Aleksandar Vučić löste das serbische Parlament auf.
Aleksandar Vučić löste das serbische Parlament auf.
via REUTERS/SERBIAN PRESIDENTIAL

Kurz nachdem die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen in Belgrad den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić dazu aufgefordert hatte, das Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen mit dem Kosovo endlich umzusetzen, unterzeichnete dieser feierlich ein Dekret zur Auflösung des Parlaments und zur Ankündigung außerordentlicher Parlamentswahlen am 17. Dezember, etwa eineinhalb Jahre nach den letzten Wahlen.

Vučić will offensichtlich Zeit schinden, um nicht liefern zu müssen. Der Wahlsieg seiner Fortschrittspartei SNS steht ohnehin jetzt schon fest. Auch im Norden Kosovos könnte es durch einen Bürgerantrag in den mehrheitlich von Serbinnen und Serben bewohnten Gemeinden Neuwahlen geben – die jüngsten im Mai wurden auf Anweisung von Vučićs Regime boykottiert. Deshalb gibt es nun auch keine serbischen, sondern albanische Bürgermeister.

Die serbischen Gemeinden im Norden Kosovos stehen auch im Mittelpunkt der diplomatischen Initiative der Quint (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien), die einen konkreten Vorschlag für den von Kosovo und Serbien 2013 vereinbarten Gemeindeverband vorgelegt haben.

Verband unter EU-Aufsicht

Kosovarischen Medien zufolge soll es dabei etwa um die Verwaltung lokaler Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen gehen. Der Verband soll vom Staat Kosovo finanziert werden, es kann aber auch Zuschüsse aus Serbien geben. Die EU soll das Budget und die Ausgaben beaufsichtigen. Der Verband kann bei der Ausarbeitung von Gesetzen beraten, aber darf die Institutionen des Staates Kosovo nicht untergraben. Von Exekutivfunktionen, die Serbien fordert, ist nicht die Rede.

Geleakt wurde auch ein Bericht der kosovarischen Regierung über den Terroranschlag serbischer Milizen auf die kosovarische Polizei am 24. September. Demnach sollen auch Personen dabei gewesen sein, die bereits am 29. Mai Kfor-Truppen angriffen und teils schwer verletzten. Auch der Ex-Chef der Sondereinheit der Kosovo-Polizei im Norden sei beteiligt gewesen. Dessen Ex-Frau hatte ihn wegen häuslicher Gewalt angezeigt, was zu seiner Suspendierung führte.

Eine Recherche der Plattform Balkaninsight ergab, dass Mörsergranaten und Granatwerfer, die von den Terroristen nach Banjska gebracht wurden, in den Jahren 2018 und 2021 durch serbische staatliche Wartungszentren gingen. Markierungen auf der Munition stimmen demnach mit jenen überein, die auf der Website des serbischen Waffenproduzenten Belom beworben werden. Serbien bestritt eine Beteiligung an dem Banjska-Angriff im Norden des Kosovo.

Bei ihrem Besuch in Belgrad forderte von der Leyen die serbischen Behörden auf, die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Außerdem versprach sie sechs Milliarden Euro an billigen Krediten und Investitionen für den Westbalkan. Sie sagte allerdings nicht, was passieren solle, falls Serbien das Abkommen mit dem Kosovo nicht umsetzt. In dem Abkommen sollen die beiden Staaten wechselseitig die "Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze" und die "territoriale Integrität" anerkennen, weshalb viele von einer "De-facto-Anerkennung" Kosovos sprechen. Vučić sagte diese Woche aber nochmals, dass eine Anerkennung des Kosovo nicht infrage komme.

EU will Lithium

Die laxe Haltung der EU gegenüber Serbien könnte auch mit eigenen Interessen der EU zu tun haben. Eine kürzlich unterzeichnete strategische Partnerschaft zwischen der EU und Serbien soll etwa die Gewinnung von Lithium umfassen. Auch beim Gipfel des Berlin-Prozesses wurde die strategische Bedeutung der Region im Zusammenhang mit kritischen Rohstoffen und Batterien genannt. Deutsche Automobilhersteller brauchen nämlich das Lithium für den Bau von Elektroautos.

Allerdings sind viele Serbinnen und Serben gegen die Lithium-Mine, weil sie die Verseuchung der Erde und des Wassers befürchten. (Adelheid Wölfl, 2.11.2023)