Das Flüchtlingslager Jabalia auf Satellitenbildern vor und nach dem israelischen Angriff vom Dienstag.
Das Flüchtlingslager Jabalia auf Satellitenbildern vor und nach dem israelischen Angriff vom Dienstag.
AFP/Satellite image ©2023 Maxar

Nach dem Geschmack der israelischen Regierung war die Aussage nicht, vielen aber sprach Joe Biden aus der Seele: "Ich denke, wir brauchen eine Pause", erklärte der US-Präsident am Mittwoch (Ortszeit) mit Blick auf die Situation im Gazastreifen.

International Beachtung fand zunächst vor allem der Satz, der unmittelbar danach folgte: "Eine Pause bedeutet, Zeit zu geben, damit die Gefangenen rauskommen." Das Weiße Haus beeilte sich kurz darauf mit einer Erklärung, der zufolge Biden damit die Geiseln gemeint habe, die von der radikalislamischen Hamas bei ihrem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober entführt worden waren.

Für die Betroffenen mag der Unterschied nahezu bedeutungslos sein. In der Sprache der Diplomatie aber, in der immer häufiger auch das Vokabular des Kriegs anzutreffen ist, werden Geiseln von Terrorkommandos und Kriegsgefangene doch nicht über einen Kamm geschoren.

Umstrittene Forderung

Die nachfolgenden Unkenrufe über den neuerlichen Versprecher des 80-jährigen Biden lenkten dann jedoch fast ein wenig ab von dessen eigentlicher Forderung: Bisher nämlich hatte es das Weiße Haus stets vermieden, von einer Waffenruhe zu sprechen. Eine solche, so die Überlegung, würde nur der Hamas in die Hände spielen.

Das ist auch der Standpunkt von Israels Premier Benjamin Netanjahu, der sich bereits am Montag gegen andere Forderungen nach einer Waffenruhe gestellt hatte. Eine solche käme einer "Kapitulation vor dem Terror" gleich, erklärte er.

Seither allerdings kam Israel mit seiner Antwort auf das Massaker vom 7. Oktober immer mehr unter Druck. Grund sind unter anderem die Angriffe auf das dicht besiedelte Flüchtlingslager Jabalia nördlich von Gaza-Stadt.

Beim ersten, am Dienstag, hatte Israel laut eigenen Angaben ein darunter liegendes Tunnelsystem im Visier. Ein führender Hamas-Vertreter und etwa 50 weitere Kämpfer der Organisation seien im Zuge der Bombardierung getötet worden. Die Hamas erklärte, dass auch sieben der aus Israel verschleppten Geiseln unter den Todesopfern seien.

Am Mittwoch folgte dann der zweite Angriff auf das Lager, das keiner Zeltstadt gleicht, sondern einem dicht bebauten und besiedelten Stadtviertel (siehe Wissen unten). Wieder wurde nach israelischen Angaben ein Hamas-Kommandant getötet, konkret der Chef einer Panzerabwehrraketeneinheit.

Während Israel die Attacken als möglichst zielgerichtete Operationen präsentiert – so hätten etwa am Mittwoch Kampfjets "basierend auf präzisen Geheimdienstinformationen" einen Kommandokomplex der Hamas angegriffen –, sprechen palästinensische Angaben von "Massakern".

"Guerilla-Taktik" der Hamas

Die israelische Seite wiederum kontert mit dem Argument, das bereits im Zusammenhang mit Raketeneinschlägen in unmittelbarer Nähe von Spitälern zu hören war: "Die Hamas baut ihre Terror-Infrastruktur absichtlich unter, um und in zivilen Gebäuden auf und gefährdet damit absichtlich die Zivilbevölkerung", hieß es seitens der Armee. Ungeachtet dessen zeigte sich das UN-Menschenrechtsbüro "ernsthaft besorgt, dass es sich um unverhältnismäßige Angriffe handelt, die Kriegsverbrechen darstellen könnten".

Indes rückte das israelische Militär am Donnerstag mit Panzern und Truppen weiter auf Gaza-Stadt vor. Augenzeugen berichteten von einer "Guerilla-Taktik" der Hamas: Immer wieder kämen deren Kämpfer aus dem weitverzweigten Tunnelsystem, um die militärisch überlegenen israelischen Truppen unter Beschuss zu nehmen und sich danach wieder rasch zurückzuziehen.

Einige Ausländer konnten am Donnerstag – den zweiten Tag in Folge – den Gazastreifen Richtung Ägypten verlassen. Bei einem Treffen mit ausländischen Diplomaten kündigte der stellvertretende ägyptische Außenminister Ismail Chairat an, sein Land werde insgesamt 7000 Ausländer mit mehr als 60 Staatsbürgerschaften aus dem Küstenstreifen holen. (Gerald Schubert, 2.11.2023)