Produziert ein großer Anbieter wie Apple TV+ eine eigene Serie über den Niedergang eines Unternehmens, muss es wirklich wild gewesen sein. Im Fall vom US-Bürovermieter We Work war es das auch. "WeCrashed" heißt die Serie. Einst das wertvollste Start-up der Vereinigten Staaten, hat das Unternehmen in der Nacht auf Dienstag den lang erwarteten Insolvenzantrag gestellt.

Bereits vergangene Woche war die We-Work-Aktie massiv abgestürzt, nachdem das "Wall Street Journal" von Insolvenzplänen berichtet hatte. Nun ist es offiziell so weit. We Work wolle sich neu aufstellen, müsse sich neu erfinden, heißt es. Dafür werde man unter anderem Büroflächen verkleinern. Jene Investoren, die hinter 92 Prozent der Schulden stehen, hätten dem Restrukturierungsplan zugestimmt.

Seit der Gründung im Jahr 2010 hat We Work mehr als 16 Milliarden Dollar Verlust geschrieben, die letzten verbleibenden Barmittel wurden wegen des aktuell schwierigen Umfelds von US-Büroimmobilien versenkt. In der Corona-Pandemie leerten sich Büros weltweit, weil Menschen zu Hause arbeiteten. Auch nach Abklingen der Pandemie tat sich We Work schwer damit, Büroflächen zu füllen. Zugleich mussten Mietkosten für Gebäude bezahlt und Schulden bedient werden.

WeWork Logo
Hinter We Work steht der japanische Tech-Investor Softbank.
AFP/TIMOTHY A. CLARY

Bier aus dem Wasserhahn

Im Jahr 2011 eröffnete der erste Standort in Manhattan, danach ging es schnell. We Work konzentrierte sich darauf, Büroflächen zu mieten, anstatt sie zu kaufen, und diese mit edler Infrastruktur weiterzuvermieten. Aus den Wasserhähnen floss beispielsweise nicht nur Wasser, sondern auch Bier und aromatisiertes Mineralwasser. Man konnte Tischtennis spielen, auch Yoga-Räume gab es. Das Unternehmen wurde zum Aushängeschild des Co-Working-Trends, der vor allem bei Millennials immer beliebter wurde. Freelancer und Start-ups rannten We Work die Türen ein.

Von 47 Milliarden zu 44 Millionen

Es folgte eine rasante Expansion, hauptsächlich finanziert vom japanischen Tech-Investor Softbank. Überall in den USA, Großbritannien, aber auch in Israel eröffneten neue Standorte. Grund dafür war allen voran der exzentrische Mitgründer Adam Neumann. Er schaffte es, Investoren zu überzeugen, dass We Work das mit der Arbeitsplatzkultur machen wird, was Facebook mit sozialen Medien und Uber mit dem Taxigeschäft geschafft hat.

Neumann vermarktete We Work als groß skalierendes Tech-Unternehmen, und Risikokapitalgeber schossen so lange Geld zu, bis die Gesamtbewertung 47 Milliarden Dollar betrug. Völlig überzogen, wie man heute weiß. Von der gehypten Aktie blieb schlussendlich nur ein Pennystock und ein Firmenwert von 44 Millionen Euro. Seit Jahresbeginn sind die Papiere um 98 Prozent gefallen.

Ein Mann geht an einem leuchtenden We Work Logo vorbei
We Work machen der Trend zum hybriden Arbeiten nach der Corona-Pandemie und der Stellenabbau im Technologiesektor, aus dem die meisten seiner Mieter für die Co-Working-Arbeitsplätze kommen, zu schaffen.
AFP/MANDEL NGAN

We Work gilt schon länger als mahnendes Beispiel für maßlos überbewertete US-Start-ups und steckte zuletzt wieder in Schwierigkeiten. Schon im August räumte das Unternehmen mit Blick auf seine Verluste und den erwarteten Geldbedarf "erhebliche Zweifel" am Fortbestehen ein. Im September wurden erste Schritte angeschoben, das Immobilienportfolio zu verkleinern.

Insolvenz nach Chapter 11

Gerichtsunterlagen zufolge will We Work eine Sanierung nach dem sogenannten Chapter-11-Verfahren anstreben. Geschützt vom US-Insolvenzrecht, können sich Unternehmen auf diese Weise eine gewisse Zeit vor dem Zugriff der Gläubiger schützen. Zudem dürfte der Insolvenzantrag ermöglichen, dass We Work aus teuren Mietverträgen rauskommt.

