Von Friedensreich Hundertwasser behübschte Müllverbrennungsanlage in Wien-Spittelau.
Neben der Müllverbrennungsanlage Wien-Spittelau soll künftig auch Tiefengeothermie CO2-freie Energie für das Wiener Fernwärmenetz liefern.
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Die Millionenstadt Wien will auch in der Wärmeversorgung rasch unabhängig von fossilen Rohstoffen werden und künftig einen beträchtlichen Teil des Fernwärmebedarfs mittels heißen Wassers aus den Tiefen der Erde decken. Zu diesem Zweck bündeln der städtische Energieversorger Wien Energie und die OMV, die aufgrund ihrer jahrzehntelangen Bohr- und Fördertätigkeit wie kein zweites Unternehmen über die Geologie im Wiener Becken Bescheid weiß, ihre Kräfte in Sachen Tiefengeothermie.

Erstes Projekt, das vom Gemeinschaftsunternehmen Deeep (51 Prozent Wien Energie, 49 Prozent OMV) in Angriff genommen wird, ist Aspern. Am Rand der Seestadt laufen bereits seit geraumer Zeit Vorbereitungen zur Nutzung der im Erdinneren gespeicherten Wärme. Die Anlage, die dort mit einer Leistung von 20 Megawatt (MW) erreichtet wird, soll 2027 ans Netz gehen und bis zu 20.000 Wiener Haushalte mit klimaneutraler Fernwärme versorgen.

Bis zu sieben Anlagen

Insgesamt könnten bis zu sieben Anlagen mit einer Gesamtleistung von 200 MW errichtet werden, gaben OMV-Chef Alfred Stern, Wiener-Stadtwerke-Chef Peter Weinelt und Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl bei der Vorstellung des Gemeinschaftsunternehmens bekannt. Zugleich hoffe man auf eine steile Lernkurve, die auch die Kosten der künftigen Anlagen drücken sollte.

Darstellung der geplanten Tiefengeothermie in Wien
Schematische Darstellung der geplanten Tiefengeothermie in Wien.
APA

Wien erfüllt wie wenige andere Städte die Kriterien für eine effiziente Nutzung von Tiefengeothermie: Es gibt Heißwasservorkommen, ein ausgereiftes Verteilnetz über der Erde und eine genügend große Zahl an Abnehmern und Abnehmerinnen. Derzeit werden die rund 440.000 Fernwärmekunden von Wien Energie zu knapp 60 Prozent mit Energie aus mit Gas befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) beliefert, gut 40 Prozent ist industrielle Abwärme bzw. stammt aus der Müllverbrennung. Dieses Verhältnis soll sich radikal ändern.

Bis 2040 soll etwa ein Viertel der Fernwärme aus Geothermie stammen, ein Viertel aus industrieller Abwärme, ein Viertel aus der Müllverbrennung und ein Viertel aus einem noch zu errichtenden neuen Kraftwerk, das auf Basis von Wasserstoff und/oder grünem Gas laufen soll. Dieses Kraftwerk, das irgendwann im nächsten Jahrzehnt gebaut werden soll, wird laut Weinelt eine Leistung von zumindest 300 MW haben. Parallel dazu müssten die Anstrengungen intensiviert werden, den Wärmebedarf insgesamt zu senken, etwa durch Beschleunigung von Gebäudesanierungen.

Erste Bohrungen Ende 2024

Ende 2024 will man in Aspern mit den Bohrungen in Tiefen von 3.000 bis 5.000 Metern beginnen. Mittels eines Wärmetauschers soll dem gut 100 Grad heißen Wasser Wärme entzogen, das abgekühlte Wasser über ein zweites Bohrloch der Lagerstätte wieder zugeführt werden – ein Kreislauf.

Der Vorteil der Nutzung von Geothermie besteht nach Ansicht der Projektwerber darin, dass nach hohen Anfangsinvestitionen die laufenden Betriebskosten vergleichsweise niedrig seien und die Wertschöpfung im Land bleibe. Das trage auch zu einer Stabilisierung der Preise bei, die gerade bei Fernwärme im vergangenen Jahr aufgrund des hohen Gasanteils in der Erzeugung in lichte Höhen gestiegen sind.

80 Millionen Euro Kosten

Aufgrund der deutlich gestiegenen Energiepreise ist Tiefengeothermie mittlerweile auch wirtschaftlich interessant geworden. Zudem gibt es Förderungen. Die Planungs- und Projektierungskosten geben die Deeep-Gesellschafter mit 20 Millionen Euro an.

Deutlich höher, nämlich bei rund 80 Millionen Euro, dürften die Kosten für die Errichtung der ersten Geothermieanlage in Wien-Aspern liegen, wobei in dieser Summe auch die Kosten für die Anschaffung von Wärmepumpe, Wärmetauscher und die Anbindung an das Fernwärmenetz enthalten sind. Vom Klima- und Energiefonds könnte es bis zu zehn Prozent an Förderungen geben.

(Günther Strobl, 6.11.2023)