Ein Mann vor zerstörten Häusern im Kibbuz Beeri nach dem Hamas-Angriff.
Zerstörte Häuser im Kibbuz Beeri nach dem Hamas-Angriff.
AP/Ariel Schalit

Ein stiller Schabbat-Morgen in einem Kibbuz im Süden von Israel. Ein bewaffneter Mann betritt die Terrasse eines Bungalows, blickt durch ein Fenster in die Küche, zerschneidet eine Jalousie. Eine Überwachungskamera vor dem Haus zeichnet die Szene auf. Im nächsten Bildschnitt läuft ein Ehepaar mit zwei Buben halbnackt aus dem Haus, sie flüchten in eine Art Bunker. Ein weiterer Mann, offensichtlich ein Hamas-Terrorist, klettert über den Zaun und wirft eine Granate hinein. Die beiden Buben laufen hinaus, flüchten in die Küche, wo ihnen der erste Mann begegnet. Er nimmt eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank, während die Kinder verzweifelt nach ihrer Mutter rufen. "Kannst du etwas sehen?", fragt der eine Bruder den anderen. Nein, auf einem Auge ist dieser blind. Wie man dann sieht, hat die Mutter überlebt, der Vater ist tot.

Es sind Szenen wie diese, die in einem von der israelischen Regierung produzierten Film über das Massaker am 7. Oktober, genau vor einem Monat, am meisten berühren. Aus hunderten Stunden von Videoaufnahmen von Bodycams der Hamas, die zum Teil live gestreamt wurden, Handyvideos von Terroristen und Opfern, israelischen Überwachungskameras, Armaturenbrettkameras in Hamas-Fahrzeugen und Bildern aus sozialen Medien wurden 45 Minuten an Rohmaterial herausgenommen und mit wenigen schriftlichen Kommentaren aneinandergereiht.

Der Film wird derzeit nur im eingeschränkten Rahmen gezeigt, um die Privatsphäre von Opfern und Angehörigen zu schützen. Er wurde am Montag von der israelischen Botschaft in Wien Diplomaten und Journalistinnen vorgeführt. Die Aufnahmen sind schwer zu ertragen. Minutenlang wird gezeigt, wie Terroristen auf Autos auf der Straße schießen, die Leichen dann herauszerren, Überlebende auf Klein-Lkws packen und offensichtlich als Geiseln in den Gazastreifen verschleppen.

Fröhliche junge Männer

Sie warten vor dem Tor eines Kibbuz, bis ein Auto auftaucht und das Tor sich öffnet. Dann erschießen sie den Lenker, dringen in das Dorf ein, gehen in Privathäusern und Kindergärten auf die Jagd nach Zivilisten und schießen, sobald sich etwas bewegt. Wird ein Soldat oder eine Soldatin getötet, ist der Jubel besonders groß.

Was vielleicht am meisten erschüttert, sind die Aufnahmen, die die Hamas von ihren eigenen Leuten gemacht hat. Da präsentieren sich fröhliche junge Männer, in deren Gesichtern weder Hass noch Boshaftigkeit zu entdecken ist. Für sie sind die Israelis keine Menschen. "Ich habe zehn Juden getötet, ich bin ein Held, ich bin ein Held", verkündet ein Mann stolz seinem Vater, nachdem er ihn mit dem Handy eines israelischen Opfers angerufen hat.

In der zweiten Hälfte sieht man unzählige Bilder von Leichen, an denen man die Grausamkeit des Todes merkt. Besonders erschütternd sind die Aufnahmen vom Supernova-Musikfestival in der Nähe der Grenze zum Gazastreifen, wo die Hamas hunderte junge Menschen tötete und dutzende verschleppte. Man sieht, wie zuerst in den Morgenstunden noch getanzt und gefeiert wurde, dann Schüsse zu hören sind, wie dann die Menschen versuchen, in ihren Autos zu flüchten, aber aufgehalten und erschossen werden. Hunderte laufen über die leere Ebene und versuchen zu entkommen, einigen gelingt es auch.

Am Ende aber sieht man unzählige ausgebrannte Autos mit verkohlten Leichen am Straßenrand. Ein Retter kommt auf das Festivalgelände und sucht zwischen Leichen nach Überlebenden. "Hallo, ist hier jemand? Gibt es ein Lebenszeichen?", hört man ihn rufen. Und dann: "Nur noch Tote. Alle sind tot."

138 Morde wurden in diesem Film gezeigt, weniger als ein Zehntel der 1.400 Getöteten. (Eric Frey, 7.11.2023)