Peter Pacult hat sich verändert, Diplomatie liegt ihm freilich noch immer fern. In Klagenfurt fühlt er sich wohl, sein Wiener Schmäh und das Fachwissen kommen an.
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Ob Andreas Herzog blad ist, sei dahingestellt. Peter Pacult hat es jedenfalls vor laufenderer Kamera behauptet, als er den Vorgänger von Marko Arnautovic als österreichischer Rekordinternationaler im Fernsehstudio sitzen gesehen hat. Pacult war zugeschaltet, er stand im Hütteldorfer Allianz-Stadion, die Klagenfurter Austria hatte eben Rapid 3:2 geschlagen. Da der 64-Jährige immer sagt, was ihm gerade auf der Zunge liegt, und er nie um den heißen Brei herumredet, wies er auf Herzogs Körperfülle hin. Der konterte elegant sinngemäß: "Der Pacult ist alt, er sieht halt schon schlecht." Zwei Wochen später, ob Herzog inzwischen zu- oder abgenommen hat, spielt überhaupt keine Rolle, plaudert Pacult mit dem STANDARD. "Das ist der Wiener Humor, der ist sehr tief und sehr schwarz. Aber er ist sehr gut. Der Herzog versteht ihn."

Seit mehr als drei Jahren müssen sie bei der Klagenfurter Austria mit dem Wiener Schmäh leben, wobei Kärnten als Hochburg des Faschings (Lei-Lei) gilt. "Sie wissen nie, ist es Spaß oder Ernst. Aber sie hören mir zu. Und sie glauben mir, weil ich als Spieler alles erlebt habe." Pacult hat jedenfalls den Durchblick und einen Vertrag bis 2025. Es schaffte den Aufstieg, nun ist die Wahrscheinlichkeit, zum dritten Mal hintereinander die Meistergruppe zu erreichen, groß. Klagenfurt ist nach zwölf Runden Vierter, hat sechs Punkte mehr als Rapid aufzuweisen. Warum das so ist? "Weil der Trainer Peter Pacult heißt."

Als Saisonziel wird von den Verantwortlichen jedes Mal der Klassenerhalt kommuniziert. Klagenfurt zählt zu den Armenhäusern der Bundesliga, vielleicht wird man sich irgendwann einen Video-Analysten leisten können. Pacult kann auch ohne, der Floridsdorfer stapelt nämlich tief. "Man kann über Dinge erst reden, wenn das Ei gelegt ist."

Kein Stehaufmanderl

Pacult möchte durchaus gefordert werden. Er hat überhaupt nichts gegen Journalisten. "Nichts, was hilft", sagt er nicht. "Sie machen nur ihren Job, haben es schwer", sagt er schon. Da er am 28. Oktober Geburtstag hatte, darf er einen Titel, eine Schlagzeile aussuchen. Vorschläge: "Der letzte Dinosaurier" oder "Der Unbeugsame". Pacult ist kurz überfordert, denkt nach, den Dinosaurier lehnt er ab. "Da gibt es ältere." Und "vorletzter Dinosaurier" wäre deppert. "Stehaufmanderl passt auch nicht, ich bin ja nicht oft gelegen." Also doch "Der Unbeugsame". Das komme irgendwie hin. "Ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker. Mich stört, dass viel Wahres oft umgedreht wird. Die Welt der sozialen Medien ist mir fremd."

Worauf es im Leben ankommt? "Du musst zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Fleck sein. Du brauchst Leute, die dir helfen, dein Talent erkennen. Und du brauchst ein Quäntchen Glück." Pacult hat einen Leitsatz, der ihm leider entfallen ist. "Bin ich schon ganz deppert? Wie war er?" Nach gefühlten fünf Minuten ist er erleichtert. "Leben und leben lassen, glaub ich. Ein Klassiker." Ob er geliebt werden möchte? "Das ist mir wurscht, jeder Mensch hat Freunde und Feinde." Mit solchen Dingen beschäftige er sich nicht, reine Zeitverschwendung. "Weil wir nur ein kurzes Leben auf der Erde haben, die Uhr tickt."

Kleine Zeitreise, Pacult der Käfigkicker. Im Wien der 60er und 70er spielte sich der Fußball vornehmlich auf Asphalt und hinter Gittern ab. Pacult, dessen schulischer Ehrgeiz begrenzt war (er sollte später als Postler arbeiten), verbrachte die Freizeit auf der Straße. Er stürmte dann im Nachwuchs des Floridsdorfer AC, Akademien waren nicht einmal angedacht, 15-Jährige hatten keine Berater. "Ich traf die Entscheidungen selbst." Er wurde 1981 vom Wiener Sportklub verpflichtet.

Einmal, es war auf der Hohen Warte, saß Pacult nur auf der Ersatzbank, mittlerweile hat er Trainer Waschi Frank diesen gravierenden Fehler verziehen. "Ich hab ein Hungergefühl gekriegt, also habe ich einen Zuschauer hinter mir gefragt, ob er mir eine Knackwurst mit einer Semmel bringen kann. Ich hab gerade den Mund vollgehabt, als sich der Waschi zu mir dreht und mich zum Aufwärmen schickt. Schnell hab ich die Wurst in der Jacke verschwinden lassen." Er hat dann das 3:0 erzielt. Knacker sind aus den Stadien längst verschwunden.

Ein Kind der Liga

Zeitensprung. Die Bundesliga ist 50 Jahre alt, Pacult ist ein Teil davon. Knapp 43 Jahre ist er dabei, als Spieler (Sportklub, Rapid, FC Tirol, FC Linz, Austria Wien) und als Trainer (FC Kärnten, Rapid, Austria Klagenfurt). In der ewigen Schützenliste liegt er mit 186 Treffern hinter Hans Krankl (270) und Ivica Vastic (187) auf Rang drei. Im Meistercup war er als Stürmer des FC Tirol 1991 gleichauf mit dem Franzosen Jean-Pierre Papin Schützenkönig (je sechs Tore).

Die Trainerkarriere startete er 1996 bei 1860 München. Werner Lorant hatte ihn geholt. Lorant war der eine Mentor, Ernst Happel der andere. "Seine Ausstrahlung war einfach so, dass man Respekt vor ihm haben musste. Es gab Spieler, mit denen er nicht geredet hat. Mit mir schon."

Pacults größter Erfolg war der Meistertitel mit Rapid 2008, seine Reise führte ihn über Leipzig sogar nach Albanien und Montenegro. Er sagt, er habe sich verändert, weiterentwickelt. "Du musst mit der Zeit gehen. Im Fußball ist alles anders geworden, geblieben ist, dass es elf gegen elf geht." Selbstverständlich habe er Fehler gemacht. "Bei gewissen Aussagen bin ich ins Fettnäpfchen getreten. Ich bin kein Diplomat, ich lasse mich nicht verbiegen." Als er einst in einem Fernsehstudio in München saß, hatte er ein rot-weißes Hemd an. Das sind die Klubfarben der Bayern, 1860 ist in Blau-Weiß gehalten. "Ein Riesenskandal. Mir war wurscht, was ich anhatte."

Pacult denkt nicht an die Pension. "Solange es Spaß macht und Interesse an meiner Person besteht, höre ich nicht freiwillig auf." Klagenfurt gastiert am Samstag beim Wolfsberger AC. "Ziel ist der Klassenerhalt", sagt Pacult. Schmäh ohne. Andreas Herzog versteht das. (Christian Hackl, 4.11.2023)