Am vergangenen Dienstag war eine 30-Tage-Frist abgelaufen, innerhalb derer We Work Schuldscheine hätte bedienen müssen, doch das Unternehmen ließ die Frist verstreichen. Die Ratingagentur Fitch stuft das als "begrenzten Kreditausfall" ein und hat Verbindlichkeiten von We Work im Volumen von 1,4 Milliarden Dollar entsprechend herabgestuft. Das Geschäftsmodell sei aber grundsätzlich tragfähig, wenn es We Work gelinge, eine höhere Auslastung zu erreichen und sich von schwachen Standorten zu trennen.

Während der vergangenen Monate blieben immer mehr Büros leer, was den Druck auf Investoren sukzessive erhöht. Dementsprechend wird der We-Work-Ausfall als schlechtes Zeichen für den ganzen Markt gedeutet. Dazu kommt das hohe Zinsniveau, das es vielen erschwert, große Hypotheken zurückzuzahlen. Zahllose Vermieter haben zuletzt niedrigere Mieten von We Work akzeptiert, sie schauen nun durch die Finger bzw. wissen nicht, wie sie die Immo-gebundenen Schulden begleichen können.

Gescheiterter Börsengang

Mit dem Ruf als erfolgreicher Revolutionär der Bürowelt wollte We Work im Jahr 2019 an die Börse, was in einem Riesenflop endete. Zweifel an der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells von We Work, das darin besteht, Büroobjekte großflächig und mit langen Laufzeiten anzumieten und als Klein- oder Kleinstbüros zu weitaus kürzeren Laufzeiten weiterzuvermieten, gab es zu dem Zeitpunkt schon länger. Als dann auch noch Berichte auftauchten, dass Geschäftsführer Neumann selbst gegenüber We Work als Vermieter auftritt und dabei ordentlich Reibach macht, verstimmte das insbesondere den japanischen Großaktionär erheblich.

Der tiefere Einblick ins Geschäft im Börsenprospekt veranlasste große Investoren dann schlussendlich, komplett einen Bogen um die verlustreiche Firma zu machen. Profitabel war das Unternehmen im Übrigen nicht an einem einzigen Tag. Im Jahr 2021 schaffte es We Work über einen Umweg doch noch an die Börse – durch die Fusion mit einer Blankoscheck-Firma.

Teuer wurde das damalige Debakel vor allem für den Softbank-Konzern rund um Milliardär Masayoshi Son. Softbank und sein mit saudi-arabischen Geldern gestützter Vision-Investitionsfonds hatten sich für neun Milliarden Dollar einen Anteil von 29 Prozent an We Work gesichert. Als der Börsengang 2019 platzte, nahm Softbank weitere 9,5 Milliarden Dollar in die Hand, um auf 80 Prozent aufzustocken und den umstrittenen Mitgründer und Chef Adam Neumann hinauszudrängen.

Vergoldeter Abgang

Seinen Abgang hat er sich allerdings vergolden lassen: Er verhandelte mit seinen Anwälten eine Abfindung von 1,7 Milliarden Dollar. Neumann geht sozusagen in die Geschichte ein, als jener gescheiterter Star-Unternehmer, der reich wurde, während Investoren alles verloren haben. Dabei begann alles als die große American-Dream-Erfolgsstory.

Adam Neumann trägt ein schwarzes T-Shirt und spricht auf einem Podium.
Adam Neumann sammelte Milliarden für We Work ein, heiße Luft zu vermarkten gilt als eines seiner großen Talente.
REUTERS/Eduardo Munoz

Der in Israel aufgewachsene Neumann gründete gemeinsam mit dem Ex-Marine-Offizier Miguel McKelvey We Work in New York. Zwar handelte es sich de facto um ein herkömmliches Immobilienunternehmen, doch Neumann vermarktete es als aufstrebende Tech-Firma. Als größtes Talent wurde dem heute 44-Jährigen stets nachgesagt, andere zu überzeugen und das zu kapitalisieren, sprich Geld einzusammeln. Mit dem Scherbenhaufen muss er sich nicht befassen, er hat bereits neue Projekte am Laufen.

Keine Büros in Wien

Nach jüngsten Angaben kam die Firma zuletzt auf 660 solcher Standorte in 119 Städten rund um die Welt. In Deutschland ist We Work unter anderem in Berlin und Frankfurt präsent. In Österreich gibt es keine Standorte. Pläne für Gemeinschaftsbüros in Wien hatte We Work zwar, die Standortsuche in der Pandemie aber auf Eis gelegt. (Andreas Danzer, dpa, 7.11.2023)