Großes Kino in Las Vegas am 2. Februar 2012: Mitt Romney war in die Casino-Stadt geflogen, um sich die Wahlempfehlung von Donald Trump abzuholen. Im Grunde nur eine Formalität, war Romney damals doch klarer Favorit im Wettlauf der Präsidentschaftsanwärter einer Partei, zu der auch Trump sich bekannte.

Mitt Romney
Mitt Romney (li.) war der letzte republikanische Kandidat vor Donald Trump. Nun verlässt er frustriert die große politische Bühne...
Reuters / Jon Cherry

Diese allerdings knüpfte der Bauunternehmer an die Bedingung, dass sein Hotel am Strip von Las Vegas der Schauplatz sein sollte. Also stand Romney an einem Pult mit dem Namen Trumps, um sich artig zu bedanken bei dem Geschäftsmann, der versprach, ihn nunmehr offiziell zu unterstützen. Eine Fußnote des Wahlkampfs damals. In Romneys Augen war Trump ein so spektakulärer wie harmloser Selbstdarsteller, politisch eine Randfigur, unterhaltsam, aber kaum ernstzunehmen. "Man muss ihn einfach mögen", schrieb er in sein Tagebuch. "Bringt mich zum Lachen und hebt meine Laune."

Auf dem Parteikongress, der Romney Monate später offiziell ins Duell gegen Amtsinhaber Barack Obama schickte, war fast nichts davon zu spüren, wie sehr Trump der Partei schon bald seinen Stempel aufdrücken würde. Jener "Grand Old Party", deren Spitzenmann 2012 für jahrzehntelang bewährte Parolen stand: Haushaltsdisziplin, das Business ebenso fördern wie freien Welthandel, nicht am transatlantischen Bündnis rütteln, bei Sozialausgaben bremsen, wenn nicht kürzen.

Nur vier Jahre später kürte dieselbe Partei in Cleveland einen Populisten zum Kandidaten, der Befürworter zollschrankenlosen Handels als naive Träumer hinstellte, der am Sinn der Nato zweifelte und versprach, Sozialprogramme vor dem Rotstift zu schützen, solange sie alteingesessenen Amerikanern zugutekamen. Und ja, dass Trump den Krieg im Irak einen "dicken, fetten Fehler" nannte, sollte ihm nützen in einem Land, in dem die Hybris eines George W. Bush blanker Ernüchterung gewichen war, gerade auch an der republikanischen Basis – verbunden mit einer Hinwendung zum Isolationismus der Ära zwischen den beiden Weltkriegen.

From hero to zero

Romney glänzte in Cleveland 2016 durch Abwesenheit. Binnen vier Jahren vom Rampenlicht an den Rand: Was der Absturz über die Grand Old Party aussagt, lässt McKay Coppins im kürzlich erschienenen Buch Romney: A Reckoning Revue passieren. Dafür hatte der Autor nicht nur Einblick in die Tagebücher und E-Mails Romneys, er führte auch 45 Interviews mit ihm. Herausgekommen ist mehr als eine Biografie: nämlich eine Analyse des Abgleitens der Republikaner in Richtung One-Man-Show.

Donald Trump
... während sich der Expräsident auf dieser weiter austobt.
AP/Michael Wyke

Coppins erklärt es zum einen mit der Fähigkeit Trumps, eine Allianz zu schmieden, die sich sowohl auf weiße Arbeiter stützte, unter ihnen etliche Ex-Demokraten, als auch auf Menschen, die sich vorher kaum für Politik interessierten. Dies zusätzlich zu jenen, die ohnehin immer rechts wählen, etwa die Mehrheit evangelikaler Christen.

Warum aber, fragt er laut, erwärmt sich ein Land, das stolz ist auf seine so gefestigt wirkende Demokratie, für einen Mann, der Diktatoren offen bewundert? Wieso gelang einem Demagogen der Durchmarsch in einer Partei, zu deren Kanon bis dahin der Respekt für Institutionen und Expertenwissen gehörte? Waren die autoritären Anwandlungen allein auf Trump zurückzuführen? Oder gab es sie schon immer? Bedurfte es nur eines ungenierten Aufwieglers, um sie an die Oberfläche zu holen? Trump habe etwas Tiefsitzendes, lange Schlummerndes zu neuem Leben erweckt, wird Romney von Coppins zitiert.

Was das Buch in prägnanten Episoden dokumentiert, ist der rückgratlose Opportunismus eines Establishments, das im kleinen Kreis kein gutes Haar an Trump lässt, um dann, sobald eine Kamera läuft, Lobeshymnen auf ihn anzustimmen – aus Angst, offene Kritik könnte bestraft werden durch eine Basis, die kein Ausscheren duldet und "Verräter" mit dem Aufstellen von Gegenkandidaten bei den nächsten parteiinternen Primaries bestraft, was zu absehbarem Amtsverlust führt. "Arbeitsplatzerhaltung vor Prinzipienwahrung", bringt es Romney auf eine lakonische Zeile.

Im Herbst 2018 in den US-Senat gewählt, lernt Romney schnell, was seine Parteifreunde dort wirklich von Trump halten. Einmal bricht die Fraktion fast geschlossen in höhnisches Gelächter aus, nachdem der Präsident den Saal verlassen hatte. Der Mann sei ein Idiot, urteilte etwa Mitch McConnell, in der Senatskammer die Nummer eins der Konservativen. Romney habe das Glück, den Staat Utah zu vertreten, einen konservativen, gleichwohl Trump-kritischen Staat, weshalb er "sagen kann, was wir alle denken".

Mutiger Alleingang

Als Romney im Februar 2020 für die Amtsenthebung Trumps stimmt, ist er der einzige konservative Senator, der diesen Schritt wagt, nachdem der Präsident die Freigabe von Militärhilfe für Kiew an die Ankündigung ukrainischer Korruptionsermittlungen gegen Joe Biden geknüpft hatte. "Traurig, zu sehen, was mit Leuten geschieht, wenn sie um jeden Preis gewinnen wollen", schreibt er über Kollegen, die seine Einschätzung zwar teilen, aber nicht den Mut haben, sich öffentlich dazu zu bekennen.

Am Abend des 6. Jänner 2021 – ein Mob hatte das Kapitol gestürmt, um die Bestätigung der Wahlniederlage Trumps durch das Parlament zu verhindern – spricht Romney schnörkellos von einer Revolte, die der Präsident der USA angezettelt habe. Der 6. Jänner, hofft er, würde vielleicht wie ein heilsamer Schock wirken, manche Anhänger Trumps zur Besinnung und das populistische Fieber zum Nachlassen bringen – geblieben ist pure Ernüchterung.

2024, wenn er sein Senatorenamt in Utah verteidigen müsste, will Mitt Romney nicht mehr antreten. (Frank Herrmann, 5.11.2023)