Nation" verstanden wird.

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel sei die öffentliche Debatte in Deutschland "aufgeheizt, mitunter verworren", sagt Habeck, der staatstragend in schwarzem Anzug und mit schwarzer Krawatte auftritt und eingangs betont: "Ich möchte mit diesem Video einen Beitrag leisten, sie zu entwirren. Zu viel scheint zu schnell vermischt zu werden."

Der Grünen-Politiker stellt sich klar auf die Seite Israels und betont: "Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren, in keiner. Das Ausmaß bei den islamistischen Demonstrationen in Berlin und in weiteren Städten Deutschlands ist inakzeptabel und braucht eine harte politische Antwort." Es gebe in der deutschen Debattenkultur "sicherlich viel zu oft Empörung", so der Vizekanzler, "aber hier können wir gar nicht empört genug sein", wenngleich Kritik an Israel "natürlich erlaubt" sei.

Habeck erinnert auch an "Tod und Leid" in Gaza. Dennoch könne systematische Gewalt gegen Juden damit nicht legitimiert werden. Sorgen macht ihm der "Antisemitismus in Teilen der politischen Linken, und zwar leider auch bei jungen Aktivistinnen und Aktivisten". Damit spielt er auf Greta Thunberg von Fridays for Future (FFF) an, die zu Solidarität mit Gaza aufgerufen hatte. Allerdings erfolgte von Luisa Neubauer, dem deutschen Gesicht der FFF-Bewegung, Distanzierung. Dies lobt Habeck.

Muslime in der Pflicht

Er nimmt auch die muslimischen Verbände in die Pflicht. Einige hätten sich "klar von den Taten der Hamas und Antisemitismus distanziert, haben das Gespräch gesucht." Doch, so Habeck: "Nicht alle und manche zu zögerlich und ich finde, insgesamt zu wenige."

Seine Rede wird viel beachtet und gelobt, auch von der CDU. "Ein starker, notwendiger Auftritt", lobt CDU-Vizechefin Karin Prien, Habeck treffe den Ton "wie kein anderer in dieser Bundesregierung". Habeck hat früher schon, als er wegen des Ukrainekrieges per Video zum Energiesparen aufrief, viel Zuspruch bekommen. In jüngster Zeit, nach den Wirren um sein Heizungsgesetz, war es ruhiger geworden. Nicht wenige meinen nun, Habeck habe mit dem neuen Video seine "Bewerbung" als nächster grüner Kanzlerkandidat abgegeben.

Auch in Deutschland kam es nach dem Angriff der Hamas auf Israel zu Pro-Palästina-Demonstrationen, bei denen die Taten der islamistischen Terrororganisation gefeiert wurden. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.11.2023)

Verbotene Pro-Palästina-Demo in Berlin auf der Sonnenallee Ecke Reuterstraße im Bezirk Neukölln.
Verbotene Pro-Palästina-Demo auf der Sonnenallee Ecke Reuterstraße im Bezirk Neukölln.
IMAGO/dts Nachrichtenagentur