Frau liest skeptisch die Packungsbeilage der Anti-Baby-Pille
Die Antibabypille ist mit einer Vielzahl an Nebenwirkungen verbunden – und wird deshalb von vielen kritisch gesehen.
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Themen, die hauptsächlich für Frauen relevant sind, sind auch im Jahr 2023 noch chronisch untererforscht, das ist die traurige Realität. Man kann sich also ausmalen, wie es um die Forschung steht, wenn es um den Zusammenhang von gleich zwei Themen, die mehrheitlich Frauen betreffen, geht: Nebenwirkungen der Antibabypille zum einen und Angststörungen zum anderen.

Dazu gab es kaum wissenschaftliche Erkenntnisse – bis jetzt. Denn ein kanadisches Forschungsteam hat nun die Auswirkungen der Einnahme von oralen Verhütungsmitteln auf das Gehirn von Frauen untersucht. In der Erhebung wurden vier Gruppen untersucht und miteinander verglichen: Frauen, die derzeit die Pille nehmen, Frauen, die früher die Pille genommen, aber mittlerweile abgesetzt haben, Frauen, die noch nie hormonell verhütet haben, und als vierte Gruppe Männer.

Durch den Vergleich konnten die Forschenden feststellen, ob die Pillenanwendung akut oder langfristig mit Veränderungen in Organen wie dem Gehirn verbunden war. Außerdem konnten sie auch geschlechtsspezifische Unterschiede erforschen, denn – das ist bereits bekannt – Frauen leiden häufiger an Angst- und Stresserkrankungen als Männer.

Effekt wahrscheinlich reversibel

Die Ergebnisse zeigen, dass der sogenannte ventromediale präfrontale Kortex bei Frauen, die die Pille nahmen, dünner war als bei Männern. "Man geht davon aus, dass dieser Teil des Gehirns die Emotionsregulierung aufrechterhält. Unser Ergebnis könnte auf einen Mechanismus hindeuten, wodurch Antibabypillen die Emotionsregulation bei Frauen beeinträchtigen und einen Risikofaktor für Defizite bei der Emotionsregulation darstellen könnten", sagt Alexandra Brouillard, Forscherin an der Université du Québec à Montréal und Erstautorin der im Fachjournal Frontiers in Endocrinology veröffentlichten Studie.

Ausgehend von dieser Studie scheint dieser Effekt nach dem Absetzen der Pille reversibel zu sein, es bräuchte aber unbedingt weitere Studien zu den Auswirkungen und der Reversibilität, schreiben die Forscherinnen und Forscher. Immerhin ist eine Vielzahl von meist jungen Frauen von diesen Nebenwirkungen betroffen.

Mehr Forschung notwendig

Mehr als 150 Millionen Frauen weltweit verwenden orale Verhütungsmittel. Kombinationspillen sind dabei am weitesten verbreitet. Das sind jene Pillen, die eine Kombination zweier weiblicher Sexualhormone, nämlich Gestagen und Östrogen, enthalten.

Bei der Verschreibung würden Mädchen und Frauen oft über verschiedene körperliche Nebenwirkungen, etwa dass die Hormone den Eisprung verhindern, aufgeklärt. Aber über die Auswirkungen von Sexualhormonen auf die Entwicklung des Gehirns, die bis ins frühe Erwachsenenalter andauert, werde viel zu selten gesprochen, kritisiert Brouillard. In Anbetracht der weiten Verbreitung von Antibabypillen sei es deshalb umso wichtiger, die akuten und langfristigen Auswirkungen auf die Anatomie des Gehirns und die emotionale Regulation besser zu verstehen. (Magdalena Pötsch, 8.11.2023)